Instrumentenkunde : Das Theremin


Die Technik: Es klingt so markerschütternd wie eine singende Sage und ist wohl das einzige Musikinstrument, das man nicht einmal berühren muss, um damit Klänge zu erzeugen: das Theremin. in Deutschland auch Ätherophon oder Ätherwellengeige genannt. Wahrscheinlich von den gleichen Leuten, die zu einem Dackel „Teckel“ sagen und zum Motorrad „Kraftrad“. Das Design des Theremins ist erstaunlich schlicht: ein Kasten auf (meist) vier Beinen, aus dem zwei Antennen herausragen; im Inneren arbeiten ein Tongenerator und zwei Schwingkreise. Nähert man seine Hand der einen Antenne, wird die Tonhöhe stufenlos verändert, wobei der gesamte Tonumfang bis zu neun Oktaven umfasst. Die andere Antenne ist für die Lautstärke zuständig. Die Antennen werden nicht berührt, was Thereminspieler bei der Arbeit – gerade die betont emphatischen aus der Welt der Klassik – mitunter wie Pantomimen aussehen lässt, die sich hochkonzentriertan einer Art Ausdruckstanz versuchen. Einem Theremin Sinnvolles zu entlocken, ist übrigens relativ schwer: Kleinste Abweichungen in der Handhaltung sorgen bereits für einen anderen-möglicherweise bösartig falschen – Ton. Präzision ist also gefragt.

Die Geschichte: Dass Theremine in den 50er- und 6oer-Jahren so gerne für Science-Fiction- und Horrorfilm-Soundtracks verwendet wurden, passt ganz wunderbar: Das Ding kann mitunter recht gruselig und gar außerirdisch klingen. Weshalb ihm auch bis heute der Ruch des Instruments für verrückte Wissenschaftler anhaftet. Sein Erfindender 1896 geborene und 1993 verstorbene Russe Lev Sergejewitsch Termen, war mitnichten verrückt, sondern lediglich Professor der Physik. 1919 erdacht, wurde das Theremin ein Jahr später als erstes gebrauchstüchtiges Elektronik-Instrument am Physikalisch-Technischen Institut der Universität St. Petersburg vorgestellt. In den 20erjahren präsentierte Termen seine Erfindung der staunenden Weltöffentlichkeit, seine Reisenführten ihn bis nach Deutschland und in die USA, wo das Theremin 1928 zum Patent angemeldet wurde. Weiterentwicklungen umfassten das Terpsitron, das dank verlängerten Antennen auch durch – huch! – Tanzen (mit oder ohne Ausdruck) gespielt werden konnte, sowie das Tannerin, das ganz ohne Antennen auskommt und mittels Metallstift gespielt wird, der auf einem Kontaktband hin und her geschoben wird. Letzteres ist das Instrument, das man auf „Good Vibrations“ von den Beach Boys hören kann. Synthesizer-Erfinder Robert A. Moog nahm sich des Theremins an und entwickelte Bausätze sowie komplette Instrumente, die man noch heute kaufen kann.

Die Anwender: In der zeitgenössischen Klassik fand das Theremin durchaus Anklang doch populär wurde sein charakteristischer Klang erst durch die Hollywood-Soundtracks von Dr. Samuel Hoffmann: In den 50er-Jahren konnten kaum je Außerirdische im Kino landen oder mutierte Riesenspinnen für Ungemach sorgen, ohne dass dazu ein Theremin bedrohlich wimmerte. In die Popmusik hielt es erst gegen Ende der6oer-Jahre Einzug und kommtdort bis heute -wenn auch selten-zum Einsatz. Zu den aktuelleren Thereministen gehören Radiohead („The National Anthem“), Badly Drawn Boy („Cause A Rockslide“), Belle&Sebastian („Sleep The Clock Around“), Nine Inch Nails, Garbage, Sebastien Tellier, Ben Folds Five, Air, Portishead und Aimee Mann. Als Virtuosin an den zwei Antennen gilt Lydia Kavina: Die Großnichte Lev Termens lehrt zudem in Moskau die Kunst des Thereminspielens.

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