Randy Newman – Land Of Dreams


Als plumper Riese mit dicken Brillengläsern kann man wohl nur Komiker werden – sonst wird man selber ausgelacht. Randy Newmans Humor ist böse und bissig wie Immer, aber: Wer austeilt, muß auch einstecken können.

Vor 20 Jahren, als der Singer/Songwriter-Boom gerade richtig losging, gab es nur wenige, die nicht zuerst und vor allen Dingen über sich selber sangen. Damals hätte Randy Newman seinem Kollegen Robbie Robertson sicher zugestimmt, der es peinlich fand, „mit welcher Ich-Verliebtheit sich die Schreiber hinstellten und sagten: ‚So, und jetzt noch ein kleines Lied über mich.'“

Aber die Zeiten ändern sich. Land Of Dreams ist die bisher autobiografischste Newman-Platte: Mit seiner Mischung aus Selbstentblößung, Reportagen und Sozial-Protest (für die Schwarzen) erinnert das Album an Dylans Desire, mal abgesehen von der Tatsache, daß Randys Platte natürlich lustiger ist.

Ulkigerweise wird sie – wie Desire – kurz nach der Scheidung ihres Machers veröffentlicht; und derartige Einschnitte in den geordneten Ablauf der Dinge zwingen Männer ja immer dazu, mal über ihr Leben nachzudenken.

Einige seiner Probleme verfolgt er bis zu ihren Wurzeln: „New Orleans“ handelt von seinem Geburtsort und „Dixie Flyer“ von seiner Kindheit, der unguten Ehe seiner Eltern und der Unfähigkeit seiner Verwandschaft, ihr Judentum zu akzeptieren. „Four Eyes“ behandelt unter anderem den Fluch, als kleiner Junge eine Brille tragen zu müssen-(wobei die surreale Instumentierung den Song wie eine Zappa-Nummer klingen läßt). Newman betreibt allerdings nicht bloß Selbst-Betrachtung, er schaut auch aus dem Fenster.

„Roll With The Punches“ ist einer der besten Protest-Songs, die er je geschrieben hat. Wie schon oft nimmt er dazu einen süffisanten Standpunkt ein und spielt einen gönnerhaften Weißen, der schwarzen Kids einen Vortrag darüber hält, daß sie schon irgendwie selbst mit ihren Problemen fertigwerden müssen – den Weißen habe schließlich auch keiner bei deren Bewältigung geholfen.

„It’s Money That Matters“ ist eine hinterfotzige Yuppie-Hymne, eine ironische Huldigung an die momentan angesagten Werte in Amerika; neue Newman-Hörer aber werden wahrscheinlich eher „Masterman And Baby J“ in ihr Herz schließen, Randy Newmans ersten Rap-Song. Er handelt von zwei Ghetto-Kids, die sich nach oben träumen. Newman persifliert die Arroganz des Rop, macht sich selbst aber auch zur Zielscheibe. Natürlich lachen wir, wobei man allerdings durchaus darüber streiten kann, ob ein rappender Newman grundsätzlich lächerlicher ist als etwa die Fat Boys. Wie so oft, hat die Wirklichkeit Newmans musikalische Satiren längst eingeholt.

Das Comeback

Fünf Jahre seit der letzten LP – selbst für Newman eine lange Zeit. Ursache für die Pause war nicht etwa übersteigerte Selbst-Kritik, sondern eine mysteriöse Krankheit: Newman war am „Epstein-Barr-Syndrom“ erkrankt, das sich durch extreme Müdigkeit äußert. Monatelang konnte er nichts anderes tun als zuhause herumzuliegen. Heute, immer noch nicht ganz geheilt, trägt er das Virus mit Humor: „Einige Ärzte hielten es bloß Air einen Vorwand, um nicht arbeiten zu müssen. Ich latschte schließlich zu diversen Heilpraktikern, weil ich nicht mehr wußte, was ich machen soll.“ An Newmans Rückkehr ins Studio waren vier Produzenten beteiligt: Mark Knopfler betreute sieben Nummern, vier weitere vom Team Tommy Li-Puma/James Newton Howard, eine von Jeff Lynne (ElO).

NEWMAN- BIOCRAFIE

Randy Newman wurde 1943 in New Orleans in eine musikalische Familie mit Hollywood-Ambitionen geboren: Zwei seiner Onkel machten Filmmusik, die ihn von Kindheit an maßgeblich beeinflußt hat (mindestens so sehr wie Popmusik). Er studierte in Los Angeles Komposition, und seine Platten – egal, wie witzig die Texte sein mögen – sind harmonisch weitaus ausgefeilter als die vergleichbarer Kollegen. Besonders gewogene Kritiker vergleichen Randys kompositorische Fähigkeiten am liebsten gar mit George Gershwin oder Kurt Weill und das ist ja nun wirklich eine hohe Meßlatte. Der Beifall des breiten Publikums ließ eher auf sich warten: Sein erstes Album Randy Newman (’68) war ein solcher Total-Flop, daß Warner Brothers versuchte, es als Werbe-Gimmick zu verschenken. Aber selbst zum Nulltarif lag die Platte bleischwer in den Regalen, und Newman mußte sich damit bescheiden, hintenrum erfolgreich zu werden: als Songwriter. Three Dog Night, Nina Simone, Judy Collins, Harry Nilsson, Alan Price, alle sangen erfolgreich Newman-Songs, bloß er mußte bit 1977 auf den enten Single-Hit unter eigenem Namen warten: „Short People“. Der Refrain seiner Parodie auf die Scheinheiligkeit („short people got no reason fo live“) wurde allerdings häufig mißverstanden, und während einiger Newman-Konzerte kam es zu Aufständen kleinwüchsiger Menschen, die sich von ihm beschimpft fühlten. Randy bewegt sich derweil auch in anderen musikalischen Regionen: Er war mit großem Orchester auf Tour, hat die Filmmusiken zu „Der Unbeugsame“ und „Ragtime“ geschrieben und wurde inzwischen sogar für den Oscar nominiert. Summa summarum: Diese, wenn auch späte Referenz ist ihm nie zu Kopf gestiegen. Ganz im Gegenteil, nach wie vor sind es die eher kleinen Dinge des Lebens, die seinen Blick und seine Feder schärfen. „Es ist fürwahr ein hartes Stück Arbeit, über so viele Jahre hinweg kreativ zu sein.“