MC Solaar


Eine halbe Million Franzosen besitzten seine erste Platte. Jetzt erobert MC Solaar den ganzen Kontinent mit frankophilem Rap.

„Wir hatten uns für die zweite LP fest vorgenommen, den Jazz links liegen zu lassen. 1993 war zwar ein sehr gutes fahr für den Jazz, aber irgendwann war Jazz-Rap nur noch nerviger Modetrend. Doch sobald wir im Studio waren, kam auch der Jazz wieder zu uns zurück stärker denn je. Wir waren einfach machtlos.“

Wofür sich Rapper MC Solaar alias Claude so vornehm entschuldigt, das ist eine selten begnadete und beispiellose Symbiose von Sprache, Rhythmus und Harmonie und erhebt sich souverän über jeden kurzfristigen Musiktrend. Schließlich wußte der 24jährige, in Dakar geborene Pariser schon vor vier Jahren, daß er „nicht würde schreien müssen, um gehört zu werden“, und fühlt sich durch den nachfolgenden Trubel um Softies wie die Digable Planets oder Arrested Development heute zurecht bestätigt.

Deshalb meiden er und sein langjähriger DJ/Produzent Jimmy Jay auch auf „Prose Combat“ die dumpf-aggressiven Verbal- und Rhythmusattacken, sind sogar gegenüber dem Debüt „Qui Seme Le Vent Recolte Le Tempo“ (1991) noch fein- und hintersinniger geworden. Der diskrete Charme ihrer oft melancholischen, trotzdem bissigen Rap-Soundtracks eröffnet sich oft erst nach mehrfachem Hören: ein zäher, bewußt langsam wirkender Zaubertrank, dessen genialer Minimalismus sich genauso der verhauenen Verschleppungen des Dub-Reggae wie der hypnotisierenden Monotonie literarischer Sprechplatten bedient. Alles geschieht hier in Zeitlupe – aber es geschieht.

Solaar sieht sich zwar in der gepflegten Tradition solcher Rap-Akademiker wie A Tribe Called Quest und Guru, bekennt sich aber bereits auf der ersten Single der neuen Platte, „Nouveau Western“, auch zu seinen französischen Roots: Serge Gainsbourgs „Bonnie & Clyde“ wird hier geschickt verfremdet und verwoben. Von Schriftsteller und Sprachartist George Perec schnappt Claude ebenfalls Inspirationen auf: „Perec hat einen kompletten Roman geschrieben, ohne einmal ein ‚E‘ zu verwenden. Ich baue ähnliche Hindernisse oder Tricks in meine Texte ein. Zum Beispiel wollte ich bei ,L’NMIACCd’HTCK72KPDP‘ einen vollständigen Satz nur aus einzelnen Buchstaben konstruieren. Das verstehen meine Fans zwar erst nach und nach, aber dafür haben sie dann länger Spaß an meiner Musik.“

Wohl denen, die teilhaben können am virtuosen Sprachwitz des Franzosen, für den Rest „baue ich auch mal bilinguale Worte wie ,boxoffice‘ oder ,Rambo‘ als Orientierung ein.“ Irgendwann will der ehemalige Sprachstudent auch englische und spanische Raps schreiben, aber noch schämt er sich zu unrecht über seinen Akzent. Immerhin haben ihn schon Konzertgänger in Amerika, Japan, Deutschland, Polen und Rußland „verstanden“. Am stärksten gerührt hat ihn jedoch stets das Publikum im frankophilen Westafrika:

„Überall dort kannte man die Texte zu meinen Stükken und sang sie mit. Es war wie eine Heimkehr für mich. Da macht es auch nichts, daß von meinen Platten endlose Mengen an Raubkopien gezogen werden: Wenn die Afrikaner mich so spirituell unterstützen, dann ist das besser als jedes Platin-Album.“