Joe Zawinul: In A Wiener Way


In diesem Sommer wurde Joe Zawinul funky Seventy - kein Grund für den von Jazzern wie HipHoppern gleichermaßen Verehrten, zurückzuschalten.

Ich bin a Gegenwartsmensch“, sagt Joe Zawinul. Und in der Tat – seine Inspirationsquellen liegen noch immer ganz in der Gegenwart: „Meine Frau Maxine und ich haben daheim in Malibu jedes Spiel der Fußball-WM gesehen, sind dafür immer um 1.30 Uhr und 4:30 Uhr kalifornischer Ortszeit aufgestanden. So fanatisch – wir ha’m gewissermaßen ‚Good Day‘ zum Fußball g’sagt, erklärt der Tastenvirtuose den Titel eines Stücks auf seinem aktuellen Album „Faces & Places“, dessen Titel wiederum eine Art Reverenz an die vielfältigen Schauplätze und Weggefährten seines bewegten Musikerlebens ist. Der einstige Wegbegleiter von Giganten wie Miles Davis oder den Adderley Brothers und Komponist von Klassikern wie „Mercy, Mercy, Mercy“, „In A Silent Way“ oder „At Birdland“ betont aber, dass der Hörer die Bezüge dabei nicht zu wörtlich nehmen sollte. Stücke wie „Cafe Andalusia“ sollen „nicht klingen wie Musik aus Andalusien, sondern wiedergeben, wie ich die Orte g’spürt hab, durch meine Mentalität und mein Herz, in meiner Wiener Weise.“ Ebenso wollte er in „The Spirit Of Julian ‚C‘ Adderley“ eben nicht dessen Sound nachahmen, sondern seinen Geist einfangen: „Der Cannonball war ein enorm komplexer Musiker, aber er kam von der Kirche. Dieser Rap da in the beginning – des is der Jesse Jackson, seine Einleitungsansprache auf meiner Platte,Country Preacher'“, sagt der 70-Jährige in seinem ganz persönlichen Zawinul-Rap, einem Kauderwelsch, das unvermittelt vom Englischen ins Wienerische und wieder zurück umschlagen kann. „Ich denke jeden Tag an Cannonball, an Miles auch – die sind immer präsent, weil die haben so einen enormen Eindruck auf mich gemacht. Das ist, wie wenn dein Bruder stirbt – den vergisst du einfach nicht.“ (Zawinuls Zwillingsbruder Erich starb mit dreieinhalb Jahren.) Unvergessen sind auch Zawinuls Großtaten mit der Fusion-Supergroup „Weather Report“ – bei Columbia Legacy erscheinen am 2. Oktober unter dem Titel „Live & Unreleased“ zwei CDs mit Mitschnitten aus den Jahren ’75 bis ’82. Ob dieses Release, ähnlich wie zuletzt bei Miles Davis‘ Wiederveröffentlichungen aus dessen elektrischer Phase, einen starken Einfluss auf junge Hörer ausüben wird? „Warum ned? Es war ja eh die letzte große Richtung in der Musik – danach war nix mehr los“, sagt der Austro-Amerikaner, der sich aber immerhin als Anhänger von Busta Rhymes outet – und seinerseits bei Hip-Hoppern eine gefragte Sample-Quelle darstellt: Sein „Boogie Woogie Waltz“ (Weather Report, 1973) ist bis dato für rund 60 HipHop-Aufnahmen gesampelt worden.

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