Jan Böhmermann im Interview: „Die Gesellschaft braucht das: Reinigung durch Witz“


Nach #BandAid30 und #JeSuisCharlie, vor #Varoufake, Pol1z1stens0hn und #ParisAttacks: Im Winter 2015 trafen wir Jan Böhmermann zum Interview und sprachen mit ihm über sein Selbstverständnis und seine Ziele mit dem „Neo Magazin Royale“ – und erhielten Antworten, die auch im Rückblick aufs Jahr lesenswert sind.

Eine eigene Band ist eindeutiges Zeichen dafür, dass es sich jetzt offiziell um eine Late-Night-Show handelt.
Genau.

Und dass man es geschafft hat.
Nee, das ist nur die Behauptung. Aber wir gestehen uns inzwischen tatsächlich ein, dass das „Neo Magazin Royale“ eine Late-Night-Show ist – eine Sendung, die sich, wenn sie nicht das Zeitgeschehen beleuchtet, um den Moderator dreht. Wenn ich keinen Bock habe, mich über den IS lustig zu machen oder über die Pegida-Aktivisten, kann ich auch darüber reden, dass ich mir einen Familien-Van kaufen möchte, um meine verschiedenen Kinder von A nach B zu fahren. Die einzige Formatbeschreibung, die darauf zutrifft, ist Late-Night-Show – und zwar die klassische wie bei Johnny Carson, Harald Schmidt, Letterman, Jimmy Kimmel, Jimmy Fallon …

Haben diese Vorbilder für dich schon immer eine Rolle gespielt?
Immer, immer, immer! Harald Schmidt war natürlich die Offenbarung, er hat gezeigt, dass es möglich ist, so etwas auch in Deutschland zu machen. Auch wenn die Neunmalklugen gemeckert haben: „Er imitiert Letterman bis in die letzte Geste!“ Das stimmte zwar, war aber egal, weil damals nicht gleich jeder im Internet nachgucken konnte. Aber eigentlich ist das in Fernsehzusammenhängen sowieso vernachlässigbar, so lange du in den Inhalten originär bist. Weil: Formate wiederholen sich ja immer. Schmidt hat man den Letterman vorgeworfen. Du kannst aber auch Letterman den Carson vorwerfen und Kerkeling den Carrell und Carrell den Kulenkampff. Im Fernsehen liefert man keine Werke ab. Das ist kein Album, das die nächsten 30 Jahre für sich stehen muss. Du bringst jede Woche ein neues Programm, oder sogar täglich. Und dass du dich dabei Gefäßen bedienst, die es schon gibt, die für deine Zwecke abwandelst und mit deinen Inhalten füllst, gehört zum Fernsehen dazu.

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Zum Beispiel landet fast jeder Late-Night-Talker irgendwann bei seiner eigenen lustigen Ranking-Liste …
Wobei unser Ehrgeiz schon bleibt, originäre Ideen zu finden. Und wir haben ja auch eigene – zum Beispiel „Prism is a Dancer“: eine neue Form von „Lass dich überraschen“ mit dem Internet-Aspekt unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Leute sich heute gerne selbst darstellen. Das ist unsere eigene Idee.

Gibt es eine vom Sender und von euch formulierte Zielsetzung für „Neo Magazin Royale“?
Was wir erreichen sollen, erreichen wir schon. Die Quote ist für uns tatsächlich zweitrangig. Unsere Sendung genießt eine sehr hohe Aufmerksamkeit, wobei das auch schneller vorbei sein kann, als man denkt. Da bin ich realistisch. Wir gehen sowohl ästhetisch als auch inhaltlich ungewöhnlich vor, mit ungewöhnlichem Mut und manchmal auch mit Radikalität an Themen ran. Aber da es Fernsehen ist, können wir uns auch immer weiter verbessern. Und vielleicht haben wir eines Tages die Chance, uns mehrmals in der Woche zu verbessern.

Eine tägliche Show – das bleibt dein großer Traum, oder?
Ja! Ich möchte eines Tages jeden Tag nach Lanz laufen. Der nächste Schritt ist dann: statt Lanz laufen – und schließlich ab 20.15 Uhr bis 1 Uhr jeden Tag den Abend im ZDF bestreiten. Nein, natürlich ist so eine Sendung nicht dafür gemacht, nur einmal die Woche zu laufen. Wir sind ja eben nicht auf den politischen Betrieb angewiesen, bei uns kann alles Thema sein – und wenn es der Hautausschlag des Moderators ist oder die gescheiterte Beziehung des Sprechers William Cohn. Man kann da was sehr Intimes schaffen, was es so im Fernsehen eigentlich nicht gibt.

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