Krautrock von Henning Dedekind

Wie kein anderes Land zumindest Europas erlebte Deutschland um die Mitte des 20. Jahrhunderts einen totalen Kulturbruch: Der Versuch, die Welt zu unterwerfen und einen Teil ihrer Bevölkerung auszurotten,führte dazu, dass sich hinterher anständige Menschen schämten, einer künstlerischen Tätigkeit nachzugehen, die an deutsche Kontinuitäten angeknüpft hätte-von Malerei über Literatur, Mode und Reklame bis hin zu den Umtrieben der Halbstarken und der ersten Rockbands folgte alles, was man tat, angloamerikanischen Mustern, als wollte man sich an den Älteren rächen, die an Hitler schuld waren. In den späten 60ern änderte sich das plötzlich: Da begannen Sands Musik zu machen, die spezifisch deutsch sein sollte, ohne Traditionen aufzugreifen. Zwischen Psychedelik, Avantgarde, Jazz und Elektronik wurde experimentiert, improvisiert und fröhlich dilettiert, politisch neigte man zu Subversion und Emanzipation, lebte in Kommunen, war damit automatisch Ultralinks und staatsfeindlichkeitsverdächtig. Der angesichts der vernagelten Bürgerlichkeit der Plattenindustrie erstaunlich umfangreiche Katalog überlieferter Tonträger reicht von Kinderkrach über biederes Billigpathos bis hin zu einigen der bizarrsten, aufregendsten, originellsten und kuriosesten Aufnahmen der Musikgeschichte. Eine umfassende Darstellung dieser wimmelnden Szene hat bislang (abgesehen von Julian Cope) niemand unternommen – mit Grund: Die übergreifenden Gemeinsamkeiten erschöpfen sich im Banalen (Geräusch, deutsch). Dennoch ist Henning Dedekinds Ansatz verdienstvoll: einen Überblick über Wichtiges zu geben, Entwicklungslinien nachzuzeichnen, einige entscheidende Faktoren/Elemente genauer zu untersuchen. Das tut er mit großem Sachwissen und ¿verstand, allerdings ohne große Lust am Erzählen, zudem neigt er sprachlich zu einer Bräsigkeit, die an das erinnert, was unbeholfene Propagandisten Anfang der 7oerverfassten. Da ist das Unterfangen „gewagt“, die Satire „bitterböse“, werden offene Türen eingerannt, will man „nicht kleckern, sondern klotzen“, „Grenzen überschreiten“, „zum Nachdenken anregen“ usw. So wird das Lesen auf langer Strecke zur Pein und der Wunsch nach einem anständigen Lektorat übermächtig. Das hätte neben mancher Redundanz auch die Peinlichkeit verhindert, dass auf Seite 243 eine Korrekturbemerkung für den Setzer unbemerkt im Text stehen blieb.

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