OVERGROUND RESISTANCE


Ema Jolly alias Emika protestiert mit einem Pop-Album gegen politische Unterdrückung und die Berliner Techno-Szene.

Pop hat so sehr gefallen an Dubstep gefunden, dass sich ein Dubstep-Act schon sehr abgrenzen muss, um seine Platten nicht im Pop-Regal wiederzufinden. Beim Debüt von Ema Jolly alias Emika bestand diese Gefahr noch nicht. Als 2011 EMIKA erschien, waren Pop und Dubstep weit davon entfernt, so intim miteinander zu sein wie heute. Außerdem war Emika über alle Zweifel erhaben: Ihr Album war düster, basslastig, komplex, hart und bis in die letzte High-Hat ausproduziert.

Es war die logische Konsequenz aus der Umwelt seiner Schöpferin. „Ich zog von England nach Berlin, kam mit Techno in Berührung und fing an, bei der DJ-Technik-Firma Native Instruments zu arbeiten. Ich wollte mich in einer Firma behaupten, wo sonst hauptsächlich ältere und smarte Männer arbeiten. Ich färbte mir die Haare schwarz, lernte Deutsch, ging jeden Tag arbeiten und wurde eine gute Sounddesignerin. Dabei habe ich einen Teil von mir verloren“, sagt die gebürtige Tschechin.

Hätte sich Emika mit ihrer Szene bewegt, ihr Klang wäre auf ihrem zweiten Album wohl noch vertrackter, noch radikaler und technischer geworden. Stattdessen nahm sie DVA auf: elektronisches Songwriting mit melodischen Subbässen und hohen, sich überlagernden Stimm-Ebenen. Ein Pop-Album. DVA ist der Bruch mit der Szene. Im Berliner Auskenner-Plattenladen Hardwax, sagt sie, sei man verblüfft gewesen: „Oh… Pop?“ Aber Emika hatte genug vom Expertentum. „Das erste Album bestand zu 60 Prozent aus Sounddesign und nur zu 40 Prozent aus Songs. Ich habe so viel Zeit mit der Kompression jeder einzelnen Kick-Drum verbracht. Fuck it! Was war aus meiner Musik geworden?“ Also ging sie nach Hause und nahm ein Album mit dem auf, was sie hatte: Musik-Software, ihre Stimme und eine klassische Musikausbildung.

Das Sujet des Albums geht tiefer, als der erste Eindruck vermuten lässt. DVA steht nicht etwa für „Diva“, sondern ist das tschechische Wort für „zwei“. Emika fischt im dunklen Wasser ihrer Vergangenheit. Es geht um die Flucht ihrer Mutter aus dem kommunistischen Prag und um die Zensur in den Staaten des Ostblocks. Im Opener „Hush“ hat sie die Geschichte der Generation ihrer Eltern aufgeschrieben, die vom Regime zum Schweigen gebracht wurde. „Meine Mutter schweigt bis heute. Also habe ich mir die Worte ausgedacht, die ich gerne von ihr gehört hätte.“

DVA ist ein Pop-Protest gegen die Dogmen des elektronischen Undergrounds und der Techno-Avantgarde – damit hat Emika das experimentellste Album der Szene gemacht.

Albumkritik ME 7/13