Michael Sembello


„In letzter Zeit hat’s so viele schlechte Songs gegeben – ich bin es leid. Englisch zu hören, weil die Sprache ständig mißbraucht wird. Aber andererseits bist du gezwungen zuzuhören, weil’s nun mal deine Muttersprache ist. Deutsch oder Französisch klingt in meinen Ohren viel erfrischender, weil die Musik meist viel freier ist, nicht so standardisiert wie in Amerika…

Armer Michael Sembello! Da war er nun extra nach Deutschland gekommen – bloß um sich hier wieder jede Menge amerikanische Musik anzuhören. Der „Maniac“-Macher trug’s mit Fassung und hielt mit seiner Meinung nicht hinterm Berg…

RollingStones: „UndercoverOfThe Night“

„Ganz klar die Stones. Das ist nicht unbedingt meine Lieblingsmusik, ich hab die Rolling Stones von früher viel lieber. Ich habe großen Respekt vor ihnen als Legenden und vor der Tatsache, daß sie sich so lange im Musik-Geschäft gehalten haben. Das sind bestimmt wundervolle Jungs, aber es ist nicht meine Sorte Musik.“

Kim Wilde: „Dancing In The Dark“

„Die Sängerin habe ich bisher noch nie gehört. Das ist so eine Art technisierter R n B; Jede Menge Sequencer. Baß-Synthesizer. …Ich mag den Sound der Rhythmus-Gruppe, der Song selbst ist nicht so stark wie ein Tablett mit Essen, das man schön garniert hat mit viel Drumherum…

Das ist heute ein verbreitetes Problem: Du hast technisch großartige Pop-Gruppen, aber weder Künstler noch Songs haben echte Substanz. Mit der Technologie kannst du dafür sorgen, daß alles toll klingt. 1

Paul Simon: „Allergies“

„Das ist natürlich Paul Simon. Er singt von Allergien, damit habe ich auch Probleme. Er bekommt 100 Punkte von mir. weil er einen Song über Allergien gemacht hat – das ist wahrscheinlich eine der unromantischsten Sachen, über die man überhaupt schreiben kann. Niemand anderes würde so ein Thema jemals anfassen. Das ist so. als würde man über Hundescheiße schreiben.

Den Song als Song mag ich nicht sooo gern – ich mag mehr das Gefühl dahinter. Man weiß bei ihm nicht, ob er gerade in eine neue Richtung geht – oder ob ihm die Ideen ausgegangen sind. Aber ich kenn das. ich kann da mitfühlen…“

Waterboys: „December“ „Klingt, als wolle Bob Dylan Neil Diamond

kopieren. Jeder, der mit so einer langatmigen Einleitung daherkommt, sollte an die Wand gestellt werden. Das klingt wie eine Film-Musik mit Gesang: und wenn der Text irgendeinen Inhalt hatte, dann konnte ich ihn nicht verstehen.

Die Waterboys? Hoffentlich lesen sie das. Es gibt eine Menge Gruppen, die wie die Byrds oder Bob Dylan im Techno-Pop-Sound klingen, mit diesen wackligen Stimmen. Mich macht das nicht an. Wer braucht sowas? Da kann ich auch Fernsehen, da krieg ich immerhin noch Informationen…‘

Yes: „Owner Of A Lonely Heart“

„Klingt wie Yes. Wie heißt noch der Sänger? Jon Anderson: hab ich immer gemocht. Das ist wirklich interessant, klingt wie Heavy Metal-Latin. mit dem Bläsersound und dem Gemisch aus verschiedenen Elementen. Der Gitarrensound ist toll. Ich find das sehr kreativ – wir brauchen mehr von sowas, wo verschiedene Faktoren kreativ gemischt werden, statt immer wieder diese verschwommenen Sounds, die Chorus-Melodie ist gut – das müßte kommerziell gut laufen.“

Marilyn: „Calling Your Name“

„Klingt nicht wie eine amerikanische Gruppe. Klingt wie eine ausländische Band, die versucht, amerikanisch zu klingen. Ich kann mit solcher Musik nicht viel anfangen: Diese lauten Arrangements, der Gesang ist weit in den Hintergrund gemischt – und du hast keine Ahnung, worum es eigentlich geht.

Uninteressante Musik, diese halbherzigen Techno-Pop-Sachen werden kommerziell nicht mehr viel Erfolg haben. Die Nummer hat keine hooks. an die man sich erinnern kann.“

Paul McCartney: „Sweetest Little Show“

„Paul McCartney 1 Der kann für mich gar nichts verkehrt machen. Ist das von seinem neuen Album? Er ist so zeitlos, daß man schwer sagen kann, aus welcher Periode die Nummer stammt. Das könnte auch auf einem alten Beatles-Album sein. Wir brauchen in der Musik-Industrie mehr Leute wie ihn. Meiner Meinung nach ist er einer der wenigen, die wirklich alle musikalischen Stile in sich vereinen. Das beeindruckt mich immer wieder. 100 Prozent. 12 Sterne.“

Manus Müller-Westernhagen: „Jetzt Komm‘ Wir“

„Sehr interessant. Ein kommerzieller Song – egal in welcher Sprache – braucht einen hook. Und dieser hat einen! In vielen amerikanischen Sachen, die ihr mir vorgespielt habt, konnte ich keinen hook finden. Auch ein nettes Arrangement. Der Baß-Sound war echt gut – klang so. als hätten sie den Baß mit irgendwas gemischt. Piano oderso. Viele interessante Sounds und ein gutes Gefühl für Rhythmus. Wenns um Gefühle geht, gibt’s keine Sprachbarrieren.

Auch wenn s für meinen Geschmack sehr rauh und manchmal Heavy Metalmäßig klingt, ist es doch sehr kommerziell mit anderen Worten: Das könnte ein großer Hit werden – ich kann mich immer noch an die Melodie erinnern und den Klang der Worte; genau das sollte eine kommerzielle Platte bringen. Könnte genauso laufen wie Nena in Amerika, weils einen zwingenden hook hat.“

Joachim Witt: „Märchenblau“

„Das klingt wie eine Gruppe, nicht wie ein Solist. Es ist einer? Eine gute Disco-Platte; der Saxophonist war gut, ein bißchen Jazzorientiert: in Amerika würdest du sowas allerdings nie auf einer Tanz-Platte hören. Eine gute Tanzplatte. Das Arrangement war auch sauber- in den Staaten hättedas aber keine Chancen, dazu ist das Solo schon zu lang.“