Jumpin‘ Jack Flash again: Mick Jagger


NEW YORK. „Please… no suits or sneakers“, steht auf der Einladung. Mit Schlips und Kragen oder Turnschuhen an den Füßen ist man bei dem als Party deklarierten Konzert von Mick Jagger also unerwünscht? Ein Schelm, der diese Aufforderung ernst nimmt. Denn in dem Tanzschuppen „Webster Hall“ ist es so brechend voll, daß man der Nebenfrau ins Grunge-Dekollete blicken muß, will man ihre Fußbekleidung checken.

Während Promis wie Robert de Niro. Francis Ford Coppola und die Götter-Gattin Jerry Hall über der Ballustrade auf dem Balkon hängen und das Treiben im Saal beobachten, versucht eine graue MTV VJ-Maus, die Stimmung mit dummen Sprüchen anzuheizen. Denn das goldene Kalb von heute ist schnell der Hamburger von morgen, wissen die Bosse der Plattenfirma Atlantic nach Jaggers ersten beiden Soloalben, und so gilt es die neue Solo-CD „Wandering Spirit“ mit diesem einmaligen Clubgig maximal zu vermarkten. Eine riesige Satellitenschüssel steht dazu vor dem Eingang der „Webster Hall“ bereit, um das einstündige Konzert von der 11. Straße in New York live in vier Clubs in LA, Chicago, Atlanta und Toronto zu beamen.

Daß hierfür das Saallicht eingeschaltet bleibt, mag nur Rock ’n‘ Roll-Puritaner stören. Nicht jedoch die geladenen Gäste und Journalisten. Die schlucken das grelle Licht ebenso kommentarlos wie das kostenlose Bier und mucksen auch nicht auf, als Jagger zunächst elf der zwölf neuen Songs absingt. Eine musikalische Durststrecke, wenngleich das scharfe Delta-Blues-Aroma des Titelsongs „Wandering Spirit“ live ein Labsal ist. Dank des exzellenten Gitarrenspiels von Jimmy Rip (der beste Musiker der nicht sonderlich erwähnenswerten fünfköpfigen Band) und Jaggers unverwüstlicher Bühnenpräsenz vermag er das Publikum so lange bei verträglicher Laune zu halten, bevor er zum Schluß mit drei aus dem Ärmel des Flatterhemd gezogenen Stones-Songs die Stimmung endlich doch noch zum Kochen bringt. Mit „Rip This Joint“, „Live With Me“ und dem unverwüstlichen Klassiker „Have You Seen Your Mother, Baby. Standing In The Shadows?“ rechtfertigt der ewige Stone endlich die Vorschußlorbeeren des vollmundig als „Konzert des Jahres“ angekündigten Promo-Gigs. Das war wirklich Satisfaction.