Haldern Pop Festival Rees


Das Indie-Herz schlägt im Dorf. Von dort will es zwar weg, aber immerhin weiß es auch: Zuhause ist’s am schönsten. Besonders wenn es Haldern heißt.

Bier- und Weinstände, Einweiser und Bändchenausgabe, alles organisiert die Dorfgemeinschaft in Haldern seit mittlerweile 27 Jahren selbst. Die Kinder werden liebevoll Pop-Blagen genannt und bessern sich über das Wochenende ihr Taschengeld mit Pfandsammeln auf. Es gibt eine mobile Traktordusche, die diejenigen direkt abspritzt, denen das Anstehen an den Duschen zu lange dauert oder der Weg zum Badesee zu weit ist. Auf dem Reiterhof nebenan gibt es Rührei, frischen Kaffee und belegte Brötchen. Man darf es denken, man darf es schreiben: Haldern ist das Indie-Paradies. Und das nicht nur wegen des familiären Dorffestcharakters, sondern selbstverständlich vor allem wegen seines einmaligen Line-ups, das von Rox, Triggerfinger, Beach House, Delphic, Yeasayer, Beirut, The National und Blood Red Shoes fast alles auflistet, was es in den nächsten Monaten zu entdecken gilt und was es in den vergangenen Monaten zu entdecken galt. Insgesamt spielen an diesem Wochenende 47 Bands.

Auch schon im vergangenen Jahr waren Mumford & Sons in dem gut 5000 Seelen zählenden Ort am Niederrhein zu Besuch. Damals waren sie allerdings noch nicht, wie in diesem Jahr, mit ihrem Debüt sigh no more seit über vier Monaten in den deutschen und seit fast zwölf Monaten in den britischen Albumcharts. Innerhalb eines Jahres sind aus den stillen, unauffälligen Londonern die Superstars der aktuellen Britfolkszene geworden. Die Vier müssen am Freitagabend folglich erst als große Nummer zum Schluss auf die Bühne. Sie haben ein Bläsertrio mitgebracht, das auch Songs wie „The Cave“ und „Winter Winds“ aus der Melancholie ins Tanzbare treibt. Das Publikum – zu weiten Teilen Väter mit geschulterten Söhnen und Töchtern – lässt sich wie gewohnt von der Band mitreißen. Wem sich zu dem Zeitpunkt gedanklich immer noch kein Dorffest aufdrängt, der war noch nie auf einem.

Am Samstag dann stellt die Schweizer Sängerin Sophie Hunger in der Zeltbühne ihr aktuelles Album 1983 vor. Der Andrang ist riesig. So riesig, dass das Konzert für die, denen das Zeltvolumen zum Verhängnis wurde, per Leinwand nach draußen, in einen, natürlich, urigen Biergarten übertragen wird. Hunger und ihre in Folk, Jazz, Chanson und IndieRock gleichermaßen versierte Band können das Entzücken in den Gesichtern ihrer Fans bis zum Finale bewahren.

Schlechter läuft es in der Samstagnacht für The National. Noch vor fünf Jahren gänzlich unbekannt sieht sich die schüchterne Band mittlerweile fast religiöser Verehrung ihrer sich rasend vermehrenden Fangemeinde ausgesetzt. Die nervösen Brooklyner verschlucken sich an dem dicken Batzen Erwartungen, müssen sich dazu während ihres etwa 90-minütigen Auftritts verlässlich immer wieder mit der unverlässlichen Tontechnik abquälen. Erst zum Ende hin hat das Schicksal ein Einsehen, in ihren letzten Songs gelingt es der Band, die Soundprobleme zu überwinden und ihre unbestrittenen Live-Qualitäten zu beweisen.

Das war es dann auch schon fast an großen Namen im Line-up dieses an großen Namen erfrischend uninteressierten Festivals. Bei Beirut zieht sich die Tanzfläche bis hinter den Tontechniker, die zauberhafte Singer/Songwriterin Wendy McNeill, mit der Anmutung einer dunkelhaarigen Doris Day, lässt akkordeonlastige Elfenklänge durch den Raum schweben und die Neo-Hippies Sleepy Sun lassen mit Grateful-Dead-artiger Psychedelia eine Wolke Woodstock über Haldern schweben.

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