Pavement und Stephen Malkmus: Die wichtigsten Alben im Ranking
Welche Platten lohnen sich so richtig und welche kann man eher ignorieren? Hier erfahrt ihr mehr.

Mit Pavement erfand Stephen Malkmus den Indie-Rock nicht neu, aber gab ihm einen smarten Dreh; zeigte, dass Pop-Appeal und heiliger Lärm sich nicht ausschließen.

DIE GROßWERKE
Pavement – Slanted And Enchanted (1992)
Der Urknall. Pavement haben für ihren Antirock bei Sonic Youth ebenso gelernt wie bei early R.E.M.: Das Pisscoole, Schleichende von Kim Gordon und ihren Kollegen wird bei ihnen aber in den Teilchenbeschleuniger geworfen, das Nachdenkliche der Band aus Athens, GA, durch smarte Albernheit ersetzt. In einem Jahr, in dem die ganze Welt noch nach Seattle schaut, kommt aus Stockton, California, dieser Garagen-Sound, dem alles Epische, alles Hymnische abgeht, der knarzt und brummt und in den Ohren schleift, der so klingt, als hätte ihn jemand zwischen zwei Bier und etwas Kiffe aus dem Ärmel geschüttet. Von wegen. „You think it’s easy, but you’re wrong“, singt Malkmus in „Zurich Is Stained“ . Eine der großen Platten der 90er-Jahre.
Sechs Sterne
Pavement – Crooked Rain, Crooked Rain (1994)
Dass Pavement mit ihrem Debüt eine, nun ja, große Band wurden, hat sie selbst vermutlich am meisten überrascht. Das zweite Album klingt entsprechend überlegter, räumt den Noise nicht beiseite, aber besser in die einzelnen Songs ein, zitiert Velvet Underground und Folk und erlaubt Malkmus nicht der Freak, sondern der Erzähler zu sein. In „Range Life“ gibt er – bzw., gerne missverstanden: die Erzählstimme des Songs – den Smashing Pumpkins und den Stone Temple Pilots einen mit, in „Cut Your Hair“ erzählt er von all den Adabeis, die seine Wege kreuzen: „Bands start up each and other day. I saw another one just the other day.“ Er macht keinen Hehl daraus, wie egal ihm das ist.
Fünfeinhalb Sterne
Pavement – Terror Twilight (1999)
„An dem Moment, an dem wir uns gerade befinden, ist Pavement-Musik Stephen Malkmus“, sagte Bob Nastanovich 1999 in einem Interview. Vier Typen also, die sich bemühen, die Songs, die ihnen da aus Portland, wo Malkmus mittlerweile lebt, geschickt werden, möglichst hübsch zu kleiden. Ein weiterer hilft: Mit Nigel Godrich verordnet Domino-Chef Laurence Bell der Band eine Art externen Berater. Einer, der sich den Namen von Nastanovich, so erinnerte der sich später, nicht merken konnte und ein paar Drumspuren von Dominic Murcott (High Llamas) aufnehmen ließ. Das Erstaunliche: Der neue Pop-goes-Artrock-Entwurf ist trotzdem immens anheimelnd, auch jenseits des Konsens-Hits „Major Leagues“, nachzuhören etwa im zurückgenommenen „Ann Don’t Cry“, einem kleinen Stück Kammerpop, das wieder mit einem dieser Sätze kommt, die man womöglich als Claim zur Situation der Band sehen kann: „The damage has been done. I am not having fun anymore“, singt Malkmus zur Jangle-Gitarre. Toll.
Fünf Sterne
Stephen Malkmus – Stephen Malkmus 2001
Was „Major Leagues“ zwei Jahre zuvor noch im Pavement-Rahmen andeutete, wird auf seinem Solodebüt recht präzise ausgearbeitet: Malkmus reibt sich erneut an großen Melodien. Keine Kollegen grätschen da mehr rein, was aber nichts ausmacht, das erledigt Malkmus bisweilen selbst, etwa in „Phantasies“ , wo quasi neben dem Song eine zweite Spur verläuft, auf der allerhand Quatsch passiert. An anderer Stelle gibt Malkmus den stringenten Rockstar, mischt durchaus markige Alternative-Gitarren mit AOR-Appeal („Discretion Grove“). Dass das „A“ nie zu sehr durchschlägt, liegt natürlich auch daran, dass Malkmus nach wie vor kleine Universen aufzieht, nachzuhören in „Jenny & The Ess-Dog“ , der Geschichte von einer ungleichen Paarung einer jungen Frau mit älterem Mann, altem Volvo, Golden Retriever und BROTHERS IN ARMS als Soundtrack zum Rummachen. Schön.
Fünfeinhalb Sterne
Stephen Malkmus & The Jicks – Pig Lib (2003)
Die Jicks, die das Label auf dem Cover des Solodebüts noch nicht lesen wollten, sind jetzt auch offiziell part of the game. Vielleicht liegt es daran, dass im Unterschied zum Vorgänger wieder mehr Räume aufgemacht werden. „It makes Prog-Rock cool“, staunte der Branchendienst „Entertainment Weekly“ damals, und an dem Satz ist schon was dran – wenn man Prog-Rock weniger als Genre denn als lose Idee zur Strukturveränderung versteht, denn schon alleine die Länge bzw. Kürze eines Songs wie „Vanessa From Queens“ spricht natürlich dagegen. Andererseits fliegen hier die Fetzen, aber eher wie Federn. Hier eine Keyboard-Line („Ramp Of Death“ , oh Mann!), dort eine 1967er-Psychedelic-Gitarre („Do Not Feed The Oyster“ ), die in kontemporärem Indie-Rock und dann, okay, Prog mündet: ein Album für die Ewigkeit.
Sechs Sterne
DURCHAUS LOHNEND
Pavement – Wowee Zowee (1995)
Irre hässliches Artwork, aber auch: schwierigstes Pavement-Album. Es schleppt sich leiernd und eigenartig unambitioniert nach vorne, stolpert schon im Opener über so eine Art Lagerfeuergitarre, um gegen Ende in „Flux = Rad“ mit dreijähriger Verspätung Grunge anzuspielen. In der Retrospektive sind es die ruhigeren Songs des Albums, die es doch noch über die Zielgerade retten, etwa das milde psychedelische „Father To A Sister Of Thought“.
Dreieinhalb Sterne
Pavement – Brighten The Corners (1997)
Zwei Jahre später begeben sich Pavement zurück zu den Wurzeln, wobei: Dass die Band mittlerweile ihre Instrumente besser beherrscht als in den Anfangstagen, lässt sich kaum verhehlen. Die beiden wichtigsten Tracks stehen dabei am Anfang: „Stereo“ explodiert in einem Seventies-Rock-induzierten Fuzz, „Shady Lane/J Vs. S.“ ist einer der markantesten Songs der Band. Aber Weiterhören lohnt: Auf „Transport Is Arranged“ hören wir ein hymnisches Mellotron, und das von Scott Kannberg geschriebene „Date w/ Ikea“ ist eine smarte Fingerübung zwischen Power Pop und den Byrds.
Vier Sterne
Stephen Malkmus & The Jicks – Wig Out At Jagbags (2014)
Ein Album nach einem ganz interessanten Deutschland-Stint: 2012 und 2013 hat Malkmus mit seiner Familie in Berlin und Köln verbracht, er führte auf dem WeekEnd-Festival mit der Kölner Band Von Spar den Can-Klassiker EGE BAMYASI neu auf, hochkonzentriert, mit einer Liebe und Dynamik, die die anwesenden Can-Recken beeindruckte. Wenn man das weiß, mag man es hören auf diesem besten Album der späten Malkmus-Jahre, ebenso wie die Liebe zum 70er-Rock, zu Neil Young und auch The Velvet Underground, die in anderen Besprechungen prominent erwähnt wurde. Eigentlich verhält es sich aber so: Ein Song wie „The Janitor Revealed“ ist, was das Auf und Ab von Malkmus‘ Stimme, die Instrumentierung – die englische Sprache besitzt das Wort quirky dafür, so richtig übersetzen lässt es sich nicht – und die Wechsel in der musikalischen Dynamik angeht, eine sofortige Eintragung in den Kanon. Der schönste Song des Albums: „Houston Hades“. Zunächst Superlärm, dann wie bei Randy Newman oder so.
Vier Sterne
GUTE RANDGEBIETE
Stephen Malkmus – Groove Denied (2019)
Eigentlich hatte man den Eindruck, Stephen Malkmus würde sich bei seinen Platten keinerlei Beschränkungen auferlegen, immer denkbar offene Strukturen verfolgen und nutzen. Vorliegendes Album ist die Ausnahme, und passt darin natürlich wieder total gut zu der Unmöglichkeit, Malkmus-Arbeiten vorherzusehen. GROOVE DENIED ist ein Elektronik-Album, was in Momenten tatsächlich sehr wörtlich zu verstehen ist, allerdings nicht in einem Kontext moderner Clubkulturen, sondern straight am Synth-Pop der Eighties geschult. Die Stimme von Malkmus hält all das doch zusammen, auch wenn er sich sehr viel Mühe gibt, ihr einen anderen, etwas manirierteren Dreh mitzugeben. Songs wie „A Bit Wilder“ und „Viktor Borgia“ besitzen vor allem deshalb einen sehr eigenen Charakter, der etwas hat, was man von sonstigen Malkmus-Arbeiten nicht kennt: beinahe bemühten Manierismus.
Vier Sterne
Silver Jews – American Water (1998)
Nicht zu vergessen ist Stephen Malkmus‘ Tätigkeit bei David Bergmans Silver Jews, zu deren Gründungsmitgliedern er gehörte. Auf vier Alben spielte er mit; wie wichtig die Band Mitte der 90er-Jahre war, erkennt man vielleicht auch daran, dass sich nach einer Textzeile in „People“ sogar eine recht gute schwedische Indie-Band benannte: Suburban Kids with Biblical Names. Dass Malkmus hier nicht als musikalischer Direktor fungiert, hört man natürlich, Bermans knarziger Melo-Country ist es, der hier dominiert. Gelegenheiten für Ausbrüche hat (und nutzt) er freilich ausreichend. Vorliegendes Album ist das Großwerk der Band, die keinesfalls als Pavement-Seitenprojekt zu sehen ist. Der Einfluss war gegenseitig, Berman zudem der Mann, der den Titel zum Pavement-Debüt beisteuerte. Gemeinsam hört man Malkmus und Berman auf dieser Platte am schönsten in einem Song, den man auch auf Pavement anwenden könnte: „Wenn something breaks, it makes a beautiful sound“, heißt es in „Blue Arrangements“. So wahr.