Jean Luc Ponty


Immer mehr europäische Musiker zieht es ins "Gelobte Land" Amerika. Besonders auf dem Jazz-Sektor tut sich da einiges. Jean Luc Ponty war einer der ersten vom alten Kontinent, der sich erst mal drüben umschaute, um dann später ganz überzusiedeln. Seit nunmehr fünf Jahren lebt der französische Geiger im kalifornischen Los Angeles, und von Heimweh kann bei ihm keine Rede sein.

Die Frage, ob es ihm in Los Angeles gefällt, eribrigt sich. Denn in einer Gegend, die für Kreativität prädestiniert ist, muß man sich als intellektueller Musiker wohlfühlen. Und Ponty ist einer von diesen gescheiten Eckpfeilern des europäischen Jazz. Doch was gilt der Prophet im eigenen Land? Mit diesem geflügelten Wortspiel im Hinterkopf kam er Anfang 1973 nach New York, um sich auf der dortigen Jazz-Szene umzuschauen. Doch nicht der Jazz war es, der ihn dort hielt, sondern Frank Zappa, der Ponty zu einer seiner „Mütter der Eingebung“ machte. Mit den Mothers nahm Jean Luc Ponty eine LP auf, während er sich parallel um seine eigene Karriere kümmerte. Doch daraus wurde nichts, da John McLaughlin sein Mahavishnu Orchester reformierte und Ponty als Geiger engagierte.

Ponty: „McLaughlin wollte mich eigentlich schon immer für sein Jazz-Rock-Vorhaben gewinnen. Doch 1971, als er sein Orchestra formierte, hatte ich in Europa noch zahlreiche Verpflichtungen. Daher wurde der Ex-Flock-Frontmann Jerry Goodman Geiger in seiner Band…“ Noch während Ponty bei McLaughlin spielte (Album: “ Visions Of Emerald Beyond“), nahm er mit einer Reihe illustrer Musiker sein erstes Soloalbum auf. Nach einer kurzen Europa-Tournee mit dem Mahavishnu Orchestra verließ er McLaughlin endgültig, um seine eigene Band zusammenzustellen. Im August 1975 lief dann schließlich der Countdown an für eine der spektakulärsten Karrieren, die ein europäischer Jazzmusiker je in den Vereinigten Staaten machte. Pontys Platten wurden zu Bestsellern (keine unter 200.000), seine Konzerte waren grundsätzlich ausverkauft. Die Nachfrage war und ist immer noch so groß, daß er und seine Band mittlerweile vier große Tourneen im Jahr machen müssen, um den Markt abzudecken.

Die letzte Tour dauerte drei Monate.

Was muß ein arrivierter europäischer Musiker über seine Heimat denken, wenn er in einer völlig anderen Welt plötzlich solche Erfolge hat? Ponty: „Jazz- oder Jazz-Rock-Musiker stoßen in Europa häufig auf Schwierigkeiten. Jazz oder Rock, wie wir ihn damals spielten, wollte in Europa kaum jemand hören, besonders die Herren in den Direktionsetagen der Plattenfirmen nicht. Die wollten nur Hits sehen und investierten dementsprechend. Doch hier in den USA wurde Jazz in Verbindung mit Rock zu einer musikalischen Ausdrucksform, die immer mehr Anhänger fand. Musiker wie Cobham, Zawinul oder Hancock hatten plötzlich ihre erste Million auf dem Konto. Die Plattenfirmen investierten immer mehr, weil sie daran glaubten. Insofern hatte ich schon bei meinem ersten Besuch 1969 keine Schwierigkeiten, musikalisch Fuß zu fassen. Doch da in den USA alles organisiert ist, hatte ich damals Probleme mit der Musiker-Union. Sonst wäre ich ’69 schon dort geblieben. Erst mein Plattenvertrag mit Atlantic räumte diese Probleme aus dem Weg…“

Inzwischen gehört Jean Luc Ponty auch zu den Großverdienern auf der amerikanischen Jazz-Rock-Szene, obwohl er sich heute von dem Etikett Jazz stark distanziert. Seine Musik ist für ihn eher rocklastig, womit er sich auch seinen Erfolg erklärt. Obwohl er schon seit über fünf Jahren in den USA lebt, ist er immer noch euphorisch. Er sieht sich selbst auf einer Stufe mit den obenerwähnten Jazz-Rock-Helden. Er glaubt, daß ihn Amerika zum Superstar gemacht hat. Ideen, die er schon lange mit sich herumtrug, noch bevor diese Art von Musik überhaupt spruchreif war, konnte er hier realisieren. Ponty lebt seinen amerikanischen Traum aus. Auf den Hinweis, daß sein ehemaliger Mitstreiter Joachim Kühn jetzt auch in Los Angeles wohnt, winkt er nur müde ab.“Interessiert mich nicht!“

Mit Europa ist er fertig. Ponty: „Es ist ziemlich deprimierend, daß man als europäischer Musiker nach Amerika kommen muß, um überhaupt auf Gehör zu stoßen. Hier gibt es auch für unkommerzielle Musik einen Markt und die dazugehörige Organisation. Ich habe hier meine Manager und Agenten, die sich um alles kümmern. Warum sollte ich Heimweh haben? Erst hier konnte ich meine europäische Tradition mit der jungen amerikanischen Kultur verbinden. Durch meine Verbindungen mit den Musikern habe ich viele neue Wege gefunden, die ich konsequent zu realisieren versuche. Hier sind auch die Zuhörer nicht so puristisch. Wenn in Europa ein Jazzkonzert angesagt ist, kommen nur Jazz-Anhänger, bei Rock-Konzerten nur die Rockfreaks. Hier wird jedes Konzert zu einem Happening, wo sich die verschiedensten Musik-Anhänger treffen, die nicht erst Stellenwerte herausfinden müssen, sondern spontan reagieren. Der freie Lauf von stilistischen Ideen und Emotionen wird hier von vornherein akzeptiert…“