Kino


Film des Monats

Funnier than a bomb

Four Lions

von Chris Morris, Großbritannien 2010

*****

mit Riz Ahmed, Arsher Ali, Nigel Lindsay

Wie ich lernte, den Dschihad zu lieben: Die britische Comedy-Elite dreht dem Terror eine lange Nase.

Wie lustig ist Terrorismus? Nicht übermäßig, offen gestanden. Was nicht heißt, dass es nicht möglich ist, einen lustigen Film über Terroristen zu machen. Kubrick hat es auch geschafft, dem nuklearen Holocaust den Zahn zu ziehen. Und Monty Python haben den Wahnsinn religiöser Eiferer aufgedeckt, ohne ein Jota an komischem Biss einzubüßen. In einer unmittelbaren Ahnenreihe zu Dr. Seltsam und Das Leben des Brian steht das Regiedebüt von Chris Morris, der sich im britischen Fernsehen in den vergangenen 15 Jahren mit seinen satirischen Tiefschlagserien Jam oder Brass Eye den Ruf eines Enfant terrible redlich erarbeitete hat: Wer verdiente Members of Parliament dazu bringt, vor laufender Kamera über die Bedrohung gemeingefährlicher Drogen zu schimpfen, die es in Wahrheit gar nicht gibt, weil man sie gerade erst erfunden hat, der entlarvt nicht nur die absurd-komische Seite von al-Qaida, sondern hat auch die Eier und Chuzpe, daraus einen Film zu machen, der einem das Lachen auf den Lippen und das Blut in den Adern gefrieren lässt. Fünf muslimische Tölpel, eigentlich perfekt assimiliert in die britische Gesellschaft, wollen mit einem Anschlag während des Londoner Marathons ein Mahnmal setzen. Einer will sich in Pakistan mit seinem besten Kumpel ausbilden lassen, wird aber rausgeworfen, weil er beim Versuch, eine amerikanische Drohne mit einer Panzerfaust abzuschießen, in die falsche Richtung feuert und die Führungsriege der ansässigen Terrorgruppe auslöscht. Und das ist der smarteste. Ein anderer kann nicht zum Selbstmordattentat, weil der Papa krank wird, und will Krähen als Suizidbomber ausbilden. Der nächste ist ein westlicher Konvertit, der davor bei der National Front ein Outlet für seinen Selbsthass fand. Dann stolpert einer der Extremisten in einem aberwitzigen Moment mit Nitroglyzerin über ein Schaf. Und es ist klar, dass Morris weiter geht als die meisten für einen Lacher, es ihm aber nicht um Spaß geht: Morris erzählt seinen Film als Farce, überdreht und aufgekratzt – und das ist die einzige Form, die dem Wahnsinn Terrorismus auf Augenhöhe begegnet. Der wahre Schrecken – und deshalb ist Four Lions so großartig, egal was profilierungssüchtige CSU-Politiker glauben mögen – des Films liegt in der Erkenntnis, dass die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus nicht deshalb so groß ist, weil man es mit ausgebildeten Profis zu tun hat, sondern mit hirnlosen Stümpern, für die die Diskussion, ob Bin Laden so sexy ist wie Johnny Depp ebenbürtig ist mit der Bereitschaft, sich in die Luft zu sprengen. Deshalb haben wir keine Chance. Start: 21. April

Source Code

von Duncan Jones, USA 2011

****1/2*

mit Jake Gyllenhaal, Michelle Monaghan

Wenn Hitchcock Agatha Christie als Matrix verfilmen würde.

The Artist Formerly Known As Zowie Bowie macht Kopfkino, das auch im Bauch ankommt. Source Code ist nach Duncan Jones‘ überragendem Debüt Moon weniger streng, dockt mehr am Mainstream an, hebt sich aber doch ab durch seine besonnene Machart, lässt die Tricks und Gimmicks nie die zentralen Konflikte überlagern, sondern nur anreichern. In einer Variation von Und täglich grüßt das Murmeltier, Déjà Vu und Inception geht es um einen jungen US-Soldaten, der mittels eines wissenschaftlichen Kniffs immer wieder acht Minuten hat, um im Körper eines anderen einen Bombenanschlag in einem Zug zu verhindern und die Frau, in die er sich verliebt hat, zu retten. Das wirkt nur zu Beginn etwas abgeschmackt, ist dann aber so gut gemacht und souverän erzählt, dass man sich wohlig daran erinnert fühlt, dass einst auch Spektakelkino zuerst Kino war. Und dann erst Spektakel.

Start: 5. Mai

Thor

von Kenneth Branagh, USA 2011

ohne Bewertung

mit Natalie Portman, Anthony Hopkins

Thor schmiedet das Eisen, solange es heiß ist.

Bevor uns die X-Men, die Green Lantern und Captain America mit bestimmt ganz tollen Effekten heimsuchen, haut Thor auf die Pauke mit seinem eindrucksvollen Hammer der Götter. Man muss Marvel Comics Respekt zollen: Sie gehen wirklich nicht auf Nummer sicher bei der Wahl der Regisseure für ihre Produktionen. Aber ausgerechnet Kenneth Branagh und mit ihm seinen ausgewachsenen Wagnerkomplex nach Walhalla zu schicken, um den arroganten Thor aus dem Götterreich zu verweisen und auf der Erde in den Armen von Natalie Portman Demut lernen zu lassen, ist weniger großes Kino als größenwahnsinniger Shakespeare.

Start: 28. April

Roller Girl

von Drew Barrymore, USA 2009

*****

mit Ellen Page, Marcia Gay Harden

Fast und Furious: Rollschuhlaufen für Riot Grrrrls.

Viel Vertrauen kann der deutsche Verleih nicht haben in Drew Barrymores Regiedebüt, das seit nunmehr eineinhalb Jahren vor sich hingeschoben und nun sang- und klanglos abgeladen wird. Man sollte nur nicht den Fehler begehen, daraus Rückschlüsse auf die Qualität des Films ziehen zu wollen. Denn Roller Girl, so eine Art Juno auf Rollerblades zum Herzschlag der besten Musik (Lekman, Parton, .38 Special), macht mehr Spaß, als es so ein Mädelsfilm jemals dürfte. Man schämt sich fast, es zu sagen, aber eigentlich ist alles cool an diesem Film über eine texanische Göre, die keine Schönheitskönigin, sondern lieber Roller Derby Queen sein will: die Figuren, die Musik, die Gags, der Ton. Das rockt.

Start: 5. Mai

The Way Back

Von Peter Weir, USA 2010

****

mit Jim Sturgess, Ed Harris, Colin Farrell

So weit die Füße tragen: Todesmarsch wider die Diktatur.

Peter Weir dreht nicht mehr oft Filme. Wenn es der australische Regisseur von Meisterwerken wie Gallipoli oder Witness dann tut, ist das Ergebnis selten halbgar. Umso irritierender ist es, dass Weirs erster Film seit Master And Commander vor sieben Jahren sich so schwer tut, mehr als nur episodisch zu wirken. Sicher, die Verfilmung des Tatsachenromans von Slawomir Rawicz über die Flucht von sieben Kriegsgefangenen aus einem sibirischen Gulag, die drei von ihnen 6.000 Kilometer bis nach Tibet führte, ist beeindruckend anzusehen. Aber obwohl (oder weil) weitestgehend unter Realbedingungen gedreht, fügen sich die Einzelteile nicht so recht zu einer Summe zusammen, die über die simple Aussage hinausgeht, dass noch ein weiter Weg zurückzulegen ist, bis wir alle frei von Unterdrückung sind. Das ist viel. Aber nicht genug.

Start: 12. Mai