Jan Joswig kontrolliert: Laibach in der Stilkritik


Vom Brandstifter zum Biedermann: Anarcho-Spaß war gestern. Was jetzt von Laibach kommt, ist durchaus Anzug-tauglich. Willkommen in der Mitte.


Altersmilde und Altersstarrsinn liegen dicht beieinander. Das Publikum beim Laibach-Konzert in der Berliner Volksbühne bewies heroische Renitenz: das schütter gewordene Haar frisch im Nacken ausrasiert, die Death-In-June-, Krupps- und Godflesh-T-Shirts über den Birnenkörper gespannt und grimmig-intellektuell geguckt – wie es der geschichtsbewussten Industrial-Noblesse ansteht.

Nur die fünf aktuellen Laibach-Impersonatoren auf der Bühne wollten nicht mitziehen. Laibachs ursprüngliche Renitenz, der zersetzende Anarcho-Spaß, der mit Fascho-Bluff und martialischen Bombast-Schlagern Freund und Feind gleichermaßen bombardierte, hat sich abgemildert zum zivilen Ausgeh-Schwarz eines durchschnittlichen Vernissagen-Publikums in Anzug und Kostüm (mit dem Stretchbandana des Sängers als nostalgischem Relikt). Die schwarzen Hemden werden nicht einmal bis obenhin zugeknöpft. Laibach sind liberal geworden.

Dabei hatte es radikal unversöhnlich mit semantischen Fallgruben begonnen. Anfang der 80er-Jahre galt es in der norddeutschen NDW-Szene als unschlagbarer Spaß, sich mit einem bayerischen Janker als Internatsschüler auszugeben. Palais-Schaumburg-Cover bezeugen es. Burschenschaftler hören Dada-Quatsch. Ab Mitte der 80er-Jahre versuchten englische Polit-Popper, mit dem Agit-Prop der 20er- Jahre die Charts zu politisieren. Zackige Symbole und die Massenmobilisierungsästhetik der russischen Revolution schmierten dezidiert linke Parolen. Dieser aktionistische Sample-Bombast reichte von Age Of Chance bis hin zu den Guerilla-Ravern von KLF. Laibach verrührten damals diese beiden Ästhetiken zu einer Suppe, bei der keiner auf den Grund des Topfes durchblickte. Sie trugen Janker zu monumentaler Aufmarsch-Musik, zogen als Luis-Trenker-Army durch Anselm Kiefers bleischwere Heldenhallen. So kitzelten sie das Kryptofaschistische aus der Alltagskultur heraus – nur wusste man nicht: als Freunde oder Feinde des Faschistischen? Man konnte sich über die 360-Grad-Provokation amüsieren, mitmarschieren konnte man nicht.

Laibach 2014 sind keine totalitären Gaukler und Brandstifter mehr, die dem faschistischen Affen Zucker geben und ihm gleichzeitig den Schwanz anzünden. Sie sind in ihren Vernissagen-Anzügen nur noch schwelgerische Pathos-Waver, zu deren Liedern die ersten Woodkid-Fans mitmarschieren.

Diese Kolumne ist in der Juni-Ausgabe 2014 des Musikexpress erschienen.