Keziah Jones – Blufunk Is A Fact


An der Gitarre wird er zum Tier: Mit einer todsicheren Legierung aus Blues und Funk erfindet ein 21 jähriger Nigerianer den Mucker-Schweiß neu.

Ein Debut-Album, das wie ein reifes Meisterwerk klingt. Die Form, Inhalt und rhythmische Struktur der Songs wirken wie aus einem Klotz Marmor gehauen. Und trotz ollem so etwas wie purer, aber nicht naiver Spaß, schneidender Dancefloor-Groove und seelenvolle Vocals. Ein bißchen viel? Vielleicht, aber dieser junge Schwarze ist erstens nicht von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt und steckt zweitens tatsächlich voll aberwitzigen Talentes, das mit lockerer Geste mal eben gut dreißig Jahre Rhythm & Blues in einem brodelnden Topf miteinander verquirlt. Keziah Jones stammt aus Nigeria, spielt eine messerscharfe akustische Gitarre und singt ebenso kontrolliert wie ausdrucksstark. .Blufunk“ nennt er griffig (und clever) seine Musik, die raffiniert melodiöse Pop- und komplexe Soul-Elemente verbindet, immer harmonisch eingängig klingt. Die stahlharten Groove-Zutaten zeitgemäßen Hardrock-Souls jedoch weisen seine Songs als echte 90er-Jahre-Produkte aus. Kein Wunder, denn der Mann war Straßenmusikant in London — ein vielbegangenes Pflaster, auf dem man um sein Publikum kämpfen muß. Keziah Jones‘ erstes Album strotzt nur so von Kraft, eisernem Willen und begründetem Selbstbewußtsein. Und obendrein hat der 21 Jahre alte Songschreiber noch die Disziplin und Übersicht, seinen prallen Song-Ideen eine schlüssige Form zu geben. Mal schlicht, mal opulent. ,Free Your Soul*, der knollhart akzentuierte Opener, könnte dos Motto dieser Fahrt durch die Jones’sche Stilwelt sein. Dezent folkig oder getragen durch füllige Vokal-Harmonien — damit nicht unähnlich den Talenten eines Lenny Kravitz. Keziah Jones kennt seinen James Brown ebenso wie Bob Marley (.Rhythm Is Love“), und schon diese beiden ersten Songs des Albums stecken einen ganzen Kosmos an Einflüssen ab: Meist nur mit akustischer Gitarre skizziert Jones rhythmische Muster, die ebenso oft an Archie Bell (.Tighten Up“), Wilson Pickett oder Curtis Mayfield denken lassen. In diesem Sinne ist er fast bizarr altmodisch, läßt aber gleichzeitig die gängige Fülle verwandter Charts-Traditionalisten ähnlich schwarzer Färbung alt und blaß aussehen. Dieses Kreafivitätsbündel hat das Zeug zu einer großen Karriere — .Blufunk“ wird seinen Weg machen, fwtj

STRASSE?

Ein Mann aus gutem Hause: Als Sohn eines Stammesoberhaupts und Großindustriellen aus Nigeria standen Keziah Jones alle Möglichkeiten offen, seine Zukunft gutbürgerlich zu gestalten. Doch die teure Schule in England, in die ihn sein Vater schon mit acht Jahren steckte, machte aus ihm keinen braven Erben. Keziah Jones verschwand, kaum im Teen-Alter, schon in Richtung London, trieb sich später auch in Paris herum und ging dem nach, was ihn eigentlich interessierte: Musik. Und die fand für ihn zunächst auf der Straße statt. Eine härtere Schule, die aber auch ehrlichere Noten verteilt. JAeine Eltern hielten mich für verrückt“, erinnert sich Keziah Jones, .seit meiner Schulzeit habe ich nicht mehr viel von ihnen gehört.’Vom Londoner Covent Garden-Bezirk und der Portobello Road, wo ihn sein Manager Phil Picket angeblich entdeckte, arbeitete sich Keziah Jones allmählich in kleine Clubs und Cafes vor. Seine „Blufunk‘-Mischung aus Blues, Funk und Folk erwies sich als enorm publikumswirksam, zumal seine explosive Art, die Gitarre zu bearbeiten, ihm zusätzlichen Erinnerungswert bescherte. „Die Leute haben mich schon immer angestarrt“, doch er erkennt: „Heute stört mich das nicht mehr, im Gegenteil. Als Musiker ist es eher nützlich.‘ Nützlich war ihm auch, daß sein prominenter Musiker-Kollege lenny Kravitz schnell die Talente des selbstbewußten Nigerianers erkannte. Er engagierte Keziah Jones im letzten Jahr als Opener und Gast für seine Konzerte in der Londoner Brixton Academy und in Wembley Arena. Ein Ritterschlag für den ehrgeizigen Jones der Lenny Kravitz auf seinem ureigenen Terrain bald heftigste Konkurrenz machen dürfte …

BLUFUNK?

Um einfallslosen Kritikern gezieh zuvorzukommen, hat Keziah Jones das Etikett für seine Musik gleich mitgeliefert: „Blufunk“ nennt er seinen hochprozentigen Groove-Cocktail. Neben der offenbaren Verschmelzung von Blues und Funk hatte er dabeJ aber noch mehr im Sinn: „Ich habe diesen Stil entwickelt, als ich mit allen möglichen Leuten auf der Straße zusammengespielt habe.“ Seine Musik bezieht ihre Spannung durch die Verbindung von Blues der eher bissigen als melancholischen Sorte mit rohem, hartem Funk. Das drückt sich auch in der Art aus, wie er Gitarre spielt. „Ich spiele meine Gitarre wie einen Baß ich schlage rhythmisch auf das Holz, so daß die Gitarre gleichzeitig zum Percussion-Instrument wird. Dazu gehört viel Energie und auch eine Menge Schweiß. Und manchmal kann man es sogar riechen…“ Eine Intensität, die selbst von der sterilen Studio-Atmosphäre nicht angetastet wurde. Kein Wunder, daß sein .Blufunk‘ auf den Straßen Furore macht. „Wenn ich auf die Bühne gehe, sind die Leute erst einmal verunsichert. Wenn Ich dann spiele, sind sie geschockt. Sie spüren, daß Ich Ihre Köpfe mit meiner Gitarre durchknallen will.“ Keziah Jones‘ Album definiert seinen »Blufunk“ etwas kultivierter, fast streng, als virtuoses Jonglieren mit Stilen und verfremdeten Zitaten. Was .Blufunk“ aus der Masse der Pop-Spielarten heraushebt, ist seine gläserne Klarheit und schier überwältigende Ökonomie der Mittel. Ein Minimum an Aufwand, ein Maximum an musikalischer Wirkung. In diesem Sinne traditionell .ethnisch“, aber in jedem anderen höchst modern und urban.