Guano Apes


Ihr Album Proud Like A God machte die Deutschen zu Stars. Wie sich der Ruhm anfühlt, darüber reden Sängerin Sandra Nasic und Drummer Dennis Poschwatta.

Ihr besteht immer darauf, in der Öffentlichkeit als Band und nicht als Sängerin plus Begleitmusiker aufzutreten. Ist Dennis heute der Quoten-Musiker vom Dienst?

Dennis: Wir sind eine Band mit vier eigenständigen Persönlichkeiten. Als solche treten wir auch bei Interviews auf. Die meisten Redaktionen wollen aber Sandra alleine bei Interviews haben. Einmal passierte es, daß Sandra krank war und zwei von der Band zum Interview fuhren. Dort sagte man uns, daß sie ohne Sandra kein Interview machen würden. Na gut, dachten wir Dann gibt es eben gar kein Interview. Außerdem finden wir, daß es Sandra gegenüber unfair wäre, ihr die ganze Promo-Arbeit allein aufzuhalsen.

Sandra: Solange „Guano Apes“ drüber steht, ist das doch in Ordnung. Ich bin die Frontfrau, und von daher ist es doch völlig klar, daß die Medien vor allem mit mir sprechen wollen.

Selbst wenn einer von der Band dabei ist, wird die Aufmerksamkeit dennoch hauptsächlich Sandra gelten.

Dennis: Es nervt, wenn du dauernd Fragen hörst wie „Warum hat sich Sandra die Haare gefärbt?“ oder „Seid ihr die Snowboarder des Jahrhunderts?“

Andererseits ist es aber höchst unsexy, immer nur über Musik zu reden.

Sandra: Vielleicht gibt es ja doch viele Mädels, die etwas über mich wissen wollen. Ich selbst will ja über meine Lieblingsbands wie Deftones oder Korn auch wissen, wo die herkommen und was das für Menschen sind.

Will man auch wissen, was Sandra in der Bluse hat? Das „GQ“-Magazin zum Beispiel lästerte unlängst über Deine angeblich geringe Oberweite.

Sandra: Die hatten anscheinend ein Problem mit mir, weil ich bei dieser Modefoto-Produktion sagte, daß ich schon immer mal in ein „Gukki“-Kleid reinfurzen wollte. (Gemeint ist ein Kleidungsstück der Firma „Gucci“; Anm. d. Red.) Und das hab‘ ich dann auch getan. Im Grunde war das trotzdem eine interessante Geschichte: Nobelklamotten auf einem Schrottplatz zu tragen. Ich selbst wollte mal wissen, wie es so ist, „Gukki“ zu tragen – weniger Stoff als andere Klamotten, dafür x-mal so teuer.

In der Story stand auch, daß Du nicht so hübsch seist wie Shirley Manson.

Dennis: Unverschämtheit – das stimmt nicht!

Sandra: Danke, schönes Kompliment.

Dennis: Zum Glück haben all diese Vergleiche – Manson, Gwen Stefani, Nina Hagen, Skin von Skunk Anansie – mit der Zeit ziemlich nachgelassen. Am Anfang hat man das noch überall gelesen, inzwischen kaum mehr. Das ist doch komisch: Auch ich färbe mir seit sechs Jahren regelmäßig die Haare, aber keiner will das wissen.

Du bist ja auch nicht das Sexsymbol bei den Guano Apes.

Sandra: Ich bin auch kein Sexsymbol – zumindest hab‘ ich das noch nie über mich gehört. Wahrscheinlich liegt das in der Natur des Menschen, daß Frauen automatisch immer sexy sein müssen. Für mich ist es auch keine Frage, ob Guano Apes mit einem männlichen Sänger genauso erfolgreich wären. Es gibt genügend erfolgreiche Bands mit einem männlichen Sänger.

Wo ist bei Medien-Anfragen Eure Schmerzgrenze erreicht?

Sandra: „Die 10 coolsten Schminktips von Sandra Nasic“ – da hört es bei mir auf. Alles, was so über die Frauchenschiene läuft.

Wenn der „Playboy“ Dir anbietet, Nacktfotos vor Dir zu machen, wirst Du – gemäß der Bandphilosophie – also sagen: „Gern, aber nur, wenn die Jungs auf den Fotos neben mir auch nackt zu sehen sind.“

Sandra: Lustig, wir hatten tatsächlich mal eine ähnliche Anfrage vom „Max“. Das ist schon eine Art Kompliment für mich. Wir haben aber abgelehnt, weil ich mich ganz ausziehen sollte, während die lungs nur ohne Hemden fotografiert werden sollten.

Dennis: Wenn sie von uns alles sehen wollen, dann sollen sie doch zu unseren Konzerten kommen. Ich hab‘ da schon öfter meinen Arsch oder mein anderes Allerwertestes gezeigt. Aber für eine Zeitschrift ausziehen, darüber denke ich gar nicht nach. Für kein Geld der Welt würde ich das machen. Na gut, vielleicht für 250.000 Mark…

Sandra: Ich habe mir das schon ernsthafter überlegt, und eigentlich habe ich auch Lust dazu. Ich muß mich noch eine Zeitlang damit befassen. Ich will einfach nicht auf die gleiche Ebene wie Ricky und Konsorten. Nacktfotos an sich würde ich schon mal gerne von mir haben, aber nur, wenn sie mein Freund macht. Solange ich noch jung bin, können Nacktfotos von mir doch sehr schön sein.

Dennis: Das wäre dann auch Sandras eigene Entscheidung, die nichts mit Guano Apes zu tun hat. Ich persönlich würde mich gemeinsam mit Sandra niemals vor der Kamera ausziehen.

Sandra: Da würdest du auch den kürzeren ziehen…

Von den Guano Apes kann man das nicht behaupten. Ihr habt 650.000 Alben und von zwei Singles je 300.000 Stück verkauft – fast ohne Radiounterstützung.

Dennis: Letzteres ist besonders bitter. Am meisten enttäuscht war ich von „Radio FFN“, die ja den „Local Heros „-Wettbewerb ausgerichtet haben, den wir 1996 gewonnen haben. Wir dachten, daß sie dann auch unsere Musik im Radio spielen würden, aber es stellte sich heraus, daß ihnen sogar „Rain“ zu hart war. Da läuft immer nur der gleiche Kommerzscheiß.

Die Guano Apes machen ja auch kommerzielle Musik – in dem Sinne, daß Ihr enorm viele Platten verkauft.

Sandra: Stimmt. Aber für mich ist „kommerzielle Musik“ eher ein Schimpfwort für diese Dance-Schiene, die überall läuft. Musik, die schon zum Zeitpunkt ihres Entstehens nach kommerziellen Formeln produziert wird…

Dennis: …und bei der keine echte Band dahinter steht. Nur mit einer Band kann man ehrliche Musik machen. Für mich ist das so wie Kinder-Machen: Miteinander einen neuen Song zu entwickeln, ist fast so geil wie ein Orgasmus. Jeder Song ist wie ein kleines Baby, das von vier Personen gezeugt wurde.

Fliegt Ihr übermorgen nach Amerika, um auch diesen Markt für Euch zu erobern?

Dennis: Na ja, immer schön langsam. Wir spielen jetzt erst mal in Austin/Texas auf einer Musikmesse. Das wird ein Showcase für ein paar Produktleute von dortigen Plattenfirmen. So wie es aussieht, werden wir im Laufe des Jahres unser erstes Album in den USA veröffentlichen.

Rammstein haben es in den USA auch geschafft…

Sandra: Klar, mit ihrer „Mad Max -Show. Wir dagegen kommen nur mit unserer Musik, wir zünden uns auf der Bühne ja nicht an. Wir fangen dort quasi noch mal ganz von vorne an.

Wart Ihr nicht enttäuscht, nur einen „Echo für das beste Video bekommen zu haben?

Sandra: Nein, wir sind immerhin in vier Kategorien nominiert worden.

Dennis: Und in den anderen Kategorien hatten wir keine Chance, weil es da nur um die reinen Plattenverkäufe geht. Und in Deutschland kannst du auf diesem Feld einfach nicht gegen Modern Talking oder Westernhagen anstinken.

Vor einem Jahr meintet Ihr in einem ME-Interview noch, Ihr wärt schon froh, von Eurer Musik die Brötchen bezahlen zu können. Inzwischen müßte es ja auch für den Kaviar obendrauf langen?

Sandra: Ich mag keinen Kaviar!

Und woran spürt Ihr sonst Euren Erfolg?

Sandra: Daran, daß wir fast nie zu Hause sind. Insgeheim hoffe ich schon fast, daß sich die nächste Platte nicht mehr ganz so gut verkauft – dann hätten wir wieder mehr Zeit.

Dennis: Bist Du behämmert? Diese Meinung teile ich nicht!

Sandra: Natürlich hoffe ich, daß auch das nächste Album erfolgreich wird. Aber im Moment ist es schon verdammt viel, was wir alles an Promotion machen müssen – wir kommen ja kaum mehr zum Musizieren.

Kein Privatleben mehr?

Sandra: Jeder von uns ist in festen Händen. Und für den Partner muß ja auch noch Zeit übrig sein.

Das hört die „Bravo“ bestimmt nicht gern.

Sandra: Das müssen sie vertragen.

Dennis: Es war zunächst sicher ein tolles Gefühl, sich in der „Bravo“ zu sehen. Aber das, was dort geschrieben wurde, war dann doch nur selten der Wahrheit entsprechend. Darüber hatten wir lange Diskussionen mit der Redaktion. Als es nach dem dritten Interview noch immer nicht besser geworden ist, haben wir eine Zeitlang den Kontakt komplett abgebrochen. Inzwischen hat es sich normalisiert.

War es nicht ein bißchen blauäugig, von Teenie-Magazinen eine erwachsene Berichterstattung zu erwarten?

Sandra: Es kommt ganz darauf an, wie sie die Interviews überarbeiten. Wenn die Fakten stimmen, und wir damit leben können, wie sie es ausgeschmückt haben, dann ist mir das recht. Ich muß mich nicht über jede Zeile aufregen.

Habt Ihr denn überhaupt Fans in dieser Zielgruppe?

Sandra: Warum sollten wir Zehnjährigen verbieten, unsere Musik zu hören? Wir selbst haben in dem Alter begonnen, uns für Musik zu interessieren. Ich wäre damals echt dankbar gewesen, in der „Bravo“ mal einen Bericht über echte Bands zu finden.

Dennis: Es ist doch gut, wenn die Kids mal was anderes lesen als immer nur Boyzone-Blabla. Und man muß ganz klar sagen, daß wir ohne diese Käuferschicht wahrscheinlich niemals Platin-Status erreicht hätten.

Die Bezeichnung „Kultband der Snowboarder“ war eine „Bravo“-Wortschöpfung, die ihr nicht mehr los werdet.

Dennis: Damit haben wir heute noch zu kämpfen. Natürlich haben sich die anderen Zeitschriften dankbar auf diesen Stempel gestürzt.

Mal ganz ehrlich – könnt Ihr überhaupt Snowboard fahren?

Sandra: Wenn ich mal Zeit habe, boarde ich gerne. Notfalls auch im Harz. Aber wir sind keine Snowboarder-Band – wir sind Musiker!

Dennis: Ich boarde auch mal ganz gern, aber eigentlich bin ich Skifahrer.

Euer Snowboard-Hit „Lords Of The Boards“ war angeblich eine Auftragsarbeit?

Dennis: Stimmt. Im November 1997 kam unser Plattenfirmenboss an und fragte uns, ob wir nicht den offiziellen Song für die Snowboard-EM in Fieberbrunn schreiben wollen. Für uns war das eine interessante Herausforderung. Der Songtitel war vorgegeben und mußte im Refrain vorkommen. Alles andere war völlig offen. Dazu gab es noch ein kleines, dämliches Fax, in dem stand, daß der Song ein „Crossover-Brett mit Charts-Potential“ sein sollte.

Sandra: Wir hatten irgendwann drei Versionen fertig, die aber überhaupt nicht geklappt haben. Wir haben uns echt die Zähne ausgebissen, bis ich irgendwann mal nur noch „Lords Of The Boards“ vor mich hingeschrien habe.

Dennis: Tja – und letztendlich war es dann doch ein „Crossover-Brett mit Charts-Potential“.

„Crossover ist als Genre-Bezeichnung ein ziemlich abgehangenes Wort.

Sandra: Gott sei Dank ist dieser Begriff völlig out. So out, daß wir ganz beruhigt „Crossover“ spielen können. Genau das machen wir doch: Kreuz und quer, Balladen, härtere Sachen, freakige Bassläufe – das ist doch „Crossover“.

Und dieses Durcheinander führt dann dazu, daß Euer Produzent die Guano Apes im Studio so „nervig wie eine Klassenfahrt“ empfindet.

Sandra: Kindergarten eben, klar. Deshalb haben wir von unserem ersten Produzenten damals im Studio auch einen Einlauf gekriegt. Völlig zu Recht. Er hat uns ganz klar gesagt, was Sache ist. Wir waren ein wirrer Haufen und haben diesen Einlauf wirklich gebraucht. Seitdem wissen wir, wie man professionell arbeitet.

Eure neue Single, „Don’t You Turn Your Back On Me“, ist die erste Fremdkomposition, die ihr aufgenommen habt.

Dennis: Am Anfang hatte ich Zweifel, weil es kein Song von uns war. Aber es war eine spannende Sache, den Song so zu transformieren, daß er wirklich nach Guano Apes klingt.

Sandra: In solchen Fällen müssen alle einverstanden sein. Wir hätten den Song nicht gemacht, wenn einer von uns nicht damit leben könnte.

Können die Guano Apes mit MP3-Bootlegs auf Fanpages im Internet leben?

Dennis: Das ist doch eine kleine Gemeinde von Leuten, die sich solche Tracks gegenseitig zuschustern. Die kaufen auch das Album. Fans kaufen meistens trotz aller Bootlegs noch das Original. Ich denke, das wird erst ein Problem, wenn die Sache ausartet. Den Leuten muß klar sein, daß es keine Musikvielfalt mehr geben wird, wenn weder die Plattenfirmen noch die Künstler mehr von ihrer Musik leben können, weil alles überall umsonst zu haben ist.

Ihr selbst seid für Eure Fans immer und überall zu haben.

Sandra: Viele finden es gut, daß wir eine Band zum Anfassen sind. Andererseits habe ich das Gefühl, daß es viele Leute gibt, die das gar nicht wollen, die dich hoch oben auf der Bühne sehen wollen, die irgendetwas Mystisches brauchen.

Dennis, einer Dein Jobs ist weniger mystisch: Als ehemaliger Bankkaufmann verwartest Du auch die Bandkasse.

Dennis: Anfangs habe ich das gemacht, jetzt haben wir einen Buchhalter. Natürlich interessiert mich die kaufmännische Seite im Musikgeschäft. Ich habe mich auch inzwischen nebenher im Managementund Booking-Bereich selbständig gemacht und eine erste Band an den Start gebracht. Stefan (Ude, Boss; Red.) interessiert das Drumherum nicht. Wenn er nach Hause kommt, geht er in seine Tischlerwerkstatt. Henning (Rümenapp, Gitarre; Red.) dagegen könnte später mal im Produzentenbereich arbeiten.

Und was passiert in den nächsten Monaten? Kommt nun endlich das zweite Album?

Sandra: Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, noch in diesem Jahr das nächste Album herauszubringen. Wir wollen kein schnelles Album, sondern ein gutes. Wir werden also viel im Studio sein und ansonsten im Sommer ein paar Festivals in Europa spielen.