Jagwar Ma


Noel Gallagher komme einfach nicht dazu, Oasis wiederzuvereinigen, weil er, immer wenn er sich mit anderen ehemaligen Mitgliedern der Britpop-Kolosse treffe, nur über Jagwar Ma reden würde, hieß es im April. Da war das australische Duo aus Jono Ma und Gabriel Winterfield noch ein Blog-Thema. Dessen Debüt HOWLIN erschien erst Anfang Juni. Und wenn selbst Gallagher, der Internet und Computer scheut wie der Teufel das Weihwasser, Notiz von dieser Band nimmt, dann muss der Hype um sie schon unwahrscheinliche Dimensionen angenommen haben. „Soll ich das etwa ernst nehmen?“, fragt Winterfield mit ungläubigem Lachen. „Noel ist einer meiner absoluten Jugendhelden! Dass der jetzt meine Musik kennen soll, lässt mich fast etwas verrückt werden.“

Tatsächlich könnte Gallagher in der Musik von Jagwar Ma alles finden, was ihm jemals etwas bedeutet hat: die baggy Ravebeats aus der Haçienda in Manchester, die großen Refrains der Kinks und der Beatles und die säurebeträufelte Versponnenheit der frühen Pink Floyd. Doch die Einflüsse auf die Band gehen noch weit darüber hinaus: J Dilla zählen Jagwar Ma ebenso zu ihren Idolen wie Conny Plank, Aphex Twin und Bo Diddley. Eine sehr besondere Mischung, die ein sehr besonderes Ergebnis zur Folge hat, dessen Vielschichtigkeit von einer allgegenwärtigen Positivität geeint wird. HOWLIN könnte allerorts zum Soundtrack des diesjährigen Konzertsommers werden: Ob auf bierseligen Campingplätzen bei Rock-Spektakeln wie dem Hurricane oder in bunt bemalten Hippiebussen auf dem Gelände des dauerknallenden Fusion-Festivals – die Lebensfreude, die Jagwar Ma ausstrahlen, ist überall anschlussfähig.

Die Geschichte der Band beginnt vor zwei Jahren in Sydney, wo Ma bei den Dance-Punks Lost Valentinos, die der „NME“ lobend als Mischung aus My Bloody Valentine und Wham! bezeichnete, Gitarre spielte und Winterfield bei den Post-Rockern von Ghostwood sang. Deren Schlagzeuger James West tourte ab und an mit Lost Valentinos und stellte so den Kontakt her. „Wir hingen dann viel miteinander ab, freundeten uns an. Auf die Idee, gemeinsam Musik zu machen, kamen wir erst später“, sagt Winterfield.

Ihr erstes Album nahmen sie auf einem verlassenen Anwesen in der Abgeschiedenheit der nordfranzösischen Provinz auf – unter Zuhilfenahme des assoziierten Mitglieds Jack Freeman. Ma über den Arbeitsprozess: „Gab singt und spielt Gitarre, ich programmiere die Beats, spiele Synthesizer, Jack spielt Bass und rüttelt an allem, was er zwischen die Finger bekommt.“ Ein Song beginne meistens mit einem Beat oder einem Loop von Ma, “ Gab improvisiert etwas darüber, dann zerhacke ich alles und Gab legt noch ein paar Spuren drüber. So ähnlich entstehen wohl auch HipHop-Tracks. Wir sind sehr von Collage-Künstlern wie A Tribe Called Quest und den Avalanches inspiriert.“

Und als ob das alles noch nicht genug Namedropping wäre, ist es der größte Wunsch der Band, Little Richard für einen Gastauftritt auf einer ihrer nächsten Platten zu gewinnen. Träumen muss schließlich erlaubt sein. Dafür stehen Jagwar Ma mit ihrer traumhaften Musik.

Albumkritik S. 79

Zum Bandnamen: Jono Ma, zu dessen Gitarrensammlung eine Fender Jaguar gehört, produzierte lange unter dem Namen Jaguar Ma Remixe. Einen, den er für die australische Band Bumblebeez anfertigte, wies deren Labelbetreiber unter dem Namen Jagwar Ma aus. Ma gefiel die Schreibweise so gut, dass er den Namen für seine neue Band verwendete.

Der größte Schatz in Mas Plattenregal ist eine 7-Inch-Single mit einer Demo von Michael Jacksons „Don’t Stop Till You Get Enough“:“Total roh, ohne die Streicher, aber so voller Soul, dass es dir den Atem verschlägt“, sagt er.

Klingt wie: MGMT, Happy Mondays, Primal Scream