Öfter mit der Ruhe


Für das große Hyperventilieren sehen sich Fujiya & Miyagi nicht in der Zuständigkeit.

Natürlich geht es in diesem Leben durchaus auch mal darum, richtig aus sich herauszugehen, Dinge zu überdrehen und ein Stück weit dem Wahnsinn zu verfallen. Dann kommen LCD Soundsystem mit ihrem Hochgeschwindigkeitsfimmel, Justice mit ihrer Kompressionsdröhnung oder Gossip mit ihrer Kontrollphobie gerade recht. Nur ist das Leben furchtbar langweilig und berechenbar, wenn man immer nur durchknallt. Man muss auch mal zurückschalten und Momente der Ruhe genießen können. Und für genau solche Augenblicke ist die Musik von Fujiya & Miyagi gemacht.

Eigentlich könnte diese Band richtig Alarm machen, wenn sie wollte. Fujiya & Miyagi bestehen im Kern aus Sänger/Gitarrist David Best und Keyboarder Steve Lewis, dazu greifen Matt Hainsby zum Bass und Lee Adams zu den Trommelstöcken. Eine echte Rockbesetzung also. Aber dann dies: Best flüstert uns auf dem Album lightbulbs was, Lewis lässt die Maschinen surren, und die Rhythmusgruppe bleibt auffällig entspannt. Man muss sich das etwa so vorstellen, als hätten sich da ein paar Hyperventilationsapostel nach einer langen Disconacht hingesetzt und mit Serge Gainsbourg eine Schachtel geraucht. Wenn man sich mit Best unterhält, wird schnell klar, dass die Zurückhaltung der Band nicht gespielt ist. Die sind so. David Best: „Ich bin jetzt 34 Jahre alt, da verspürt man nicht mehr die Wut, die man mit 21 hat. Wenn wir uns jetzt mit Gewalt wie eine wilde Meute aufführen würden, klänge das doch einfach bloß verzweifelt. Es gibt schon genügend Berufsjugendliche da draußen, also lassen wir das.“

Als sich Best und Lewis zum ersten Mal trafen, waren sie acht Jahre jünger. Wie es sich für richtige Engländer gehört, gingen sie sonntags zum Bolzen, zu Hause in Brighton. Beide waren dort schon länger in lokalen Bands und Projekten verstrickt. Über den Weg waren sie sich bislang nur deshalb nicht gelaufen, weil sie stilistisch in sehr unterschiedlichen Richtungen unterwegs waren. Best hatte es mit Gitarrenbands, Lewis war ein Elektronikfanatiker mit Vorliebe für Aphex Twin und Carl Craig. Aber es gibt ja den alles verbindenden Fußball, und so brachte die beiden eine hitzige Diskussion über ein Tackling zuerst auf die Palme und wenig später zusammen. Heute noch spielt der Kickerbezug bei ihnen eine Rolle, einer der bekannteren Songs von Fujiya & Miyagi heißt „Ankle Injuries“ (Knöchelverletzungen). Indes: Aufdringliches Stadiongedöns überlassen sie dann doch lieber den Kaiser Chiefs oder Pigeon Detectives. Best mag einheimische Popmusik sowieso nicht: „Englische Gitarrenbands klingen doch seit den Beatles und Stones alle mehr oder weniger gleich, sie machen bloß Karaoke. Das kann doch nicht ernsthaft alles sein das dachte ich mir schon in meiner Jugend. Ich wollte andere Musik hören und entdeckte deutsche Bands wie Can, Neul und Faust. Ihr Zeug hörte sich mysteriös und fast ein wenig verboten an. Man ist ja mit der Vorstellung aufgewachsen, dass Deutsche so was nicht draufhaben und dann das! Wahnsinn!“

Ende November hat er Gelegenheit, sich intensiver mit unserer Kultur zu beschäftigen, denn da treten Fujiya & Miyagi in sechs deutschen Städten auf. Hoffentlich klappt das auch. Seinen Promotrip musste Best vor Kurzem ausgerechnet wegen Gicht absagen. Zum Glück konnte er die Krankheitssymptome durch Ernährungsumstellung wieder verscheuchen. In aller Ruhe, versteht sich.

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albumkritik me 11/os