KURZ & KLEIN


on Josef Winkler Eine Frau ruft an und fragt, ob ich schon mal in die FRÖHLICHE WEIHNACHT ÜBER ALL-CD reingehört habe, die sie geschickt hat. Argwohn keimt auf, aber weil der Anruf so sympathisch war, hört man rein. Das ist so ein, tja, weltmusikalisches Projekt, für das deutsche Weihnachtsüeder (deutscheTexte sind ja recht beliebt momentan) von Gesangskünstlern wie Kai Wingenfelder, Sebastian Krumbiegel und, ja. dem leibhaftigen Ivan Rebroff in klischeetriefend Ethno-Arrangements zum Besten gegeben werden. Und das ist alles tatsächlich exakt so schlimm, wie es sich in der Beschreibung anhört. Das Gute an fröhliche WEIHNACHT Überall (h&hmusic/Indigo) ist, dass, wie da steht, „ein Teildes Erlöses aus dem Verkauf dieser CD der Arbeit von Ärzte ohne Crenzen zugute“ ‚kommt. Mal so gesagt: Wenn man jetzt ganz kess hergeht, die CD nicht kauft und Ärzte ohne Grenzen einfach 16 Euro überweist, kommt denen noch viel mehr zugute. Apropos deutsche Texte: Wer da mal avantgarde-mäßig einen Schrittweitergehen möchte, soll sich die neue Platte (also CD) der „bairisch-anarchischen Rockgrupp“ (Selbstbeschreibung) Sparifankal zulegen, dahoam IS wo andas (Schneeball/Fenn). Sparifankal waren in den Siebzigern eine Art Münchener Ton Steine Scherben mit Humor und ihre großartige erste Platte BAYERN-ROCK von 1976 gibt’s seit Zeiten in einer ziemlich schrottigen, aber hey!, CD-Überspielung beim Ohrwaschl-Label oder direkt zu bestellen aufwww.sparifankal.de. Nicht erschrecken, hier schiebt sich kein Mundart-Schunkelrock mit Bierdünkel, sondern durchaus g’schert scheppernder, angenehm schlecht und schwindlig gespielter Kraut-Blues mit der grandios schaurigen Krähstimme und der schockierenden Schalmei von Texter und Vorstand Carl-Ludwig Reichert. Früher war’n sie besser, wie immer, drum sei bei Interesse zunächst BAYERN-ROCKans Herz gelegt. Aber auch DAHOAM IS wo ANDAS kann einiges. Hier wird geredet wie Schnäbel gewachsen sind. Wo wir bei lokaler Quasi-Volksmusik sind: Aus Berlin kommen Tiefenrausch und die machen auf ihrerCD heut‘ ist alles so perfekt (Skaro/Buschfunk) straighten Ska mit leichtem Rock/ Punkeinschlag und einem Schuss Sozialkritik. Man ist jetzt nicht eben hinweggefegt von der Originalität von dit Janze (da hat Ska ja generell seine Probleme), und vielleicht müsste auch nicht unbedingt „Döner“ auf „schöner“ gereimt werden, aber wer das Genre schätzt, dürfte einiges hier mögen. Wer hingegen Metal mag, kann sich mal mit der neuen Sum 41 bekannt machen. Schon allein bei dem Namen müssen ja viele gleich ganz viel „hatin“‚ machen, doch das ist der Situation unangemessen. Die stellt sich nämlich so dar, dass die vier nie-ganzso-doofen Metal/Punk/Pop-Goofys älter und, äh, reifer geworden sind und auf ihrem vierten Album chuck (Island/Universal) neben einigem Rest-Punkpop feistest produzierten – was ist das nochmal für ein Metal, wenn es dahingeht wie auf frühen Metallica-Platten?Thrash?-Thrash-Metal reinreichen. Und dazu ein paar breite Melodien hier und hymnische Halbballaden dort (einmal wird ihnen sogar ganz Oasis-mäßigzumut‘), alles hochkompetent ausgeführt. Es fehlt ihnen hak der ganz große Song. Näher an letzterem dran sind Das Pop aus Belgien auf ihrem ganz schön tollen zweiten Album the human thing (Haldern Pop/Cargo), das als erste große Veröffentlichung auf dem hauseigenen Label des Haldern Pop Festivals erscheint. Kein einziges beliebiges Tralala-Lied lungert hier rum, und wenn das Songwriting mal etwas durchhängt, ist da immer noch ein liebevoll facettenreich geschnitzter, wendungsreicher, doch homogener, warm und dicht produzierter Indie-Pop-Sound mit Hang zum Drama, in den vom funky Synth-Bassbiszurcountry-jaulenden Pedal-Steel alles rein darf. Zoot Woman trifft dEUS auf den Schwingen des Phoenix (uff!). Oder so. Nicht ganz so, aber auch gut ist die zweite Haldern-Pop-Veröffendichung, FILM IN MY HEAD (Haldern Pop/Cargo) der Londoner Amphibie. Möger von Akustik-(Folk)-Rock Abteilung Grant Lee Buffalo sollten sich nicht von dem sehi hässlichen CoveT abschrecken lassen: Hier ist Gutes drin, wenn einem auch nicht direkt die Hits ins Gesicht springen. Eine schiere Supergroup kommt mit Solea daher. Da haben sich der Sänger der Emo-Corer Texas Is The Reason und der ex-Gitarrist der ebenfalls Emo-Corer Samiam zusammengetan und machen auf dem Debüt ihrer neuen Band, solea (Defiance/Rough Trade), tja, halt wieder Emo-Core. Oder von mir aus Post-Emo-Pop-Rock oder wat. Bitte nageln Sie mich da nicht auf Begriffe fest, da blicken doch eh nicht mal die Emo-Typen selber durch. Und „Emo“ darf man auch gar nicht sagen, fürchte ich. Sagen wir halt: Halblangweiliger, gleichförmiger melodic Gitarrenrock? Eigentlich ein Schmarrn sein müsste graveyard MOUNTAIN HOME (InsideOut/SPV), das zweite Album von – huch! – ex-Dream-Theater-Keyboarder Kevin Moore, Projektname Chroma Key. Ist es aber gar nicht. Sondern eine durchaus anheimelnde, unkitschige, zumeist instrumentale – schreiben wir doch mal das Inlo ab – „Mischung aus Dark Ambient, Pos track und Psychedelik“, In etwa dieselbe Mischung machen ja auch Archive, nur mit mehr Rock als Post-. Für die Bonus-CD der Nochmal-Veröffentlichung ihres Albums noise haben sich die Londoner ganz was Neu’s einfallen lassen und das Werk unplugged eingespielt. Da sitzen dann diese heftigen Typen, die sonst einen markerschütternden WOOM! zu entfalten imstande sind, und nölen zu plinker-Klavierund Lagerfeuer-Gitarre rum „oh darling, please don’t run away“. Da fragt man sich mit Recht: Was soll der Unfug? Auch ein Unfug, aber ein guter, ist der „Soundtrack“ zu Hans Weingartners die fetten ] ÄHRE sind vorbei (Mute/Virgin; Filmrezi S. 101): Fast kein Lied hier ist im Film zu hören, die Compilation ist mehr so von dessen rockenrolliger „Philosophie inspiriert“ (wie man sagt). Das aber ordentlich, und wenn’sauch keinen roten Faden gibt: als geschmackssicheres Mixtape mit allem von Sophia über die Mediengruppe Telekommander und Tocotroniebis hin zu Leonard Cohen taugt die Doppel-CD einiges. Und Element Of Crime haben Freddy Quinns „Heimweh“ gecovert, allerdings ohne den „so schön war die Ze/f“-Chor, weil ihnen das dann wohl doch zu Nostalgie-tümelig war. Was noch? Folk? Der junge Rocky Votolato präsentiert sich auf SUIC1DE medicine (Sorepoint/Cargo) mit Harmonika und Akustikgitarre als herzblutender Seelen-Songwriter ä la Conor Oberst. Und der ältere Dan Bern schimpft auf der EP MY country 11 (CookingVinyl/lndigo) einmal mehr eloquent auf George W. Bush (was sich bei Erscheinen dieses Heftes hoffentlich erledigt haben wird), stimmlich und vom Flow her auf den Spuren der beiden großen weißen Rapper Bob Dylan und Eminem. Letzte Meldung: Die Boygroup Westtife will jetzt eine Mengroup sein, und zum Zeugnis ihrer Erwachsenheit haben sie sich in Las Vegas mit Whiskygläsern und Smokings hingestellt und mit ihren cremigen Schnullibulli-Stimmen Songs des Ratpack eingesungen. Dabei hat das vor ca. 200 Jahren schon Robbie Wiliams gemach t und selbst bei dem war das gar nicht so gut. allow us to be FR ANK (BMG), bitten Westlife. Können sie – franklv – vergessen.