GRAHAM PARKER


Der große Graham Parker, im ME wegen seiner heißen New Wave- und Rhythm & Blues-Scheiben schon häufiger besungen, geisterte mit seiner Band The Rumour mal wieder durch Deutschland. In Köln stand er im WDR-Studio und ließ den Rockpalast erbeben. Kurz vor dem Auftritt quatschte Wolfgang Bauduin ein Stündchen lang mit der Gruppe.

Ein engbrüstiger, blasser Minimax steht in der Tür. „Hey I’m Graham Parker“, offenbart bart das schmale Hemd,und man hört, daß diese Stimme eigentlich kaum in einen solchen Körper paßt – da würde man sich eher einen Typ Marke Arnold Schwarzenegger vorstellen. Aber es stimmt: Parker, das Wiesel, röhrt wie ein Löwe. MGM sollte ihn für die Kino-Reklame verpflichten. Doch noch steht er beim Vertigo-Label unter Vertrag und die Firma ist zu recht glücklich darüber.

Deutsche Zöllner stoppten Parkers Anlage

Grund solcher Freude sind Graham Parker’s inzwischen bemerkenswerte Plattenumsätze, die spätestens seit dem Hit „Hold Back The Night“ anstiegen und unterdessen sogar ein eigenes, wenngleich weniger erquickliches Album seiner Begleitband The Rumour ermöglichten. Zu dieser LP. „Max“ geheißen, mag Minimax nichts sagen:“.Damit hatte ich nichts zu tun, frag‘ Martin danach!“ Martin Belmont will nicht recht:“.Frag‘ Graham!“ Nun ja, die Jungs wirken ein bißchen unlustig und lungern in einem Kölner Hotel am Bahnhof herum, wo sie ungeduldig warten, ob der Auftritt im WDR-Rockpalast doch noch klappt. Parker’s Soundtechniker wurde an der Grenze Opfer der Behörden, und ohne Techniker läuft’s nicht. Keine Action, den publicityträchtigen Auftritt verschwinden sehend, dazu noch einiges Geld den Bach runter – das nervt. Der smarte Minimax qualmt wie ein Schlot, Ursache für seine phänomenal rauhe Stimme?

Dabei müßte Parker doch Warten gewohnt sein, zumindest von früheren Jobs als Lastwagenfahrer und Tankwart her (siehe auch ME 2/77). „Ja, diese Legende ist keine, sie stimmt!“ sagt er. „Ich hab‘ als Tankwart gearbeitet, bevor wir die Band aufgemacht haben. Das heißt, nebenbei trat ich abends in einigen Clubs auf, Gitarre, ein paar Sachen singen, ein paar Pfund kassieren und so. Aber ’ne richtige Karriere hatte ich vorher nicht im Sinn.“ Treffpunkt der sogenannten Pubrock-Szene war damals, also um 1975 herum, mit Vorliebe Londons „Hope And Anchor“-Club in Islington. und dort traten denn auch Bands wie Brinsley Schwarz, Boutemps Roulez und Ducks De Luxe auf.

„Wir spielen Pop mit ’ner Menge R’n’B und Soul und Rock und Reggae drin“

Womit wir bei The Rumour wären, ohne die Graham Parker zwar gut, wohl kaum aber überragend wäre. Gemeint ist damit neben technischer Perfektion die Routine und lockere Spielweise der Band, die sich wahrscheinlich nur aus der langjährigen Erfahrung der Musiker erklären läßt. Da sind zunächst mal Stephen Goulding (dr) und Andy Bodnar (bg), beide Ex-Boutemps Roulez, die für einen sauberen und festen Grundstock sorgen. Martin Belmont (g) stammt von Ducks De Luxe, einem Geheimtip, der es nie schaffte und mittlerweile durch seine Einzelteile für Dampf in verschiedenen Gruppen sorgt: Bei den fabelhaften Motors spielen derzeit die Ex-Ducks Andy McMaster und Nick Garvey. Schließlich lebt The Rumour noch von Bob Andrews (keyb) sowie von Gitarrist Brinsley Schwarz, die bereits seit zehn Jahren den großen Wurf versucht haben: Ich kann mich dunkel an eine späte Ausgabe des legendären Fernseh-Beatclub erinnern, in dem Uschi Nerke (mein Gott, was war die früher nett!) eine brandneue Band namens Brinsley Schwarz vorstellte und irgendwie mit Cream in Verbindung brachte!? Das muß so seine zehn Jährchen her sein.

Minimax Parker, der heute siebenundzwanzigjährige, kann sich an solche Zeiten auch noch zurückerinnern: „Klar, vor allem an die Zeit des Rhythm & Blues bei uns in England. Von Bands wie den frühen Animals oder den Yardbirds bin ich schon angemacht worden.“ Gibt’s weitere Parallelen? „Ja, Van Morrison und Them mit ihrem R’n’B, wäre Quatsch, die nicht als Einfluß zu nennen.“ Und wie hält Graham Parker die Sache mit der Einordnung in New Wave, Old Wave oder sonst was? „Ach, wir spielen Pop, mit ’ner Menge R’n’B und Soul und Reggae und Rock ’n‘ Roll und Rock drin. Nenn‘ es Punk oder New Wave, ganz gleich, Hauptsache, das Ding klingt echt. Jeder ordnet uns dort ein, wie er subjektiv empfindet. Solange man meinen Namen richtig buchstabiert und überhaupt was schreibt, ist mir das recht. Ich glaube, Greta Garbo hat so etwas mal gesagt.“

Parker singt m der Tradition der großen schwarzen Bluessänger

Graham Parkers Stimme greift mühelos über dreivierdrittel Oktaven, er phrasiert in der Tradition der schwarzen Bluessänger, ohne dabei Van Morrison, Bob Dylan und Chris Farlowe zu vergessen und erinnert mit seinen Songs an beste negroide Tradition. So könnte man sagen, würde man für ein kultiviertes Kulturmagazin schreiben. Minimax singt irre und gibt damit seinen prächtigen Kompositionen zusätzlich Schwung, so scheint’s mir einleuchtender. Tatsache nämlich ist, daß Parker fast alle Songs selbst verfaßt: „Ja, das hab‘ ich schon als Tankwart oder so gemacht. Ein Teil der heutigen Songs stammt aus der Zeit, als ich abends gelegentlich in den Clubs auftauchte. Allerdings gefallen mir die Stücke in der jetzigen Form besser.“ Aber was war denn da mit „Stick To Me“. der letzten LP, die vom Sound her nicht besonders sauber klang?“.Die Master Tapes (das ist das Aufnahmeband, das als Vorlage zur Plattenpressung dient) sind vermasselt worden und deshalb mußten wir die gesamte Platte in bloß einer Woche nochmals einspielen, wegen der finanziellen Dinge war nicht mehr Zeit möglich.“ Und Du schreibst Dir die Songs natürlich auf den Leib? „Klar doch, was dabei ‚rauskommt, soll schließlich nach Parker und Kollegen klingen, nichts anderes.“

Der nächste Schlag: Eine Live-LP.Mit dem Besten vom Besten

Wer bislang das Glück hatte, einmal ein Minimax-Konzert gesehen/gehört zu haben, schwärmt meist von der undefinierbar guten Ausstrahlung, die Parker & The Rumour vermitteln. Dies war seinerzeit, im Juli 1975, auch der Grund, weshalb Parker ein Plattenvertrag angeboten wurde. Der Sänger tauchte mit einem Demo des Songs „Between You And Me“ im „Hope And Anchor“-Club auf, wo Stammgäste den nervös vibrierenden Live-Parker längst kannten. Diese Mixtur – besitzt Ausstrahlung und kann zusätzlich noch ein prächtiges Demo abliefern – gab den Ausschlag für den Vertrag. Die Originalversion von ,.Between You And Me“ ist übrigens auf der ersten Parker-LP „Howlin‘ Wind“ zu hören.

Da mittlerweile auch das amerikanische Publikum Parker & The Rumour feiert und kürzlich bei einer Tour auch mal dem Top-Act Thin Lizzy vorzog, läge nichts näher als ein Live-Album! „Genau das kommt“, bestätigt Graham. „Wir haben’s gestern im Rockfield Studio abgemixt: Ein Live-Doppelalbum, mit ‚Hold Back The Night‘ drauf, in New York, Oxford, Birmingham, Bournemouth und London aufgenommen und überhaupt….“. Martin Belmound regt sich wieder: „Das beste Live-Album überhaupt!“ Und Minimax nickt beifällig…