Howe Gelb :: München, Orange House

Willkommen im Mittelpunkt des Universums, im kleinen Universum des Howe Gelb. Ein schäbiges elektrisches Piano, eine alte Gretsch Sierra Jumbo-Akustikgitarre, ein tragbarer CD-Player, der an die PA angeschlossen ist, zwei Mikrofone – eines mit unverschämt viel Hall drauf, das andere ohne – ist alles, was es hier braucht. Und Howe Gelb natürlich, den „Godfather Of Alternative Country“, der wie ein Zeremonienmeister über die schäbige Pracht auf der kleinen Bühne gebietet und dabei nichts dem Zufall überlässt, um planlos und spontan zu wirken. „El Paso“ von Marty Robbins geht über in Neil Youngs „Out On The Weekend“. Johnny Cash („Wayfaring Stranger“) verwandelt sich in Frank Sinatra („Fly Me To The Moon“). Der „Iron Man“ von Black Sabbath gerät zur gefühligen Fantasie auf dem Piano. Und immer wieder, wenn der Vortrag allzu virtuos zu werden droht, tritt Gelb auf die Bremse, bricht Songs ab, wechselt von Gitarre zu Klavier und umgekehrt oder webt Count Basie und Thelonious Monk via CD-Player in die Stücke ein. Störgeräusche durch herunterfallende Mikrofone und ohrenfeindliche Interferenzen sind, wenn schon nicht beabsichtigt, zumindest höchst willkommen. Überlassen wir den feingeistigen Americana-Wohlklang ruhig den Kollegen John Convertino und Joey Burns von Calexico. Falsche Töne gehören bei Gelb zum anarchischen Gesamtkonzept. Und wenn wieder einmal ein Missklang die Idylle stört, wirft der Verursacher diabolische Blicke ins Publikum. Überhaupt: Das Publikum. Dieselbe seltsam inhomogene Mischung aus HipHop-Hipstern, Alt-8oer-Friedensbewegten und übergewichtigen Friseusen, die auch die Giant Sand-Konzerte zu Veranstaltungen mit sakralem Charakter werden lassen, lauscht voller Andacht. Bis auf diejenigen, die ihr sauer verdientes Geld für ein Konzertticket ausgeben, um sich dann vor Ort zum Zweck der Kommunikation anzuschreien. „Das ist der Nachteil von Solo-Akustik-Shows“, bedauert Gelb, „die Menschen unterhalten sich, weil es keine verzerrten Gitarren und kein Schlagzeug gibt.“ Aber die vermisst sonst keiner. Die Verzerrungen, die Gelb heute absondert, sind symbolischer Natur, sie spielen sich im Kopf der Zuhörer ab. „Center Of The Universe“ heißt eineseiner stärksten Kompositionen. Für eineinhalb Stunden lag der Mittelpunkt des Universums in einem kleinen Club im Münchener Westend.

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