Ina Deter


Von den einen als „Klampfen-Else“ abgestempelt, von den anderen als engagierte und kompetente Rock-Sängerin neu entdeckt – an Ina Deter, dem 35jähngen Fräulein-Wunder, scheiden sich die Geister. Anlaß dazu gibt die große Verwandlung der kleinen Lady (1S3 cm) selbst. Noch 1976 nahm sie, von Streichern umsäuselt, mit dem Titel „Wenn Du so bist wie dem Lachen“ am „Grand Prix d’Eurovision“ teil, tingelte als „Joan Baez für Arme“ mit der Akustikgitarre durch Studenten-Pinten und verdingte sich als „Emanzen-Liese“ mit Abtreibungs-Songs im wogenden Geschlechterkrieg.

Anno 1983 ist die Metamorphose perfekt: Statt der Wandergitarre baumelt eine rote Telecaster vor dem emanzipierten Bauch, statt der WG-Latzhose und vergammelter Pullis tragt sie Leder-Minis, schwärze Nylons und gesträhntes Punk haar; statt der Körnerpicker-Kneipen bespielt sie Rock-Clubs.

Die gebürtige Berlinerin, von Haus aus Grafikerin und seit Jahren wohnhaft in Köln, fühlt sich „weder verloren noch gerettet“ nach dieser Häutungs-Aktion, aber sie besitzt ein gerüttelt Maß von dem, was den meisten ihrer Kolleginnen abgeht. Selbstbewußtsein.

Ihr Lied-Slogan „Neue Männer braucht das Land“ – mittlerweile stehende Redewendung in der Republik – deutet an, wie ihre aggressive Selbsterkundung funktioniert: nämlich durch griffige Provokation einerseits – und ironische Zwischentöne andererseits. Mal teilt sie Nackenschläge aus an Macker, Chauvir Softies, mal mimt sie die militär Emanze. mal politisiert sie (“ Wenn schon ein Cowboy Präsident wird“), agitiert („Macht kaputt, was ihr nicht wollt“) oder bewältigt deutsche Vergangenheit („40Jahre danach“).

Dennoch – und das macht sie sympathisch – kann sie auch anders und scheut nicht davor zurück, seelisch zu strippen, nach Zärtlichkeit zu schreien, nach Hilfe zu rufen.

Wenn sie hie und da vor lauter Betroffenheit und wütendem Engagement über ihr Ziel hinausschießt und kleinlich erscheint, wie die Feindbilder, die sie attackiert, so scheint das ein Vorrecht ihrer Mission.

Die streitbare Ina, die laut handgeschriebenem Lebenslauf „mit 14 Peter Kraus gegen Elvis verteidigte, mit 18 wie Joan Baez singen und wie Dutschke reden wollte und mit 35 sicher ist, daß sie weht mehr Lokomotivfiihrenn werden will“, hat bei all dem keinen Grund, den Erfolg ihrer klingenden Anmache zu bezweifeln. NEUE MANNER und die neu aufgelegte ALLER ANFANG SIND WIR sind alles andere als Ladenhüter. Ein fleißiges Tournee-Programm und eine routinierte Band – Micky Meuser (b), Robby Vandenhoff (d), Manni Herten (g), Manfred Lechner (key) – machen die kleine Frau zu einer erwachsenen Nena-Atternative. Seltsam allein dünkt den Reporter, daß die grüne Frauenrechtlerin nur Männer in der Band hat…