Roxy Music :: The Thrill Of It All: 1972-1982

Von der Glam-Avantgarde zum schnöden Yuppie-Pop: Als Bryan Ferry noch schwitzte und mit Ambient-Pionier Brian Eno um die Führungsposition stritt.

Tja, ein von Ästhetik besessener Snob war der ehemalige Kunstlehrer Bryan Ferry aus dem schottischen Glasgow ja schon immer. Zierten doch-bis auf das verzichtbare finale Werk avalon – in schwül-plüschiger Künstlichkeit klassischer Pin-up-Fotografie erstarrte Damen sämtliche Alben von Roxy Music. Auch die 1995 aufgelegte 4-CD-Retrospektive THE THRiLL OF IT ALL führte eine Schöne im überdrehten Charleston-Look der zwanziger Jahre auf dem Titel. Das gleiche Abbild findet sich auch auf der Doppel-DVD gleichen Namens. Corporate Identity nennt sich das, wenn ein Produkt wie ein Ei dem anderen gleicht. Doch auf oberflächliche Äußerlichkeiten soll es hier nicht ankommen. Denn der mit immerhin 48Tracks nicht gerade knapp bemessene Inhalt kann sich wirklich sehen lassen. Wenn Künstlerin die kreative Bredouille geraten,greifen sie gern mal auf das Repertoire der eigenen glorreichen Vergangenheit zurück. Die schon seit geraumer Zeit angekündigte Roxy-Music-Reunion will-zumindest was ein neues Studio-Album anbelangt- nicht so recht in Gang kommen. Was läge da also näher, als die Archive auszuplündern? Beim intensiven Wühlen wurde Gentleman Ferry jedenfalls fündig. Die gehobenen Schätze reichen zurück bis in die avangardistische Glam-Frühzeit von Roxy Music, als Paradiesvogel Brian Eno an seinem VCS3-Synthesizer magischen Sternenstaub versprühte und der später in blasierter Yuppie-Pose stets etwas unterkühlt wirkende Bryan Ferry noch den Ansatz eines Rock’n’Rollers in sich verspürte. Rasant starten Roxy Music die Werkschau mit „Remake/Re-model“, einem Konzert-Mitschnitt vom Juni 1972 im Londoner Royal College Of Art. In bizarrer Kostümierung präsentiert das Sextett sein fortan gültiges Credo: „Die Welt braucht mehr Stil und Eleganz 1 “ Den damals angesagten Glam-Look in Satin. Samt und Lurex tragen sie auch in den folgenden Clips zur Schau: Da wäre der erstaunlicherweise in der BBC-Asservatenkammer noch greifbare „Top-Of-The-Pops“-Auszug „Virginia Plain“, immerhin ein faszinierendes Halb-Playback der Debüt-Single. Oder aber die wirklich tollen, im Studio der britischen Kult-TV-Show „Old Grey Whistle Test“ live inszenierten Keytracks „Ladytron“, „Do The Strand“ und „Every Dream Home A Heartache“ aus den beiden ersten Alben. Mit leider nur drei herrlich überdrehten Ausschnitten vertreten, obwohl wesentlich mehr bei Radio Bremen lagert, ist der deutsche Musikladen: „Pyjamarama“, „Amazona“ und „Psalm“. Abmarsch in die auf Funk und Philly-Soul gebürstete Discothek, heißt es 1975 mit „Both Ends Burning“, aufgezeichnet im Empire Pool. Und auch das in der Show „Supersonic“ mitgeschnittene „Love is The Drug“ funkt diskret verschachtelt vor sich hin. Echte Raritäten finden sich mit einem fünfteiligen Live-Konzert vom 23.01.1976 in Stockholm, das erstaunlicherweise älteres Material promotet. Recht gelackt starten Roxy Music hingegen 1979 – nach vierjähriger Zäsur- in die zweite Phase. Obwohl gerade untergrundiger New Wave angesagt ist. bleibt der provokante Ethos von einst auf der Strecke. Mit „Dance Away“, „Angels Eyes“ und „Trash“ liefert die nach Ferrys gescheiterten Solo-Ambitionen notgedrungen reformierte Band allzu gepflegten Disco-Pop. Da bleiben Einladungen wie zum massenkompatiblen Special der „ABBA Show in Switzerland“ nicht aus. Aber Ferry und Co. drehen auch unheimlich gestellt wirkende Promo-Videos in schlechter Bildqualität oder langweilen ein wenig im Manchester Apollo. Doch auch durch Stippvisiten in die obligatorische Chart-Show „Top Of The Pops“ („Over You“. „Oh Yeah!“) oder in die unsägliche ZDF-Reihe „RockPop In Concert“ („Rain. Rain. Rain“. Flesh And Blood“) wird der auf Pop-Schmuse-Kurs gebürstete Kommerzstil nicht besser.