Grant Lee Buffalo


Grant Lee Buffalo hatten einen Blitzstart. Erstens befand kein geringerer als Michael Stipe ihr Debüt als sein Lieblingswerk des Jahres 1993. Und zweitens gelang ihnen mit ‚Fuzzy‘, dem Titelstück besagten Albums, auf Anhieb jene Art von gloriosem Instant-Klassiker, neben welchem alle nachfolgenden Songs abzufallen drohen, ehe sie entstanden sind. Grant Lee Buffalo erholten sich vom doppelten Pech solcher Sofort-Glorie mit lobenswertem Stehvermögen. Nach dem doch eher fahlen kommerziellen Erfolg von ‚Fuzzy‘ verdichteten sie ihren Sound fürs Nachfolgewerk ‚Mighty Joe Moon‘ mittels vermehrtem Gebrauch ihrer multiinstrumentellen Fähigkeiten. Ungefähr gleichzeitig brach in den Staaten das Revival des Country Rock aus – aber Grant Lee Buffalo verharrten weiter in relativer Obskurität: Ihre labyrinthösen Melodien, dazu die Dramatik von Gesang und Arrangements, bestimmt aber auch die bitterbösen Polit-Texte, waren wohl zuviel des Komplizierten für ein amerikanisches Publikum, das gerade daran war, mit Hootie & The Gin Doctors die „neue Belanglosigkeit“ zu entdecken. Aber GLB ließen sich nicht vom schweren Pfad abbringen und lieferten mit ‚Copperopolis‘, dem dritten Album-Streich, konsequent mehr vom selben – Kammer-Country-Ambient-Rock vom feinsten also. Die große Frage war nun: Wie soll ein Trio – Grant Lee Phillips (Vocals und Gitarre, Paul Kimble (Bass und Keyboard), joey Peters (Drums) einen Studiosound live nachvollziehen können, bei dem Zutaten wie Mellotron, Banjo, Cello, tibetanische Glöckchen etc. einen wichtigen Beitrag zur Atmosphäre leisten? Antwort: In Phasen, und mit Pedalen. Betätigt von Phillips und Kimble werden diverse Effekte entfesselt, bei denen man immer wieder ins Staunen kommt: Ist schon komisch, wie ein Grunge-Bass plötzlich dahersummt wie ein Cello. Solche vielschichtige Technologie funktioniert am besten dann, wenn der Song selber melodisch stark ist und die Fremdklänge wie Farbtupfer wirken. Dort aber, wo beim Album verspielte Instrumentalpassagen oder ambiente Hintergrundarrangements zum tragenden Element des Songs werden, wird’s live plötzlich kühl und abgehoben. So gibt es Lieder, die mit der Kraft einer Naturgewalt auf uns einstürzen: ‚The Shining Hour‘ und ‚Bethlehem Steel‘ ganz am Anfang, ‚All That I Have‘ und ‚Fuzzy‘ gegen den Schluß. Dazwischen hat’s aber Passagen, wo der ansonsten geschmacklich äußerst treffsichere Phillips etwas gar nah an die Pomposität eines frühen Bono herangerät, und auch Passagen, wo die auf einigen neueren Songs angestrebte monotone Hypnotik nur noch monoton bleibt. Unter dem Strich ist’s dennoch ein starkes Konzert, schon deswegen, weil der Mut zu solch schrulliger Komplexität nicht eben häufig anzutreffen ist. Der Tiefsinn wirkt ansteckend: Gegen Ende des Konzertes flüstert mir das wildfremde Mädchen neben mir plötzlich zu. „Der Sänger bewegt sich wie ein Mann, der kürzlich seine feminine Seite erkannt hat, und dem das lästig ist!“ Aha.