R.C.M.


Green (1988)

Den heute wieder seltsam anmutenden Begriff „Gi-I tarren-Rock“ beanspruchten seinerzeit als erste R.E.M., die mit gläsernen Song-Miniaturen aus Folk, Country und Rock den Weg zurück vom Synthesizer zum natürlichen (was im Rock’n’Roll immer heißt: elektrischen) Ideal wiesen. Als gestandene Außenseiter, noch dazu mit Michael Stipes ebenso tiefsinnigen wie schwerverständlichen Texten, war es für das Quartett aus Athens/ Georgia ein dramatischer Schritt, sich nach immerhin acht Platten bei einem Indepenend-Label an einen Medien-Multi wie Warner Bros, zu binden. Doch in Wahrheit hatte sich die Band bis zu diesem Zeitpunkt eine derart große Anhänger-Schar erspielt, vor der sich so mancher „Mainstream“-Act gerne verbeugen würde. „Green“ war 1988 die erste Arbeit „danach“, und sie klang nicht nur außerordentlich überzeugend, sondern beinahe trotzig spröde. Es war, als hätten R.E.M. sämtliche Sensoren ausgefahren, um jegliche Kommerzialisierung im Keim zu ersticken und vor allem eins sicherstellen: völlig unabhängig bleiben. Diese Quadratur des Business-Zirkels gelang R.E.M. wie kaum einer zweiten Ex-Indie-Band: Ein Song wie „World Leader Pretends“ strahlte als Juwel selbst für strengste Fan-Maßstäbe, Peter Bucks Gitarre in all ihrer Dezenz schlängelte sich zu höchster Präzision, und Produzent Scott Litt schien völlig unbeeindruckt von allem Rummel zu der Form seines Lebens aufzulaufen. Über allem jedoch schwebte souveräner denn jeder lenkende Geist von Michael Stipe, dessen Exzentrik bis heute nicht gelitten hat. Als erste Single aus „Green“ erschien seinerzeit „Orange Crush“, nach R.E.M.-Maßstäben ein Ohrwurm, aber mit jenen Stipe-Zeilen gesegnet, die mit ihrem kryptischen Inhalt selbst gebildeten Amerikanern Rätseln (und die soll’s tatsächlich geben …) aufgeben. „Green“ zementierte die Koordinaten, in denen sich Bands von Kanada bis Florida, von New York bis Seattle orientierten, die folgenden R.E.M.-Alben bestätigten diesen Kurs. Und wer inzwischen von seiner „Automatic For The People“-CD die Silberschicht heruntergedudelt hat, sollte sich zur Abwechslung getrost mal „Green“ geben.