Kate Bush:Seelen-Surferin


Ein Klag-Irrgarten mit rotem Faden. Kate Bush: The Red Shoes (EMI 827277 2)

Man muß sie hassen oder lieben. Kate Bushs Musik, zu der man kaum ein indifferentes Verhältnis haben kann, verträgt keine plötzlichen Stil-Wandlungen. Und ist es nur konsequent, wenn sie sich auch auf dem neuen Album — immerhin vier Jahre vom letzten Werk entfernt – der gewohnten und bewährten Zutaten bedient. Dabei beginnt „The Red Shoes“ zunächst mit leisen, für Bush-Verhältnisse fröstelnd unpathetischen Tönen: „Rubberband Girl“ ist eigentich nur an ihrer schwebenden Stimme als Bush-Song zu erkennen, so schnurstracks springt das schlichte, kleine Popwerk auf den Punkt. Keine Bange – wie dieser Opener charmant zu falschen Schlüssen verleitet, so lockt die nachdenkliche Fee Kate im Laufe des Albums ihre Hörer immer wieder auf neue Pfade tief hinein in ihren Seelen-Irrgarten, der diesmal nur mit Hilfe eines textlich/inhaltlichen roten Fadens reibungslos durchschritten werden kann. Religion, Philosophie, ewige (rhetorische) Fragen nach Leben und Sinn stehen im Vordergrund. „And So Is Love“, der zweite Song, schlägt mit Hilfe von Eric Claptons millimetergenauen Gitarren-Licks schon wieder einen stilistischen Haken. Doch Clapton gibt unter Kate Bushs bunter Musikerschar nicht allein den Ton an. Südamerikanische Gitarren, die gleichzeitig an keltische Klänge erinnern prägen „Eat The Music“, und zum ersten Mal stellt sich die sphärische „Bush-Faszination“ ein, dieses Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren und auf fremden Schwingen davonzufliegen. Selbst Egozentriker wie der ehemalige Klassik-Violinist Nigel Kennedy fügen sich nahtlos dem Zauber wie in „Big Stripey Lie“ oder dem kurzen und knackigen solistischen Höhenflug beim Finale „You’re The One“. Zusammen mit Procol Harum Keyboarder Gary Brooker beschwört er hier Bilder aus vergangenen Tagen, als Menschen wie Brooker noch Rockgeschichte schrieben und nicht als bleiche Denkmäler durch die Studios schlichen. Auch dieses kleine Verdienst gebürt Kate Bush, deren unnachgiebig durchdachte, nie hingeschlampte Kompositionen keine Routine zulassen. Hin und wieder verläßt sie sich gern wieder auf das Folk-Trio Bulgarka und seinem wehmutig nostalgischen Balkan-Sound, der einst zu Kate Bushs Markenzeichen wurde. Selbst wenn dann Mit-Exzentriker Prince dazustößt, trägt diese schwingend ästhetische Brücke noch: Bei „Why Should I Love You“ demonstriert der Alleskönner, daß er durchaus Einfühlungsvermögen für andere Klangwelten als seine eigenen besitzt. Wahrscheinlich trafen sich die beiden auf der spirituellen Ebene, denn Red Shoes ist Kate Bushs bis dato am meisten von religösen Themen geprägtes Album – und auf dem Gebiet ist Prince ja bekanntlich auch sehr bewandert. Vieles hat Kate Bush in ihre „roten Schuhe“ gestopft, und man sollte sich ausreichend Zeit nehmen, um alle Facetten zu entdecken. Ein ernsthaftes Album, dem man die lange Arbeit anmerkt. Kate Bushs Anhänger werden genau das zu schätzen wissen.