Pein für Puristen


Gitarristen von Keith Richards bis Eric Clapton preisen ihn in höchsten Tönen, und auch als Songschreiber ist der 33jährige Amerikaner ein überaus gefragter Mann. Jörg Feyer traf die neue schwarze Hoffnung vor seiner anstehenden Deutschland-Tournee

Schubladen-Reaktionäre werden mit Roben Cray kein Glück haben: Der 33jährige. in Columbus/Gcorgia geborene Soldatensohn hebt in seinem Vortrag festgefahrene Genre-Grenzen weitgehend auf und braut aus Blues. Gospel- und Soul-Ingredenzien souverän seine eigene Mixtur zusammen.

Der „Rolling Stone“ porträtierte diese wandelnde Pein für Puristen kürzlich zwar in der Rubrik „New Faces“. doch zumindest in der Gunst der Liebhaber und Zunftgenossen steht Cray schon seit geraumer Zeit ganz oben. Auf Chuck Berrys Geburtstags-Party stand er ganz selbstverständlich neben anerkannten Heroen wie Keith Richards, Eric Clapton oder dem Meister himsclf auf der Bühne: Fabulous ThunderbirdsBoß Jimmie Vaughan läßt sich – auf Cray angesprochen — das Prädikat „phantastisch“ entlocken, und Clapton war sich nicht zu schade, auf seinem letzten Album eine, im Vergleich zum Original allerdings ziemlich schlappe Coverversion des Cray-Meisterwerks „Bad Influence“ zu verewigen.

Crays Karriere begann zwar an der amerikanischen Westküste, wo er zunächst zusammen mit dem Bassisten Richard Cousins sein frühes Idol, den Texas-Blueser Albert Collins. begleitete. Doch seine musikalische Wiege steht eindeutig im Süden der USA: Der schroffe, kantige Stax-Sound eines Steve Lropper ozw. oooker 1., die Vokalkunst gospellastiger Southern Soul-Sänger „mit starker innerer Überzeugung“ (Ciay) wie Johnnie Taylor oder 0. V. Wright — „einer meiner Lieblinge“ — das sind die Traditional-Koordinaten für den Cray-Blues.

Robert Crays unbefangener Umgang mit verschiedenen Idiomen wurzelt sicherlich zu einem Teil schon in seiner Kindheit und Jugend: Als „army brat“ mußte er früher als ihm selbst lieb war kennenlernen, was Mobilität wirklich bedeutet — Georgia, Alabama, Virgima. Pennsylvania. Indiana oder Kalifornien, die Crays schlugen ihre Zelte überall dort auf, wo dem Vater ein neues Kommando beschieden war. Zu Beginn der 60er Jahre verschlug es den Cray-Clan sogar für einige Zeit in diese Republik, nach München, wo Robert erste Klavier-Stunden genoß — der Papa sah schon einen kleinen Ray Charles heranreifen.

Über zehn Jahre später: Nach der Emanzipation von Albert Collins. der Crays Weg zum Blues entscheidend mitebnete, erspielt sich die Cray-Band schnell einen guten Live-Ruf an der gesamten Westküste.

Weitaus beschwerlicher ließ sich das Vinylschaffen an. Das Debüt WHO’S’BEEN TALKIN- (gerade auf Charly wiederveröffentlicht!) erschien 1980. zwei Jahre nach den Aufnahmen, und ward kaum noch gesehen, als das kleine Tomato-Label schon kurz nach Veröffentlichuns; pleite uing. Erst das hervorragende 83er Werk BAD INFLUENCE (auf Demon) brachte den Cray’schen Blues-Streifzug richtig ins Rollen: Ein „solid as a rock“-Backbeat. Crays ökonomische Rhythmusfiguren und bissig-knappe Lead-Attacken, seine gospelinspirierten Vocals — die Platte definierte den typischen Cray-Sound in bestechender Klarheit und eroberte obendrein die Independent-Charts der britischen Insel, wo sich die Band schon bald auch auf den Bühnen erfolgreich vorstellte.

1985 – zweifellos ein Robert Cray-Jahr: Mit Mentor Albert Collins und „Texas Twister“ Johnny Copeland nimmt er SHOWDOWN! auf – ein treffender Titel, denn der hochkarätige Saiten-Clinch ist ein klingendes High-Noon für Blues-Gitarrenfreunde. Das reauläre Cray-Album FALSE ACCUSATIONS, mit aktuellem Line-Up eingespielt (neben Cousins, Keyboarder Peter Boe und Drummer David Olson), erweitert das Klangbild: Bläsersätze kommen hinzu, ein leichter „funky“-Touch bereichert die Stil-Palette. Bei denjenigen, die den Blues nur als werkgetreue Klassikerauflage dulden. ist Cray mit dieser „Unabhängigkeitserklärung“ („Rolling Stone“) endgültig untendurch.

Doch für diese „blitenciiics“, wie er sie selbst nennt, hat Cray wenig Verständnis. „Ich könnte mir keine Platte eines jungen Interpreten kaufen, der T-Bone Walker Note für Note nachspielt. Du kannst die wirklichen Gefühle nicht einfungen, wenn du kopierst. Ich bin nicht so aufgewachsen wie Muddx Waters oder llowlin Wolf, ihre Geschichten sind andere als meine. Blues-Songs werden geschrieben, weil sich Leute verlieben oder Probleme in ihrem Alltag Itaben. Und deshalb wird der Blues niemals sterben. „

Eine Einschätzung, die Robert Cray auch mit seinem aktuellen Album untermauert: STRONG PER-SUADER könnte sogar ein größeres Publikum erreichen, und das nicht nur, weil erstmals der Promotionapparat einer großen Plattenfirma dahintersteht. Der Sound wurde etwas poliert, ohne die Cray-Essentials entscheidend preiszugeben: Die Bläser tanzen behende w ie nie zuvor durch die Arrangements.

Und Cray hat nicht vergessen, daß ein Sänger und Songschreiber immer nur so gut ist wie die Geschichten, die er zu erzählen weiß. Crays Lieblingsthema ist nach wie vor ein ewiges: Die kleinen und großen Intrigen, die dumpfe Leere in der Magengegend, wenn „Sie“ gerade vielleicht für immer gegangen ist, das Wissen um den Nebenbuhler, der sich nebenan gerade der eigenen Herzensdame ,.widÜ R met“ — verzweifelte, enttäuschte Liebe, aufgefangen von wenigen, allzu flüchtigen Glücksmomenten. Doch mag die menage ü irois auch noch so verzwickt sein — der Mann gibt die Hoffnung nicht auf: „Bat if you put love in your pocket, and hold on 10 ii“, weiß Robert Cray in „Change Of Heart. Change Of Mind“ vom FALSE ACCUSATIONS-Album, „it won’t seein so impossible — tme love is what von find …“

Wer einmal zusehen mochte, wie er den Schatz birgt, hat jetzt vor Ort Gelegenheit dazu: Nach erfolgreich absolvierten Test-Gigs stellt sich die Robert Cray-Band im Juni erstmals ausführlicher auf hiesigen Bühnen vor. Ein Pflichtkonzert — auch für lernwillige Puristen.