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„Outlaw King“ auf Netflix: Selbst gekürzt noch zu lang


Nach negativen Kritiken wurde der Netflix-Film stark gekürzt, überzeugen kann der inoffizielle „Braveheart“-Nachfolger zum weltweiten Start aber immer noch nicht.

Auf dem Filmfestival von Venedig wollte Netflix im Spätsommer 2018 endlich das Prestige einfahren, welches dem Streaming-Portal immer noch fehlt. Große, von Kritik und Publikum geliebte Filme sind bei Netflix nämlich immer noch Mangelware. Venedig sollte da einen Wendepunkt darstellen, mit dem 40 Jahre nach dem Dreh fertiggestellten Welles-Film „The Other Side of The Wind“, „22. Juli“, dem Drama über den Terroranschlag von Utøya und Oslo sowie dem Historiendrama „Outlaw King“ wurden gleich drei Filme äußerst prominent auf einem der größten Festivals der Welt platziert. Preise und viel Prestige blieben aber dennoch aus, was die Verantwortlichen beim US-Konzern ärgern wird. Die Zuschauer trifft es aber noch härter, denn keiner der drei Filme hält, was er verspricht.

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Während „The Other Side of The Wind“ eher zum kleinen Nerd-Fest gerät, das der Streaming-Dienst zum Start nicht einmal selbst großartig beworben hatte, erstickte Paul Greengrass‘ „22. Juli“ an seiner eigenen Unnötigkeit. „Outlaw King“ hätte nun aber ein wahrer Crowd-Pleaser werden sollen, erzählt er doch immerhin die Geschichte der Schotten, nachdem William Wallace (wir alle haben „Braveheart“ gesehen) von den Engländern hingerichtet wurde.

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Für David Mackenzie, Regisseur des Indie-Hits „Hell or High Water“, ist „Outlaw King“ anscheinend ein Herzensprojekt, der 52-Jährige wurde in Schottland geboren und wollte deshalb unbedingt den Unabhängigkeitskampf seiner Ahnen bebildern. Als Hauptdarsteller für Robert Bruce, der die Schotten 1314 zur entscheidenden Schlacht von Bannockburn führte und dort das englische Heer besiegt, konnte Chris Pine gewonnen werden. Dieser bemüht sich hier zwar um seinen besten Akzent und spielt mit von ihm selten gesehener Körperlichkeit, kann „Outlaw King“ aber nicht retten. Denn Mackenzies Film hat ein Problem, das dem Regisseur seit Venedig auch selbst mehr als bewusst ist.

Kaum Dreck, kaum Authentizität

Nach der Premiere auf dem Filmfestival war sich ein Großteil des Publikums einig: „Outlaw King“ ist zu lang und dadurch viel zu langweilig. Mackenzie – und das muss man ihm sehr hoch anrechnen – reagiert nicht zickig, sondern setzte sich vor dem Netflix-Start noch einmal an den Schnitt und kürzte seinen Film um amtliche 20 Minuten. In der nun auf Netflix erschienenen Version ist dies vor allem in den letzten Momenten zu sehen, wenn Texttafeln schon über den Bildschirm flattern, während der von Chris Pine gespielte Schotte Bruce noch auf dem Schlachtfeld kniet und einen Sterbenden in den Armen hält. Nicht die einzige Szene, in der sich „Outlaw King“ selbst seiner Kraft beraubt.

Vor der finalen Schlacht, gefühlt hatte Mackenzie auch nur auf gewalttätige Szenen Lust, zieht viel schottische Geschichte vorbei. Robert wird König, die Engländer übernehmen Burgen, die Schotten erobern sie zurück. Das Hin und her ist zwar alles andere als uninteressant, stilistisch aber oft hart an der Grenze zur Dokumentation mit Einschüben von „historical reenactment“. Manchmal erwartet man förmlich einen Historiker, der ins Bild geschnitten wird und die Ereignisse nun für den Zuschauer einordnet.

Es fehlt an mitreißendem Dialog, an kraftvoll gespielten Schicksalsschlägen und schlichtweg an Dreck und Authentizität. „Outlaw King“ sieht in jeder Szene nach Set, nach Kulisse, also eben nach Film aus. Und das macht ihn trotz aller Kürzungen zur Geduldsprobe.

„Outlaw King“ läuft seit dem 9. November auf Netflix.