Reif für die Insel: Wir haben einen Cluburlaub mit Bilderbuch verbracht


Zuerst kam die „Maschin“ und dann der SCHICK SCHOCK: Vor zwei Jahren jagten Bilderbuch dem dahinsiechenden Patienten Indie-Rock eine Adrenalinspritze ins Herz – und machten das Popland Österreich great again. Nun wird es Zeit für die schwierige Platte nach dem Erfolgsalbum: MAGIC LIFE, für das wir die Band im Clubhotel-Kurzurlaub auf Fuerteventura besuchten.

Eine freundliche Rundumbegrüßung. Hallohallohallohallo. Wie war der Flug? Der Flug war lang. Jemand drückt mir ein Glas Prosecco in die Hand. Eine große Runde ist das. Morgen wird die Band ein Video zu ihrer -nächsten Single „Baba“ drehen. Deswegen ist die ganze Crew angereist: Regisseure und Techniker, eine Style-Beraterin und eine Visagistin. Ich versuche, mir die Namen zu merken. Aber es bleibt nicht viel Zeit. Maurice ist unruhig. Er hat schon ein paar Ideen für den Nachmittag. „Am Ende des Tages wirst du verstehen, was Magic Life bedeutet“, verspricht er. Dann nichts wie los.

Ich komm’ zu spät zu meiner Thai-Massage

Die Frau am Schalter des Wellness-Centers schüttelt den Kopf. Heute keine Massagen mehr. Maurice schenkt ihr seinen Hundeblick. Ob man da nicht vielleicht doch eine Ausnahme machen könnte? Nein, kann man nicht. Not possible.

Für prominente Gäste gibt es hier offenbar keine Sonderbehandlung. Maurice ist nicht überrascht. Die Hotel-Mitarbeiterin, die die Band betreuen soll, hatte sich auch nicht besonders gut vorbereitet. Maurice: „Als wir angekommen sind, fragte sie mich: ‚Seid ihr wie Tokio Hotel?‘ Ich sagte nein. Darauf sie: ‚Seid ihr wie die frühen Tokio Hotel?‘ Da hab’ ich’s dann aufgegeben.“

Das Fitness-Center ist nicht weit. Dann eben Tischtennis statt Thai-Massage. Heimeliger Schweißgeruch schlägt uns entgegen, Hometrainer rauschen leise vor sich hin. An den Wänden hängt eine eigenwillige Auswahl von Filmpostern: „Waterworld“, „Love Actually“, „Harry Potter“. Because life doesn’t get more magic than that.

Es gibt nur vier Tischtennis-Schläger für uns fünf. Ein weiterer lässt sich nicht auftreiben. Not possible. Verwende ich halt mein Notizbuch als Kelle. Wir spielen Rundlauf. „Rennerts“ nennen es die anderen. Und Mike verliert als Erster seine fünf Leben. Er hat viele Spitznamen. Die meisten, sagt er, seien für das Aufnahmegerät ungeeignet. Auf der Bühne nennen sie ihn Mizzi Blue, beim Tischtennis Knüppel – und das nicht, weil er so gut spielt. „Maurice denkt an den Sieg, ich nur an das Bier, das ich trinken kann, wenn ich nicht mehr mitspielen muss“, erklärt er.

Gott weiß, wer oder was den bleichen Jungen von einst geküsst und in einen Prince verwandelt hat. Gitarre spielt er seit seinem zehnten Lebensjahr. Sein Vater, selbst Gitarrist in einer Cover-Band, brachte ihn mit umgekehrter Psychologie dazu: indem er die Familien-Stratocaster immer ganz weit weg vom kleinen Michael drapierte. Bis der so neugierig wurde, dass er sie sich eines Tages schnappte: „Ich hab’ einen Ton angeschlagen, und es klang mega. Da wusste ich: Ich will das machen!“

Und wie er das macht! Mike ist vom Schlage eines Slash oder Keith Richards. Schlaksig und schweigsam. Vor dem großen Solo reißt er sich bei Konzerten das Gummiband aus den Haaren, als käme seine Superkraft aus der langen Mähne. Kein Gitarrist seiner Generation spielt wie er und sieht dabei so gut aus. Wenn man ihm das sagt, reagiert er fast überrascht. „Wir sind vier Leute. Jeder steuert etwas bei. Das ist halt das, was ich gut kann.“

Peter kann auch ein paar Dinge: Bass-, Gitarre- und Klavierspielen zum Beispiel. Vor drei Jahren hat er sich „sauviel“ mit Synthesizern beschäftigt. Seitdem zählen die auch live zu seinen Zuständigkeiten. Peter ist sozusagen das Ur-Mitglied von Bilderbuch. Schon vor 14 Jahren spielte er mit Mike in einer frühen Inkarnation der Band, die Interior hieß. Er war es auch, der Maurice als Sänger dazuholte. Angeblich auf einer Hausparty, bei der Peter in der Badewanne lag und nur noch besoffen vor sich hin stammeln konnte. „Nicht besoffen“, korrigiert er. „Extrem besoffen.“

Bleibt noch Pille. Mit 25 das Band-Baby und gleichzeitig ihr neuestes Mitglied. Ihn haben sie 2013 rekrutiert, nachdem er Maurice und Mike zufällig auf einem Kanye-West-Konzert in  Zürich über den Weg gelaufen ist. Sein Vorgänger, Andreas Födinger, war ganz Rock’n’Roller: Er weigerte sich, zum Click-Track aufzunehmen, was die Arbeit mit Samples unmöglich machte. Pille war da aufgeschlossener. Er brachte den HipHop in die Band. Ohne ihn wären Bilderbuch 2.0 nicht möglich gewesen.

Bamm! Maurice smasht mir den Ball um die Ohren. Zwei Mal haben wir gespielt, zwei Mal hat er gewonnen. „In der Klosterschule war’s fad“, erklärt er. „Da blieb viel Zeit zum Üben.“ Ach ja, die Zeit. Wir müssen weiter. Draußen geht die Sonne unter. Vamos a la playa!

Die Wellen gehen hoch im Grand Hotel Ressort

Surfer lieben Fuerteventuras Passatwind. Wir sitzen am steinernen Strand vor dem Hotel. Die Wellen klatschen unverwandt gegen die Felsen. Es beginnt zu nieseln. Später wollen wir noch ins Theater und danach vielleicht in die „Plaza Bar“. Das Leben im Magic Life Club ist gar nicht so viel anders als in Wien oder Berlin.

Foto: Elizaveta Porodina / Musikexpress
Foto: Elizaveta Porodina / Musikexpress