Peter Maffay – Einer für Alle…


Der Mann verkauft zweieinhalt Millionen Platten von "Tabaluga". 350.000 Zuschauer sehen sich die Show an! Der Veranstalter investiert zehn Millionen Mark? Warum?

Immer wieder, wenn ich Peter treffe, erschreckt er mich. Durch Höflichkeit. Steht an der Tür und wartet, gießt mein Glas ein, hört sofort auf zu reden, wenn ich den Mund aufmache.

„Hat Papa Makkay dir das eingebläut?“, frage ich Peter. Papa, der Ungar aus Rumänien, der eine Siebenbürger Deutsche heiratete, und dessen Namen Sohnemann ins unverfänglichere Maffay umfummelte. „Ja“, sagt Peter, „auf Umgangsformen wurde bei uns ganz großer Wert gelegt.“ Rocker mit Knigge, Lederkluft zu „Bitte-Danke“. „Weißt du“, sagt Peter, „es ist mein Credo, daß Höflichkeit die Voraussetzung ist für gute Beziehungen.“

„Was interessieren dich Beziehungen?“ frage ich ihn. „Du bist der große Maffay und ersingst Millionen aus dem eigenen Hals…“ Da mustert er mich aus seinen traurigen Bambi-Augen unter den schräg nach außen hängenden Brauen und sagt einen wahnsinnig langen Satz:

„Jetzt bin ich 43 und 23 Jahre auf der Piste. Da habe ich Leute kennengelernt, die mich überzeugt haben, in andere Richtungen zu denken. Neue Orte zu besuchen. Bücher zu lesen, die ich früher nie angefaßt hätte. Da gingen Perspektiven auf und plötzlich konnte ich nicht mehr nur ‚Der Ledermann für jedermann‘ sein…“

Man hört’s. Peter ist softer geworden, balladiger, zieht seine helle Stimme über 24 Takte wie ein Tenor, kennt plötzlich Wispertöne wie ein Bergquell. Er glaubt mir’s aber nicht: „Ich werde weiterhin kantig und laut sein. Um hörbarer zu sein. Ich bin nur fließender geworden. Für die Oper bin ich noch lange nicht alt genug.“

Aber für „Du“, seinen größten Hit. Innerlich winselt Peter, wenn sie ihm den Ohrwurm als Zugabe abzwingen. Es soll ja Sänger geben, die sich erhängt haben wegen ihres Riesenhits, den sie immer wieder singen mußten wie eine Single auf Endlosschleife. „Mich hat dieses ‚Du‘, und daß alle es immer wieder hören wollten, so provoziert“, sagt Peter, „daß ich dauernd was Neues schreiben mußte.“

Der Hit als Medizin. Eine neue Version des Erfolgs als Therapie. Heute singt er den Oldie nur noch als Persiflage. Peter: „Geht nicht anders. Ich bin doch seitdem zweimal geschieden. Da muß die Schnulze über volle 60.000 Watt.“

Haben Sie’s gemerkt? Der Mann spricht, als lese er „Die Zeit“ täglich. Ich habe mir extra ein paar seiner Formulierungen notiert: „Mattigkeit des Marktes „heißt: es werden weniger Tonträger verkauft. Oder „despektierlich“ „Ausdrucksmittel“, „in Worte kleiden“.

Auch die bewußt saubere Wortwahl kommt von den neuen Freunden.

Da ist z.B. die Geschichte mit Oskar Lafontaine, Peters Trauzeuge. Als sie sich lieben lernten, war das eine politische Lichtgestalt. Heute eher eine 25 Watt-Birne. Sie mögen sich aber immer noch. „Wer profitiert denn von wem mehr?“ frage ich Peter. Er antwortet: „Oskar und ich mögen diese Frage nicht. Die führt weg von unserem gegenseitigen Respekt.“ Ja, aber… ist der Oskar nicht auch einer von jenen, deretwegen uns die Politik allmählich schnurz ist? „Oskar“, sagt Peter, „ist wenigstens nicht überheblich, und wie er mit den Menschen umgeht, das gefällt mir.“

Peter sieht aus wie sein eigenes Röntgenbild in Jeans: 60 kg und weniger Hintern als Claudia Schiffer. Vor zehn Jahren wog er 20 Pfund mehr, aber da soff er auch mehr. Peter: „Erinnerst du dich nicht mehr? Je mehr Klare, desto unklarer die Statements.“ Das hat er abgestellt und vor einem Jahr, knallfall, auch noch das Rauchen. Und dabei, so ganz nebenbei, die „Maffay-Diät“ erfunden: „Eigentlich muß man nach sowas mehr fressen. Falsch. Ich habe sofort weniger gegessen.“ Vor allem abends kaum noch. Drei Monate war er auf dem Kalorien-Turkey. Dann ging’s. Heute sagt er: „Für mich ist dauernd Anfang von Ramadan, das erhält mir die Spannung, da kann ich kreativ sein.“ Ramadan ist der fürchterliche Fastenmonat der Moslems, wenn sie im Namen Allahs ihre Körper mal richtig entschlacken.

Ab 15. März geht Peter auf Tournee. Wieder mal. Muß das wirklich sein? „Ja“, sagt er. „Tonträger und Tourneen gehören zusammen wie Essen und aufs Klo gehen.“ Ein feines Bild, in der Form noch nie gezeichnet. Ein Geschäftsmann vertritt seine Interessen. Auf der Bühne vor tausenden von Leuten verkauft er seine Platten. Und was ist mit der Droge Live-Applaus? „Ich steh da oben, mache ein Angebot und unterhalte mich dann mit den Leuten darüber.“ Ah, so ist das … „Du bist nicht mehr der Allerjüngste…“, sage ich. „Nein“, sagt er, „aber ich altere langsam.“

Wir versuchen die Gründe zu finden: Ehefrau Michaela, 17 Jahre jünger. Sowas muß als ultimatives Fitnessprogramm durchgehen (kleine Info am Rande: sie schneidet ihm die Haare, ist seine Leibfriseuse). „Noch was“, sagt Peter: „Ich verwalte mich selbst. Wie die Beatles mit ,Apple‘ oder Prince mit seiner Fabrik. Ich bin mein eigener Chef. Eigene PR-Abteilung, eigenes Label. Keiner denkt für mich. Da hast du gar keine Zeit zu altern.“ Als ich ihn etwas ratlos anstarre, malt er noch so ein hübsches Wortbild in die Luft: „Stell dir vor, du bist Mechaniker. Und hast keine Hebebühne, um unter dein Auto zu schauen. Dann rostet die Kiste vor sich hin.“ So läuft das Unternehmen Maffay.

Aber weil wir gerade bei Autos sind: Dafür gibt der Meister richtig Kohle aus. „Irrsinnig viele Karren bin ich gefahren.“ Schreckliche Rosthobel darunter. „An denen konnte ich schrauben und machen und Spaß haben.“ Wie zum Beispiel an dem CJ7-Jeep, der zur Zeit im Hof steht. Schönes Thema, viele PS, aber kein Happy End: die Karren hat er immer mit Verlust weiterverkauft. Obwohl er soviel Arbeit, Ersatzteile und Liebe reinsteckte. „Ich war’so stolz“, sagt Peter, „wenn ich mal ein Auto zum selben Preis verkaufen könnte, den ich gezahlt habe!“ „Fein“, sage ich, „überlaß mir die Karren zu diesem Preis und ich gebe eine Anzeige auf: ‚Peter Maffays Jeep zu verkaufen‘. Wirst mal sehen, da hole ich mir eine goldene Nase.“ Peters Bambi-Augen werden plötzlich ganz hart und unversöhnlich und seine Stimme klingt, als müßte er Duett mit Heino singen: „Das würde ich zum Kotzen finden!“

Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommst du… denke ich. Peter leidet zum Beispiel höllisch unter Flugangst, fürchtet sich aber komischerweise weniger, wenn die Maschine nur halbvoll ist. Dennoch buchte er bisher immer Holzklasse. Bis einer kam und ihm den Tip gab: Du, in Business sitzen weniger. „Jetzt leiste ich mir manchmal Business“, sagt er. Und fürchtet sich weniger.

Ich glaube ehrlich, der Mann ist nicht geizig, sondern echt bescheiden. Sah ich ihn doch neulich auf einem Mofa durch Mallorca fahren. 40 km/h Spitze, der Rocker als Töfftöff. „Find ich herrlich“, sagt er. „Affe auf dem Schleifstein“, rief ich ihm nach. Er verstand mich nicht: „Was?“

Schluckt nicht, raucht nicht, ißt wenig, fliegt Economy, geht nicht zum Friseur. Suchen wir andere Laster. „Ich bin nicht wenig eitel“, sagt Peter. Nur ganz, ganz selten schaut er sich deshalb seine TV-Auftritte an. „Ich habe Angst, zuviel nicht richtig gemacht zu haben. „Hat er nichts falsch gemacht, findet er sich „geladen, geradezu aggressiv! Genau das, was ich nicht will.“ Aber ein Baby dieser Aggressivität ist die Erfolgsformel Spannung = Kreativität, von der vorher die Konversation war. „Vielleicht bist Du ja heimlich Pessimist“, schlage ich vor. „Niemals“, sagt er, „ich nehme nur die meisten Dinge viel zu ernst.“ Zum Beispiel, was er „Verbotene Gedankentransporte“ nennt. Da wird er fuchsig. Über die Verführer, die „rechte Texte singen, und natürlich auch ganz linke, und von Teufelsanbetung. „Über Typen, die mit ihrer Popularität die „Macht mißbrauchen und der Gesellschaft schaden „.

Das hat nichts mit guten und schlechten Songs zu tun. „Man muß“, sagt Peter, „auch wenig Anspruch akzeptieren.“ Man darf nur nicht glauben, daß „jeder, der sich Scheiße reinzieht, auch selbst beschissen ist.“ Was uns zum Wichtigsten bringt. Oder Schwierigsten. Warum hat er denn verdammt nochmal so viel Erfolg? Seine Anziehungskraft, oder auf gut geschäfts-deutsch, sein Marktpotential, ist enorm. Keiner scheint soviele Millionen Platten zu verkaufen wie der Peter, keiner haut zur Freude der Veranstalter so viele Tickets weg, in München allein 35.000 in zwei Tagen. Der Großteil seiner Käufer sind Frauen von der Schülerin bis zur Oma alles verschlingt Maffay, kritiklos wie es scheint. Der Gang zur Maffay-Kasse gleicht manchmal einer Wallfahrt. Ist er ein Rocker zum Anfassen? Der Outlaw für die Fensterbank? Einer mit ’ner Harley, der sich zum Knuddeln eignet? Wenn der Maffay lächelt, kneift er die Augen ganz zu, und rutscht ins Grinsen ab, ganz ungewollt. Nein, mit dem Knuddeln, das wüßte er nicht. Außerdem hätte da seine Michaela vielleicht was dagegen. Aber ein Rocker zum Anfassen, das gefällt ihm. Ehrlich sei er, und das käme halt rüber.

„Die Leute merken so was, denen kannst du nichts vormachen.“ Das glaubt er auch so. Maffay wird zu seinem eigenen Publikum, lügt sich selber genauso wenig in die Tasche wie der Mutti in der dritten Reihe. Er sei eben kein Superstar, der Rolls Royce fährt, sondern einer mit ’nem Jeep und Dreck unter den Fingernägeln. Die Leute mögen sowas eben. Beschissen würden sie in ihrem täglichen Leben schon genug. „Da brauchen sie keinen Musiker dazu.“ Ganz bestimmt keinen in schwarzem Leder. Und sich selber treu muß er sein, ständig. „Weil ich eben auch nicht anders kann.“ Und wollen schon gar nicht. Maffay – keine Mogelpackung.

Schafft dann Mitmensch Peter und sein Alter-Ego Tabaluga den Fans einen kleinen täglichen Fluchtweg aus dem Depri-Alltag? Nun ist er fast empört, der Bürger Maffay. Das klingt ihm zu sehr nach Eskapismus. Nein, seine Tabaluga-Phantasien schüfen keine billigen Ausreden, versteckten nicht die Probleme hinter farbigen Bildern und Songs, sondern sein kleiner Drache konfrontiere ja die täglichen Probleme der Leute. Also nicht Fluchthelfer, sondern Anwalt? Da zuckt der Peter mit der Schulter. Mach dir dein eigenes Bild, ein bißchen selber denken muß man schon in Tutzing.