Hits mit Hupe


Sie schleppen Mandolinen und Akkordeons auf die Bühne und haben die Melodika gar zum Wahrzeichen der Band erkoren. Die "Hupen" aus Philadelphia haben mit amerikanischen Rock-Klischees wenig am Hut. Hits schreiben sie trotzdem. Teddy Hoersch sprach mit den Musikern aus Leidenschaft.

Es begann alles ganz planmäßig und gutbürgerlich. Rob Hyman studierte Biologie und Englisch an der Universität von Pennsylvania. „Aber das Studium lief nur so nebenher. Musik war für mich die Hauptsache. Wenn’s wissenschaftlich und mathematisch wurde, hakte es bei mir sowieso aus. Ich lernte immer nur kurz vor den Prüfungen und belegte ansonsten musikalische Kurse in Theorie, Songwriting und Produktion.“

Bei einer solchen Gelegenheit lernte Hyman seinen heutigen Hooters-Mitstreiter Eric Bazilian kennen.

„Die Uni bot einen Synthesizer-Kursus an. Das Ding war riesig, einer dieser Prototypen, die den ganzen Raum ausfüllen. Das Ganze war ein einziges Experiment.“

Experimentell ging’s auch bei Baby Grand zu, der damaligen Band von Rob Hyman. „Baby Grand war eine typische Musician’s band. Carmine Rojas, inzwischen Bassist in David Bowies Tourtruppe, und der Schlagzeuger David Prater, der eine Zeit lang bei Nektar trommelte, gehörten zu Baby Grand. Musikalisch war das ziemlich anspruchsvoll, aber kommerziell eine Katastrophe.“

Bei den Hooters — produziert von Kommilitone. Freund und Schlagzeuger Rick Chertoff — sollte das anders werden. „Als wir die Hooters gründeten, nahmen wir uns vor, besonderes Augenmerk auf die Songs zu richten. Denn das ist wichtiger als alle instrumentale Perfektion.“

Diese Ansicht sollte sich bald bestätigen: Das Mini-Album „Amore“ — 1984 auf einem Independent-Label veröffentlicht — verkaufte sich erstaunliche einhundertausendmal. Gleich in Millionenhöhe verkaufte sich dann das reguläre Hooters-Debüt Nervous Night.

Zuvor hatten die zwei KreativHooters noch bei der Geburt von Cyndi Laupers Millionending „She’s So Unusual“ mitgewirkt. Rick Chertoff fungierte nämlich als Lauper-Berater. Und wer genau hinschaut, entdeckt die Namen Hyman und Bazilian in den Rubriken: Musiker, Arrangeure, Co-Autoren. Man höre sich nur mal rein Hooters-technisch „Money Changes Everything“ an.

Doch Hyman warnt vor schnellen Schlußfolgerungen: „Ein sogenannter Übernachterfolg war uns nicht beschieden. Wir tourlen nach der LP-Veröffentlichung fast ein ganzes Jahr lang: einmal als Openerfür Don Henley und Loverboy, dann auch als Headliner mit The Outfteld als Vorgruppe.“

Die Bühne — so betont Hyman — ist das „eigentliche Zuhause“ der Hooters. „Die Songs, die Rick, Eric und ich im Studio erarbeiten, erhalten erst im Konzert ihre Kontour. Die Show ist so konzipiert, daß alle fünf Mitglieder ihren Part haben. Es ist ein reges Hin und Her, weil wir sehr oft auch die Instrumente wechseln. Eric und John spielen abwechselnd Gitarre, Mandoline oder — wie ich selbst — Melodika.“

Dieses seltsame Gerät, eine Art Miniaturpiano, gab dem Philadelphia-Quintett seinen Namen. „Hooter“, laut Wörterbuch „Hupe. Sirene…“, war nämlich die gruppeninterne Bezeichnung für den tatsächlich etwas quäkend-schrillen Melodika-Sound.

„Ich weiß nicht, woher es kommt“, gesteht Hyman, „aber wir haben einen Hang, ungewöhnliche Instrumente in unser Konzept einzubauen. Allerdings gibt es auch einen ganz simplen Grund für den Einsatz von Mandoline, Melodika oder Akkordeon: Wenn man, wie ich, seit Jahren Klavier spielt, schleicht sich schon einmal Routine ein. Man ertappt sich bei Wiederholungen. Hat man ein unbekanntes Instrument vor sich, dann ist das wie eine Entdeckungsreise. „

Die Melodika wurde zum Hooter-Markenzeichen. „Was ist das?“, radebrecht Hyman auf Deutsch, um mir das schiere Erstaunen des amerikanischen Publikums zu demonstrieren. „Es ist heutzutage ungeheuer schwierig, einen eigenen Sound zu entwickeln. Und noch schwieriger, gute Songs zu schreiben.“

Aber das können die Hooters. „All You Zombies“, „And We Danced“, „Johnny B.“ — drei Beispiele dafür, wie man in den Hitparaden notiert, ohne aus seinem musikalischen Herzen gleich eine Mördergrube zu machen. Denn wer ein Hooter ist, beherrscht den Slalom zwischen den Genres. Da ist Reggae, Folk und Pop. Da ist gute Tradition gekonnt variiert.

Hyman, der als Knabe eine Farfisa-Orgel geschenkt bekam und nach einer Uberdosis Beatles wußte, was er wollte, ließ sich von Jazzorgler Jimmy Smith beeinflußen, nennt Namen wie „early Stones, Winwood, Trafftc, The Band“ und hat eine Vorliebe für Reggae und Ska. „Damit hatten wir Anfang der 80er ungeheuren Erfolg in amerikanischen Clubs. So etwas hatten die noch nie gehört.“

Es war wohl auch diese klangliche und aus unterschiedlichen Quellen geschöpfte Eigenständigkeit, die den Hooters 1985 den vom Fachblatt „Rolling Stone“ verliehenen Titel „Best New American Band“ einbrachte. „Sicher fühlten wir uns geehrt“, sagt Hyman, „aber letztlich ist das Kritiker-Lob. Mir liegt viel mehr an dem Votum des Publikums. Wenn die Zuhörer aus unseren Konzerten kommen und überzeugt sind und beim nächsten Mal ihre Freunde mitbringen, dann wissen wir, daß wir ganze Arbeit geleistet haben.“

Bei dem Eifer, den sie auf der Bühne und beim Interview entwickeln, stellt sich diese Frage erst gar nicht. Für seine Hobbies (Schwimmen, Filme, Schreiben, Reisen) bleibt Rob keine Zeit. Aber er läßt es sich nicht nehmen, mir die Phrasierung eines Reggae-Posaunisten auf der Melodika vorzuführen. Und während der eine Hooter in seine Hooter trätet, zeigt der andere einem Kollegen die Möglichm keiten einer Dobro-Mandoline.