Noel Gallagher


Der Ex-Chef von Oasis tritt mit den High Flying Birds zu seinem einzigen Deutschlandkonzert 2011 im Kölner Palladium an und überzeugt mehr durch akustische als physische Performance.

Als Oasis Ende August 2009 ihre Trennung bekannt geben, sind die Reaktionen seitens der Fans sicherlich nicht mit denen der vor sich hin pubertierenden Girlies beim Split von Take That 1996 zu vergleichen. Dennoch hat die Auflösung so manchen ein wenig verzweifelt zurückgelassen. Immerhin haben Oasis Musikgeschichte geschrieben und mit ihren brüderlichen Streitereien die Schlagzeilenhitliste der Gazetten angeführt.

Umso erfreulicher, dass mit zwei Gallagher-Brüdern auch gleich zwei neue Bands anstreben, die Lücke zu füllen. Den Anfang machte im Februar Liam mit Beady Eye und einem soliden, wenngleich nicht wegweisenden Album. Seit Oktober steht mit Noel Gallagher’s High Flying Birds nun auch der große Bruder mit einer doch überzeugenderen Platte in den Läden. An einem Sonntagabend Anfang Dezember stellt Noel dieses Werk beim einzigen Deutschlandkonzert in Köln vor – die Berliner, Hamburger und Münchner müssen sich noch bis zum Frühjahr gedulden.

Und Geduld ist tatsächlich gefragt, sei doch an dieser Stelle schon verraten, dass Noel und die anderen Vögel an diesem Abend ein in sämtlichen Belangen überzeugendes Konzert abliefern. Wegen großer Nachfrage vom E-Werk ins gegenüberliegende Palladium verlegt und auch hier ausverkauft: 4 000 Menschen, darunter der eine oder andere Pilzkopf, zahlreiche krampfhaft britisch aussehen wollende Neo-Mods, die typischen Schleimer im Manchester-City-Trikot, aber auch gefühlt jeder im Umland ansässige Engländer auf der Suche nach einem Stück Heimat im Exil. Im Übrigen ist ein enormer Männerüberschuss zu verzeichnen. Das Geschlechterverhältnis dürfte bei den Konzerten von Womanizer Liam etwas ausgeglichener gewesen sein. Oasis-Fans sind sie jedenfalls alle, der Großteil hatte wohl auch Beady Eye früher in diesem Jahr einen Besuch abgestattet, sodass man während des Konzerts und danach so manchen Gast Vergleiche ziehen hören kann – die alle restlos pro Noel ausfallen.

Nach einem netten, aber auch etwas bedeutungslosen Vorspiel von The Electronic Soft Parade betreten Noel und seine vier Mitstreiter pünktlich um 21 Uhr die Bühne des Palladiums. Zwar sind diesem Konzert schon einige in Übersee und Großbritannien vorausgegangen, dennoch scheint sich Noel, bei Oasis stets der Mann am Rand und zumindest auf der Bühne im Schatten des kleinen Bruders, an seine neue Rolle als Frontmann noch nicht so ganz gewöhnt zu haben. Die Gitarre fest im Griff, wird er über die nächsten eineinhalb Stunden zumindest physisch keine besonders aufregende Performance hinlegen.

Der Rest der Band auch eher unaufgeregt – einer im „A Clockwork Orange“-Look (Schlagzeug), ein anderer (Gitarre) wie eine britische Ausgabe von Jogi Löw, obwohl er der einzige Amerikaner auf der Bühne ist. Mehr als ein „Hi“ hat Noel fürs Publikum dann erst mal nicht übrig, ehe er vor dem riesigen Bandlogo aus LED-Lichtern direkt die ersten Töne von „(It’s Good) To Be Free“ anstimmt.

Insgeheim hatte wohl ein jeder auf das eine oder andere Oasis-Stück gehofft. Dass es jedoch direkt mit „Mucky Fingers“ und damit einer weiteren Oasis-Nummer weitergeht, wirkt fast ein wenig feige. Schließlich dürfte Noel aus der Vergangenheit wissen, dass Oasis-Fans textsicher sind und die Songs von Anfang bis Ende mitsingen. Das auszunutzen, um sein Solo-Programm auf sichere Füße zu stellen, ist vielleicht diskussionswürdig. Schließlich wäre es überhaupt nicht nötig gewesen, denn als er mit „Everybody’s On The Run“ das erste Stück vom neuen Album spielt, sind die Chöre lauter als zuvor, und es scheint, als beginne erst jetzt das eigentliche Konzert.

Es folgen einige weitere Stücke der High Flying Birds, alle in der vom Album bekannten Reihenfolge, dafür aber weitaus kraftvoller – beinahe stadiontauglich – und um einiges enthusiastischer als auf Platte. Hervorzuheben sind hier das schwelgerische „If I Had A Gun …“ und das poppige „The Death Of You And Me“. Mit „Freaky Teeth“ gibt es dann auch noch ein gänzlich neues Stück, dem man zunächst auf Fanseite skeptisch gegenübersteht, ehe man es ebenso frenetisch feiert wie den Rest. Ob es Noels Schüchternheit, seiner mangelnden Erfahrung als Showman oder seiner Arroganz zuzuschreiben ist, dass er so gut wie keine Ansagen macht, sich, wenn überhaupt, nur wortkarg bedankt – man weiß es nicht.

Die Oasis-Klassiker „Wonderwall“ und „Supersonic“ sorgen in Akustikversionen für Begeisterungsstürme und Gänsehaut. Danach kommen neben „(I Wanna Live In A Dream In My) Record Machine“ und der Techno-Hommage „AKA … What A Life!“ drei weitere Songs der Soloplatte, sowie mit „Talk Tonight“ und „Half The World Away“ zwei Oasis-B-Seiten, ehe das Ende des Konzerts oder vielmehr: die kurze Pause vor der Zugabe eingeleitet wird. Diese hält dann noch dreimal Oasis in Folge bereit. Insbesondere „Don’t Look Back In Anger“ als programmatischer Abschluss ist klug gewählt und hinterlässt 4 000 vor Glück glühende Gesichter, denen auch der nach Verlassen der Halle auf sie niederprasselnde Dezemberregen nichts anhaben kann.

Fazit: So positiv das Publikum auch Noels Solomaterial aufgenommen hat, am Ende waren es wohl doch die alten, insgesamt neun Oasis-Nummern, die zählten. Kein Wunder also, dass Liam für die Tour zum geplanten zweiten Beady-Eye-Album ein ähnliches Konzept plant und erstmalig seit 2009 wieder Songs aus dem Oasis-Katalog präsentieren will.

SetList

(It’s Good) To Be Free

Mucky Fingers

Everybody’s On The Run

Dream On

If I Had A Gun …

The Good Rebel

The Death Of You And Me

Freaky Teeth

Wonderwall

Supersonic

(I Wanna Live In A Dream In My) Record Machine

AKA … What A Life!

Talk Tonight

Soldier Boys And Jesus Freaks

AKA … Broken Arrow

Half The World Away

(Stranded On) The Wrong Beach

Zugabe:

Little By Little

The Importance Of Being Idle

Don’t Look Back In Anger