Mit Ekseption durch Norwegen


Menschliche Probleme

„Ist es hart ein Popstar zu sein?“ Cor Dekker, Bassist der holländischen 5-Mann-Formation Ekseption, blickt mich etwas verwundert und nachdenklich an. „Na, weisst du, manchmal ist es schon ein harter Job, besonders, wenn zuhause Frau und Kind auf mich warten, die jedesmal heilfroh sind, wenn ich wieder auftauche!“ Das Gespräch über menschliche, persönliche und musikalische Probleme fand in einem der unzähligen Hotelzimmer statt, die man nach drei Wochen „on the road“ nicht mehr unterscheiden kann. An diesem Sonntagmorgen gegen zwei Uhr in der Früh fand unser Abschiedsgespräch statt. Was sagte Cor noch mal? Wir beide haben den gleichen Job und arbeiten für das gleiche Medium. „Ist es hart ein Journalist zu sein?“ Spätestens am Montag, wenn Ekseption in Bergen sein wird und ich wieder in der Redaktion sitze, werden diese 4 Tage vor meinem geistigen Auge Revue passieren.

Pressekonferenz im Osloer „Club 7“

Die erste menschliche Bekanntschaft in einem Land macht man meistens mit einem Zöllner. Mir erging es nicht anders. „Nein, ich hatte nichts zu verzollen“. Trotzdem musste ich meine Tasche auf den Kopf stellen und nachher wieder einräumen. Es war eiskalt in Oslo und die Taxifahrt wurde eine Schlittschuhfahrt auf Reifen. Doch für die uniformierten Fahrer (fast alle Taxifahrer tragen Uniform) schien Schnee und Eis eine Alltäglichkeit zu sein. Er brachte mich sicher in den Osloer Renomierschuppen „Club 7“. In dem Club herrschte ein babylonisches Stimmengewirr von mindestens 4 Sprachen. Die Pressekonferenz war von den ansässigen Tages- und Wochenzeitschriften gut besucht und immer wieder leuchteten Gesichter durch Blitzlichter kalkweiss erhellt auf. Rick van der Linden Organist von Ekseption, erklärte den Journalisten seinen neuen ARP-Syntheziser und die einzelnen Stationen der Norwegen-Tournee. Eine Stunde hatte der Organisator für die Presse-, konferenz veranschlagt. Doch die Stunde ging schnell vorbei und so stand die Gruppe schon unter Zeitdruck, als man mit 3 Taxen zum Osloer Bahnhof fuhr.

Fans, Fans, Fans

Es ging eigentlich nach Elverum, 380 km von Oslo entfernt, zugleich die 1. Station der Norwegen-Tournee. Es ist ein kleiner Ort mit ungefähr 15.000 Einwohnern, in den Bergen gelegen und mit Schnee eingepackt, der bis zu 2 Metern reicht. Als wir gegen Abend in Elverum ankommen, bleibt Ekseption wenig Zeit, sich umzuziehen und zu erfrischen. Die Roadies, Henk und Rene, sind schon am Morgen mit ihrem LKW losgefahren und haben die Anlage in Elverum aufgebaut. Die Ordner haben alle Hände voll zu tun, die enthusiastische Menge unter Kontrolle zu halten. Die Atmosphäre ist zum Zerplatzen gespannt. Hinter der Bühne herrscht Nervosität, Nico Spring in’t Veld drückt ebenso wie Ruud van Dulkenraad und ich beide Daumen. „Een, twee, drie“, Rick intoniert den Einsatz. Fast spielerisch gleitet „The Fifth“ aus seinen Fingern. Gekonnt und präzise das Zusammenspiel von Trompete und Saxophon. Rhythmisches Klatschen entsteht. Rick sagt etwas auf norwegisch, die 900 Leute lachen und amüsieren sich. Es herrscht eine menschliche Wärme im Saal und die Gruppe wird davon angesteckt. Nach diesem Konzert war uns allen klar, dass die ganze Tournee ein grosser Erfolg werden würde. Ekseption stossen in ein Vakuum und sie selbst sind es, die es füllen.

Akustische Probleme

Nach dem Konzert Gespräche über den Klang im Kino und ob doch nicht eine bessere Akustik möglich gewesen wäre. Ja, 100 % ist man nicht mit sich zufrieden, jedoch mit den Norwegern. Und soll noch mal jemand sagen, die Leute im Norden wären kalt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Trotzdem hätte die Akustik besser sein können. Der Organisator ist fast sprachlos vor Begeisterung. Er kannte die Gruppe nur von der Schallplatte und es überraschte ihn, dass Ekseption live noch mehr Atmosphäre ausstrahlen kann. Wie Schlagsahne mit Honig fliesst es ihm über die Lippen: „Ihr seid grossartig!“ Dick, der Saxophonist, grinst in sich hinein. Morgen in „Strondheim“ wird es noch besser laufen. Die Roadies nehmen am nächsten Morgen mein Reisegepäck mit auf den grossen 600 km Treck nach Trondheim. Der Organisator umsorgt uns wie die Glucke ihre Kücken. Es wird eine gemütliche Zugfahrt, die uns 6 Stunden durch verschneite Wälder und einsame Gegenden führt. Als wir am Abend in Trondheim ankommen, kommt es zu einem Missverständnis.

Verloren und wiedergefunden

Mein Einwurf, dass ich noch Filme brauchte, hatte in der Eile keiner verstanden, und so stehe ich also plötzlich einsam und verlassen vor dem Trondheimer Bahnhof. Um mich herum nur fremde Gesichter und von Ekseption weit und breit keiner zu sehen. Doch da alle Taxen mit Funk ausgerüstet sind, fragte ich den Fahrer, er solle in der Zentrale nachhören, wohin zwei Taxen mit 8 bunten Leuten gefahren wären. Das norwegisch, was nachher aus dem Lautsprecher sprudelte, verstand ich zwar nicht, aber das Grinsen, mit dem der Fahrer den Gang einlegte. Er brachte mich sicher in den Schoss der Gruppe zurück, die sich schon über mein Verschwinden Gedanken gemacht hatten.

Konzert im „Studentersamfunnet“

Am späten Nachmittag ist Ekseption schon im Konzertsaal, und mit Überprüfen der Anlage vergeht schnell die Zeit bis zum Konzert. Der Saal ist von der Akustik her grossartig und alles verspricht gut zu werden. Es ist ausschliesslich eine Veranstaltung für Studenten und das ganze Haus mit Discothek, Trinkhallen und Imbissständen wird auch von Studenten verwaltet. Pünktlich um 20.00 Uhr fährt der klassische Zug ab. „Ave Maria“, was Ekseption neu in ihr Programm aufgenommen hatten, lässt die 1.200 Personen verstummen. Man hört nur den glockenreinen Ton des Supraninos und die gedämpfte Begleitung des Schlagzeuges. Die Menge wird durch die unterschiedlichen Titel hin- und hergerissen. Die Skala reicht von andächtig bis enthusiastisch. Ekseption steigert sich bis zum geht-nicht-mehr. Nach dem Konzert sitzen wir noch zusammen und diskutieren über Norwegen, die Menschen und die Musik. Im Hotel wird die Unterhaltung fortgesetzt. Es ist mittlerweile 2.00 Uhr morgens. Und auch Cor Dekker ist nicht mehr der frischeste. In spätestens 6 Stunden bin ich auf dem Weg nach Köln und Ekseption in spätestens 24 Stunden in Bergen. Cor Dekker schüttelt den Kopf und sagt zu mir, „Sollen wir tauschen?“ Aber damit hätte keiner von uns etwas gewonnen. Ich schlafe ein, fast ein Schlaf eines Gerechten. Chazadü Fans, Fans, Fans, Es ging nach Elverum, 380 km von Oslo.