INXS


Für die durch ihre Millionenumsätze in den USA verwöhnten Australier muß es eine riesige Enttäuschung gewesen sein. Zum Auftakt ihrer kurzen, nur drei Tage währenden Deutschlandtournee fanden sich in Frankfurt gerade mal 3000 Besucher in der Festhalle ein. Doch die Leere, die der Band aus dem Saal entgegengähnte, hielt InXs nicht davon ab, eine absolut geile Revue mit 25 heißen Nummern abzuliefern. Das kam relativ überraschend, nachdem das aktuelle Album X — von der Single „Suicide Blonde“ abgesehen — eine einzige lasche und laue Angelegenheit ist. Doch in Frankfurt bewies das Power-Sixpack von down under, daß ihr wirkliches Medium die Bühne ist. Daß InXs nach dem zu schnellen Wechsel aus den kleinen Hallen in die Großkampfarenen nichts an Ausstrahlung verloren hat, spricht für den lebendigen Geist der australischen Clubszene, den die Band nach wie vor innerhalb ihrer Reihen hochhält.

Nach mehr als zehn Jahren im Ring präsentieren sich diese Musiker immer noch heiß und hungrig; sie pfeifen auf eine auf Hochglanz polierte Spielkultur und lassen stattdessen lieber hemmungslos die Sau raus. Die Rhythmusabteilung marschiert im Präzisionsschritt und pumpt die knappen Drei-Minuten-Nummem gnadenlos voran. Und trotzdem groovt das Unternehmen mitunter so höllisch, wie es sonst nur schwarze Bands tun. Die drei Gitarristen (Andrew Farriss spielt außerdem dezente Keyboards und widmet sich der Mundharmonika, Kirk Pengilly bläst auch ein schneidend scharfes Saxophon) betreiben eine geniale Arbeitsteilung zwischen markanten, dreckigen Bluesriffs und diesen typischen SoulAkkorden in hohen Lagen. Zusammen ergibt das eine Musik, die hart an der Basis des R&B bleibt, sich aber durch den Drang zu funkigen Rhythmen emanzipiert.

Mit Michael Hutchence verfugt InXs auch über den richtigen Sänger — eine alerte Rock ’n‘ Roll-Bühnenpersönlichkeit, wie es nur selten eine mit vergleichbarer Ausstrahlung gibt. Der Lokkenkopf hat seine Lektionen vom Vorbild Mick Jagger schon vor Jahren bestens gelernt. Aber anders als der Ober-Stone, der manchmal nur noch affig oder wie eine Selbstparodie auf der Bühne herumhampelt, wirkt die narzißtische Erotik von Michael Hutchence noch immer pur und unverfälscht. Seine Bewegungen sind locker und wirken mitunter geschmeidig wie die einer Raubkatze. Und auch mit seiner Stimme strahlt er Sex aus, ohne je peinlich zu wirken. Wenn er „Need You Tonight“ singt, hat er den Tonfall des Verführers drauf und wechselt in angenehm tiefe Gesangslagen. Und wenn ihn der „Devil Inside“ zwickt, schreit er seine Lust unverhohlen und spitz heraus. Kein Zweifel: Den Jungs von InXs geht es nach wie vor um Rock ’n‘ Roll. Und der hat in dieser rohen Form nichts mit Politik, sondern mit den schönen Dingen des Lebens zu tun — frei nach dem Motto: Kann denn Liebe Sünde sein?

Im Vorprogramm überzeugte überdies die ebenso rockige wie funky Gruppe Absent Friend, das Ziehkind von InXs-Bassist Garry Beers. Neben Sean Kelly (Gesang und Gitarre) stand da vor allem die dunkelhaarige Schönheit Wendy Matthews mit ihrer Power-Stimme im Mittelpunkt.