Jan Joswig kontrolliert: Courtney Barnett – Das Gesicht der Generation Y


In Kleidungsfragen orientiert sich die Australierin Courtney Barnett an ihren Nachbarn. Eine Stilkolumne von Jan Joswig.

Neuseeland hat eine große Musiker-Tradition darin, schlicht nach nichts auszusehen. Der Kiwi-Rock der 80er um das Label Flying Nun brachte eine Vielzahl an knuddeligen Lo-Fi-Bands hervor, die so wirkten, als würden sie die Klamotten ihrer großen Geschwister auftragen. The Clean oder The Chills kultivierten keinen offensiven Anti-Stil, sie warfen sich in einen Nicht-Stil, der vor allem eines ausstrahlte: nette Normalität. Dem „Bigger than Life“-Diktat des Pop mit Ausrufezeichen begegneten sie mit der Gleichgültigkeit selbstbewusster Mauerblümchen. So wurden sie zu ungekrönten Vorläufern des Normcore-Indie.

Die Indie-Welt schlug mit dem Weird Folk der 2000er andere Wege ein. Musiker wie Joanna Newsom oder Devendra Banhart schufen aus Bänkelsänger und Hippie einen Romantik-Look, der sich am Stil der Canterbury-Folkszene der 60er orientierte und den in den 80ern Dexys Midnight Runners mit ihrem Latzhosen-Konzept zur „Come On Eileen“-Phase in den MTV-Pop eingeschmuggelt hatten. Anstatt den inszenierten Landeier-Stil fortzusetzen, schlug Indie in den letzten Jahren die Brücke zurück zum natürlichen Look. Im R’n’B stechen sich die Musikerinnen gegenseitig mit post-post-feministischen Kunstfiguren aus, die Erotik, Sci-Fi-Comic und Selbstbestimmung kombinieren.

Barnett hingegen macht mit ungebügeltem Lächeln auf singende Nachbarin. Nette Normalität hat vor allem ein Musiker zum durchschlagenden Erfolg gebracht: Dan Snaith alias Caribou. Wenn die alten Haudegen klagen, die Generation Y hätte keinen Biss, keine Ellbogen, keinen Drang, sich etwas zu erkämpfen, dann gibt ihnen der Erfolg von Courtney Barnett und Dan Snaith recht: Ihr Normalo-Stil dekoriert eine Haltung, die weder sich selbst noch jemand anderen herausfordern will. No offence, pal! „Leave your shoes at the door“, singt Courtney Barnett in „Anonymous Club“. Solch eine hausmütterliche Bitte wurde mir das letzte Mal angetragen, als ich im Altenheim Zivildienst leistete.