Pavement


Hochgeschätzte Tiefstapler: Fünf kalifornische Anti-Helden sind die lässigen Lieblinge der College-Gemeinde. Dabei wissen Steven Malkmus und Co. selbst nicht, wo's eigentlich langgeht. Das allerdings ganz genau

Blauer Dunst hängt in der Luft des Kölner Cafes ‚Central‘. Es wimmelt von Typen, die so gestylt sind wie die Popstar-Abziehbilder von MTV. Welch ein Kontrast zu Steven Malkmus, der – grüne Wollstrickjacke zu grünem Wollstrickpulli – den Eindruck erweckt, als habe er sich verlaufen.

Malkmus wirkt distanziert, Journalisten flößen ihm Mißtrauen ein. „Die tauchen bei mir zu Hause auf und wollen alles mögliche über mein Privatleben wissen, das geht mir ziemlich auf die Nerven.“ Der Pavement-Sänger kann das Interesse an ihm und seiner Musik offenbar nicht nachvollziehen: „Ich habe nie geglaubt, daß unsere Platten irgendeine Bedeutung haben.“ Derartige Under-Statements begründen das Image von Pavement. Wie keine andere Indie-Band, die die Langeweile der US-Mittelklasse bekämpft, spiegeln die fünf Twenty-Somethings aus Kalifornien das Gefühl der Nutzlosigkeit wider. Pavement geben vor, keinerlei Ambitionen zu haben. Befreit vom Druck, eine Message, eine Antwort, einen neuen Stil zu erfinden, kreierten sie bislang eine brillante Mixtur aus Rock-Referenzen, die man in dieser Lässigkeit noch nicht gehört hatte.

Die Presse jedenfalls überschlug sich. „Ja“, gibt Malkmus widerwillig zu, „es gab ziemlich viel Resonanz, wenn auch nicht in Amerika. Dort verschwanden wir hinter den Titelstories über Soundgarden.“ In Deutschland dagegen jubelten die Medien. Die ‚Frankfurter Rundschau‘ entdeckte die „beste Band der Welt“, ‚Spex‘ rief wieder einmal die Zukunft des Rock’n’Roll aus. Tatsache ist: Pavements letzte Platte fand in Deutschland immerhin 28.000 Käufer.

Malkmus, der meist so tut, als gehe ihn nichts etwas an, weiß die Dollars zu schätzen. Eigentlich, gibt er zu, würde er gerne sein eigenes Reitpferd im Stall haben und hätte auch „nichts gegen ein Eigenheim“. So läßt er sich zur Vermarktung des neuen Produkts sogar um die Welt schicken, was ihm eigentlich stinkt: ein notwendiger Teil des Geschäfts, wenn man entschlossen ist, die berufliche Alternative zum Tierarzt („mein erster Wunsch“) in bare Münze umzusetzen.

Auf der Bühne pflegt der gebürtige Los Angelino den schrägen Ton, zersingt Melodien bis zur Parodie, gefällt sich in der Rolle des Chamäleons. Auf dem Bürgersteig des Alltags hängt der 28jährige jedoch ganz bürgerlichen Gedanken nach: „Ich denke an eine Familie und wie es wäre, Kinder zu haben“, sagt er mit emotionslosem Ton. Begeisterung ist für ihn offenbar ein Fremdwort.

Dabei ist das aktuelle Studiowerk nach einer euphorischen, alten Hippie-Floskel benannt: ‚Wowee Zowee‘. „Mein Bruder sagt es öfter, ich habe es einfach aufgeschnappt.“ Satzsplitter, beiläufige Beobachtungen, Anspielungen, das sind die Werkstoffe, die TV-Vielseher Malkmus wie ein Cutter verschneidet. „Ich gehe cineastisch vor; wenn ich Texte schreibe, visualisiere ich meine Gedanken und vermische sie mit platten Klischees.“ Die Überzeichnung eines distanzierten Intellektuellen? „Wir sind keine Zyniker“, erklärt Malkmus, „wir nehmen unsere Musik ernst, auch wenn wir historische Strukturen aufgreifen. Manchmal möchte ich eben wie ein Vamp klingen oder wie ein Transvestit, es ist eine Form von verstecktem Exhibitionismus, den ich auf der Bühne auslebe.“

Nur eine Rolle möchte Malkmus nicht spielen. Die des Popstars. „Ich habe keine Vision vom Rock’n’Roll, keiner von uns hat eine Message, das entspricht nicht unserem Alltag. Wir alle leben ziemlich chaotisch.“ Als Ausgleich dafür zieht es ihn ins provinzielle Idaho, wo er vor seinem Mietshaus die Landluft genießt. Und wenn ihn das große Gähnen überfällt, schnappt er sich ein Pferd oder fährt hinaus zum Salmon-River, um beim Angeln zu meditieren. „Ich mag es, stundenlang ins Wasser zu schauen.“ Fishermans Friend Malkmus ist nicht der Typ, der angelt, um zu töten. „Es gibt ja kaum noch Lachse dort“, nuschelt er und richtet seinen Blick für einen Moment auf: „Manchmal bringe ich aber ein paar gute Songs mit nach Hause.“