Hier kocht Mutti


Peter Rüchel muß einiges schlucken. Der verantwortliche Redakteur des "Rockpalasts" ist voll in die Schußlinie geraten. Nach dem Ausscheiden von Moderator Alan Bangs und einem Trauerspiel auf der Loreley steht die Rockpalast-Konzeption mehr denn je im Kreuzfeuer der Kritik. Häme und Schadenfreude allerorten. Diese Chance ließ sich natürlich auch Dr. Gonzo nicht entgehen und gibt ordentlich Senf in Rücheis Süppchen.

Groß ist er ja. Zumindest was das Körperliche anbelangt. Doch nun möchte er wohl endlich überlebensgroß werden, der Peter Rüchel. Weiß der Teufel, was in ihn gefahren ist, wagte er sich doch unlängst aus dem so unglamourösen Schattendasein eines WDR-Redakteurs heraus und präsentierte sich der staunenden europäischen Öffentlichkeit in voller Leibesfülle als Moderator.

Nun ist er ja kein Dummer, der Moderator Peter Rüchel, und so beugte er dann auch kurz nach der Loreley-Marathon-Gitarren-Schlacht in einem SFB-Interview jedweder Kritik an seiner neuen Funktion gezielt und energisch vor. Schlau verwies er auf den abgedankten Albrecht Metzger, sprach von Rezensenten, „die Häme mit Kritik verwechseln“ und meinte nun, sämtlichen Schreiberlingen den Wind aus den geblähten Segeln genommen zu haben.

Da liegt er aber böse schief, der Herr Rüchel, denn nur noch der Papst darf beispielsweise sein Priestervolk mittels Enzyklika zum Zölibat verdammen, ein Kritiker aber darf – in meinen Augen – alles. Auch hämisch sein. Besonders dann, wenn es sich um den immer dumpferen, nichtssagenderen Rockpalast und sein grauhaariges Ober-Groupie handelt.

Doch kommen wir – zunächst mal ohne Häme – zum eigentlichen Geschehen hinter den Kulissen. Da wies also Herr Rüchel und das nicht nur in seinem Interview zunächst einmal jeden Gedanken an eine Rockpalast-Krise von sich und kam dann nach einigem Nachdenken zum Thema, wo denn nun Alan Bangs abgeblieben sei.

Nun beschwor Herr Rüchel wie weiland der große Manitou als erstes einmal den Team-Geist und verriet dann, daß Alan Bangs schon immer die Angewohnheit gehabt habe, Probleme, die er sähe, „erst kurz vor der Sendung einzubringen“. Und da sei ihm nun (Peter Rüchel) „endlich der Faden gerissen“.

Also moderierte er dann mit besagtem gerissenen Faden und einem köstlichen Heinrich-„equal goes it loose“-Lübke-Englisch seinen Rüchelpalast selbst und trieb nicht nur mir ob des Programms und des ihn begleitenden Dilettantismus‘ die Tränen in die femsehmüden Augen.

Der gute Alan, der mir schon vor einiger Zeit sein Leid über Rüchels Selbstherrlichkeit und seine krank- und lachhafte Springsteen-Fixierung geklagt hatte, aber wohl gefrustet der Knete wegen weitermachen mußte, hatte eine andere, glaubhaftere Version des Loreley-Debakels parat. Er sei am Mittwoch vor der Sendung am Ort des Geschehens erschienen und habe sich mit Rüchel, Regisseur Christian Wagner und Ruth Rockenschaub, seiner neuen Mitmoderatorin, die El Zampano nirgendwo mit keiner Silbe erwähnte, in der Bar getroffen.

Man sprach über den Programmablauf, einigte sich auf dieses und jenes, doch als dann die Rede auf den Springsteen-Clone Little Steven kam, da holte der vom Team-Geist beseelte (oder war’s vom badischen Wein???) Peter Rüchel plötzlich die Katze aus dem Sack.

Man dürfe, so befahl er, den kleinen Steven über alles ausfragen, nur die Gretchenfrage, warum er denn seinem Boß adieu gesagt habe, die dürfe man ihm keinesfalls stellen.

Und nun schalten wir, der Dramatik wegen, auf O-Ton Alan Bangs. Bangs: „Wir dürfen ihn also nicht nach seinem Ausstieg fragen? Ich meine, wir reden hier doch nur über Springsteen. Steht denn mittlerweile im Vertrag, was gefragt werden darf?“ Rüchel: „Leck mich doch am Arsch!“ Bangs: „Das laß ich mir nicht gefallen.“ Rüchel: „Dann hau doch ab und mach deinen Scheiß-Musikconvoy!“

Tja, so offen und so ehrlich ist er, der Peter Rüchel. Daß er mir vor etwa neun Jahren anläßlich eines Gesprächs mal glaubhaft verriet: „Von Musik habe ich keine Ahnung, da mußt du dich an den Christian wenden“, das ehrte ihn schon damals, denn auch heute – man schaue sich seine abgestandenen Programm-Zusammenstellungen an – werden seine Ganglien nicht gerade von Ahnung hinsichtlich moderner Musik getrübt. Doch daß aus ihm einmal so eine Art Nero des Unterhaltungsbereichs werden würde, das hätte ich nie zu befürchten gewagt.

Heute besteht das vielbemühte „Rockpalast-Team“ aus Peter Rüchel, Peter Rüchel und nochmals Peter Rüchel. Denn wie anders ist es zu erklären, daß er das Fernsehvolk unerbittlich mit seinen pathologischen Springsteen-Obsessionen nervt oder daß er Gruppen wie Little Steven und Stevie Ray Vaughan ohne Absprache mit Regisseur Wagner verpflichtet? Fragen über Fragen, die sich aber sicherlich bald von selbst beantworten werden. Auf der Loreley, einem Konzert-Gelände, das rund 20000 Besucher faßt, erschienen zum Rüchelpalast gerade noch 6500 Verirrte. Und was die Einschaltquoten anbelangt, so kann ich mir vorstellen, daß (mal abgesehen von den ewig breiten Skandinaviern, die alles, was eine Gitarre halten kann, für ’nen Musiker halten) nur wenige Lust und Laune verspürten, sich diesen breitgetretenen Quark anzusehen.

Vielleicht erledigt sich dieses unappetitliche Thema ja im Laufe der Zeit von selbst. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon den Moderator/Redakteur-Regisseur/etc.pp. Nero Rüchel auf der Bühne der Loreley stehend die Marshall Tucker Band, die Ozark Mountain Daredevils und Black Oak Arkansas – um lediglich nur diese zu nennen – ansagen. Vor ihm haben es sich Heinz-Herbert aus Wanne-Eickel und Anita aus Castrop-Rauxel bei mitgebrachtem Bier und selbstgeschmierten Stullen so richtig gemütlich gemacht und ziehen sich die todgeilen Klänge der Siebzigjährigen da oben rein.

Was sagt ihr? Satire? Hah, Herr Rüchel kommt euch beim nächsten Mal noch viel dicker, denn sein nächstes Palästli will er doch tatsächlich da droben am Nordkap inszenieren.

Alan Bangs aber, obwohl er dann bestimmt nicht dabei sein wird, sieht auch das mit jenem Optimismus, der ihn diverse Rockpaläste mit Bravour überstehen ließ: „Das sieht doch sicher gut aus“, meint er, „wenn Rüchel und Wagner aus einem U-Boot Regie führen und Bruce Springsteen auf einem hoffentlich schnell schmelzenden Eisberg seine Weisen für die am Ufer frierenden Pinguine zum Besten gibt.“