Broken Social Scene, Köln, Prime Club


Es tiriliert der Presslufthammerchor: Die Kanadier zimmern ihr ganz eigenes Rocktheater zusammen.

Allein das Hingucken ist eine Wucht. Derart kontrolliert wuseligist dieses sündige Kommen, Gehen und Wiederkommen, daß es einem ganz Schwupps im Schädel wird. Man brauchte einen Abakus, um für den Moment die Zahl der aktuell auf der Bühne vorrätigen Musiker zu dokumentieren. Oder wenigstens einen handlichen Taschen-Rechenschieber. Jetzt mal ganz davon zu schweigen, wieviele Instrumente die acht, neun, zehn, ach was: elf Musiker wohl inszeniert mit-, durch-, aber niemals gegeneinander einsetzen. Mal sind es drei Gitarren, malverlustieren sich zwei Musiker an ebenso vielen Bässen, dann wieder kommt eine kleine Armee Bläser – Saxophone, Trompeten, Posaunen-zum Einsatz, bevor bis zu drei Menschen aus verschiedenen Himmelsrichtungen heraneilend nach allen Regeln der kniffligen Rhythmuskunst ein Schlagzeug in die Mangel nehmen.

Broken Social Scene sind in der Stadt, im Zentrum des kanadischen Tohuwabohu-Kollektivs stehen Kevin Drew und Brendan Caning – was aber keinesfalls heißt, daß die beiden die Jobs der Frontmänner übernommen haben: Bei Broken Social Scene darf jeder und jede mal vorne stehen, Rampensäue sind sie alle, und die Bühne ist eine Baustelle, auf der so ziemlich alles stattfindet, was in populärer Unterhaltungsmusik möglich ist. Flatterhaft gespielte Gitarren verwehen sachte im Wind, Easy-Listening-Geplänkel mündet in brachiale Störfeuer, die vorübergehend in Progrock-Hausen herumballern, bevor mit Saft und Kraft und Lust und Leidenschaft hergestellte Dissonanzen von einem zarten Geigenspiel aufgefangen werden: Tirilierte eben noch der Presslufthammer-Chor, dreht man von jetzt auf gleich ein Runde im Streichelzoo. Das Gefühls-Remmidemmi, das Broken Social Scene veranstalten, funktioniert prächtig bei allen Songs der selbst betitelten, aktuellen Langspielplatte – und am schönsten tönt, dröhnt und stöhnt es bei „7/4 (shoreline)“: Gegen die geballte Macht der Bläsersätze, die dort um die Wette wuchern, sind die Trompeten von Jericho ein Treppenwitz. Als die Band dann mit „Hotel“ die erste Zugabe serviert, fahren die Sehnerven Achterbahn. Weil sich nunmehr auch The Most Serene Republic, die Vorband, mit am Ort des Geschehens tummelt, und man vollends den Überblick verliert: Die Bühne ist eine Großbaustelle. Wie erbaulich, daß wir die Baumaßnahmen beobachtend begleiten durften.

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