Ost-Premiere: Die Toten Hosen


LEIPZIG. Diese Halle ist das allerletzte, das ist amtlich. Leipzig. Messehalle 1: Hoch wie ein Airbus-Hangar, kalt wie die Katakomben und alles in allem ein Gebäude mit dem Charme eines LPG-Getreidesilos. Nichts als Hall in den Höhen und Schall in den kaum vorhandenen Bässen, nichts als ein elender Soundbrei im Saal, wie ihn selbst der sturzbesoffen überm Mischpult einnickende Mixer der Amateur-Punkcombo „Die Pinkelnden Busfahrer nicht schauderhafter hinbekommen hätte.

Bedingungen, vor denen so ziemlich jede Band kapitulieren würde. So sie nicht Die Toten Hosen heißt. Campino. Breiti, Kuddel und Co. nämlich, anläßlich der „Learning English“-Tour zum ersten Mal offiziell in einer Ost-Halle, nahmen die Härte als Herausforderung. Mit dem „Blitzkrieg Bop“, „Opel-Gang“ und „Glückspiraten“ geben sie der ausverkauften Halle die Sporen. Das Tempo ist höllisch. Zu Dutzenden winken die Ohnmächtigen in den ersten Reihen ab, der Sanitätsdienst kommt kaum zum Luftholen. Der ¿ DAVID BYRNE „unplugged“, seiner urbanen Funkgrooves und Latinrhythmen beraubt? Eigentlich undenkbar. Und doch gestaltete der scheue Ex-Talking Head-Chef in der Hamburger Alten Synagoge ein Mini-Konzert vor geladenen Gästen — nur mit Akustik-Gitarre, und Rhythmusmaschine. Oberraschende Erkenntnis: Dank seines Charismas und der wandlungsfähigen Stimme funktionierten die Songs vom neuen Album „Uh-Oh* auch in der abgespeckten Version. Und Byrne hatte sichtlich Spaß an diesem Striptease, (dkj

Pott-Punk läßt den Putz blättern und die Hallengruft zittern. Kein Grund zur Beruhigung.

Zwar ist wegen der miesen Akustik von den Texten kein Wort zu verstehen, aber das ist auch egal. „Uns jedenfalls“, entschuldigt sich Campino achselzuckend. Den Leuten erst recht. Die hüpfen, springen und feiern vom ersten Takt an, kennen ansonsten eh jede Zeile auswendig und brüllen sie begeistert mit.

Doch auch die Hosen sind in Hochform. Campino wie gewohnt im Stile des nimmermüden Einpeitschers vornweg, zwischen den Stükken mit seiner Meinung über ,.Faschos, Skins und andere Irre“, die gerade am selben Vormittag mit behördlicher Genehmigung durch Leipzig marschiert waren, nie hinterm Berg haltend; hinter ihm der Rest der dröhnenden Altkleidersammlung — kompakt, präzis und druckvoll in jedem Moment. Was den Hosen in Leipzig trotz Grönemeyer-mäßiger Anlage an klanglicher Brillanz fehlt.

machen sie durch verstärkten Einsatz wen. Andi. Breiti und Kuddel bleiben unablässig in Bewegung, Wölli prügelt die Felle wie ein Wahnsinniger, Campino besteigt die Boxentürme, klettert die Lichtmaste rauf und runter und hängt auch schon mal kopfüber an den computergesteuerten Spot-Batterien. Atemlos, aber nie wortlos.

Zu den unvermeidlichen Zugaben holen sich die Hosen dann noch einmal die Altvorderen von 999 und den Lurkers herein. „Nasty, Nasty“ gibt es nun und nach zwei Stunden „Born To Loose“ als Krönung obendrein. Dann sind die Hosen fertig, und fertig sind auch die längst kollektiver Heiserkeit verfallenen Fans. Die Toten Hosen aber haben den Sachsen bewiesen, daß es nur zwei Sorten Musik gibt.

Gute und schlechte.