Nina Hagen: Senden, Gorki Park


Jahrelang tingelte sie durch Underground-Clubs – jetzt stellt sich Nina Hagen wieder der breiten Öffentlichkeit. Ort der Live-Premiere ihrer Tour ’89: Ninas frisch eingeweihte Discothek „Gorki Park“ in Senden bei Ulm.

Am 13. September öffnete der 1000 Quadratmeter große „Gorki Park“, der Nina und zwei Kompagnons gehört, seine Pforten fürs Publikum. Das erste Konzert im Tanzschuppen ging denn auch als Baustellen-Party vor geladenen Gästen über die Bühne, und passend dazu war auch Nina Hagens Bühnenpräsentation noch im Rohstadium. Kein Wunder: Sie war erst ein paar Tage vorher aus dem Jamaika-Urlaub zurückgekommen und hatte das Set gerade dreimal mit ihrer neuen Band erprobt.

Der Professionalität dieser Musiker, die auf solistische Eskapaden verzichteten, verdankt es Nina, daß sie ihr Live-Debüt nicht in den Sand setzte. Curt Taylor heißt der Gitarrist, der ansonsten im Dienst von Whitney Houston steht. Den Baß bedient John K.. bekannt von Cyndi Laupers Band. Keyboarder Atticus Fink arbeitete bereits für Aretha Franklin, und der dunkelhäutige Schlagzeuger Tony Thunder Smith kann David Sanborn sowie Jan Hammer als Referenzen anführen.

Mit dieser Band stellt Nina Hagen in ihrer Senden-Show ihre neue LP komplett live vor (Ausnahme: „Live On Mars“). In diesen überwiegend englisch gesungenen Titeln offenbart sich auch ihr Drang zur angloamerikanischen Karriere; mit deutschen Tönen hat das DDR-Alien heutzutage kaum noch etwas im Sinn. Stattdessen heißt das Konzept: internationaler Rap’n’Roll.

In diesem Rahmen präsentiert sich Nina auf der Bühne in Top-Form. Stimmlich ist sie ganz die Alte, ein einzigartiger Vokal-Kobold; als Performerin wirkt sie konzentriert und engagiert. Sie taucht ganz in die Songs ein und singt, als ginge es um ihr Leben. Und sie zelebriert ihr Konzert als rasante Tour de Force mit blitzschnellen Kostümwechseln. Das 34jährige Chamäleon spielte in „New York, New York“ eben noch die Disco-Domina im schwarzen Lack-Einteiler, taucht mit „What It Is“ im Mini plus Neon-Jacke mit Haifischflossen-Applikationen auf und kommt zum Finale mit „Ave Maria“ im Maxi-Kleid und mit Langhaar-Perücke plus Baskenmütze auf die Bühne.

Das bringt wenigstens fürs Auge Abwechslung. Denn Ninas kräftezehrender Einsatz kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das ganze Spektakel (ähnlich wie die neue Platte) doch recht seelenlos wirkt. Auch die geladenen Gäste scheinen mit der neuen Nina nicht viel anfangen zu können. Mehr wohlwollend und höflich als begeistert fällt denn auch der Applaus aus. Echte Stimmung im Saal entsteht nur bei der Mitsing-Nummer „Wenn ich ein Junge war'“, während Nina ihren Höhepunkt wenig später mit dem Gänsehaut-Gospel „Hold Me“ erreicht.

Es überrascht jedenfalls, daß die routinierte Entertainerin live keinen Kontakt zum Publikum findet. Aber sie sucht ihn auch nicht, sondern peitscht die Präsentation gnadenlos durch. Auf der Strecke bleiben die Zuhörer – niedergepowert von Ninas meist aggressivem Mix aus Black Music und hartem Rock. Einige Verschnaufpausen hätten allen Beteiligten gut getan.