Kevin Drew orientiert sich als Solist am Buena Vista Social Club. Für seine Freunde aber ist das, was er da macht, nur Krach.


Kevin Drew wirkt wie soeben aus dem Bett in den Tag geschüttet, wie ein plauderfreudiger Haschdealer, der in der Freizeit Superheldencomics malt. Der Broken-Social-Scene-Chef und Mitbegründer des Labels Arts & Craft scheint im einen Moment wegzuratzen, dann entrüstet er sich plötzlich theatralisch – momentan vor allem über die Reaktionen auf seine erste Soloplatte. „Niemand scheint dieses verdammte Album zu verstehen!“, klagt der Kanadier (der zum Interview geweckt werden musste). Vor allem Freunde und Familie nicht: „Alle beschweren sich, wie chaotisch die Platte ist.“ Dabei bedeute sie ihm alles – er habe noch nie so viel von sich gegeben (auch wenn er nur improvisierten Unsinn singe, den er nachher gern noch mal bearbeitet hätte, aber, so Drew unter kiffigem Gekicher: „Zu spät, ging nicht mehr, hihihi“).

Dass alle sagen, das sei wirr und reflektiere seinen unsteten Charakter, mache ihn traurig. Aber so sei er wohl: komplett unstet. Den Einwand, die Platte klinge recht fließend, quittiert er mit hysterischer Freude: „O Mann, das stimmt! Ich bin ein Fluss, Mann, ich bin ein Vogel, der fliegen will. Warum rafft das keiner?“ Missverstanden oder verwirrt, Drew ist froh, keine weitere „doofe experimentelle Indierockplatte“ gemacht zu haben. „Das habe ich bei Broken Social Scene schon genug. Diesmal sollte es ein Popalbum mit vielen Melodien werden.“

Dabei wollte er eigentlich nur eine Pause einlegen, „endlich mal zur Ruhe kommen, wieder soziale Kontakte knüpfen „, gähnt Drew. Dann lacht er wieder: „Leider bin ich für beides total ungeeignet.“ Also begann er mit den Aufnahmen zu The Broken Social Scene Presents: Kevin Drew – Spirit If. Das Prinzip funktioniert wie beim Buena Vista Social Club: Alle Soloprojekte segeln unter dem Banner des Mutterschiffs. „Erst wollte ich nur ein bisschen rumdudeln“, sagt Drew. „Dann wurde es plötzlich ein Album. Sag, was denkst du wirklich ? Ist es schlecht aufgenommen ? Oje, ich glaube, es ist schlecht aufgenommen.“ Na gut: Drews Solowerk ist ein Sauhaufen – ein großartiger! Fließend und unstet zugleich, ein psychedelischer Kompost, indem es nur so wuselt vor Einfällen und Ideen. Drew: „Die Aufnahmen waren die glücklichste Zeit meines Lebens. Wenn ich die Platte jetzt auflege, möchte ich allerdings am liebsten in die Ecke kotzen.“

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