Willie Nelson

God’s Problem Child

Columbia/Sony

Soviel kann die Country-Legende gar nicht kiffen, dass ihm nicht eine ehrenvoller Ausbau seines gewaltigen Oeuvres gelingen würde.

Dem Konsum von Cannabisprodukten wird oft eine sedierende Wirkung nachgesagt. Bei dem 84-jährigen Gewohnheitskiffer Willie Nelson kann davon keine Rede sein: GOD‘s PROBLEM CHILD ist sein neuntes Album – seit 2012, als er zu seiner jetzigen Plattenfirma gewechselt ist. Nach dem kürzlich mit einem Grammy gekürten WILLIE NELSON SINGS GERSHWIN und einem Tribute-Album für die Country-Legende Ray Price hat Willie diesmal sieben von 13 Songs selbst verfasst. Wie beim späten Johnny Cash dreht sich vieles um die Themenkomplexe Altern und Vergänglichkeit, wobei sich Willie Nelson seinen speziellen Humor bewahrt. So ist „Still Not Dead“ eine augenzwinkernde Replik auf vorschnelle Fake News, sein vermeintliches Ableben betreffend.

In „True Love“ beschwört er in eindringlichem Sprechgesang die eine Liebe, für die er bis zur Hölle und zurück gehen würde, „Your Memory Has A Mind Of Its Own“ walzert gemütlich und „It Gets Easier“ spendet Trost für jene, die im Leben etwas verpasst zu haben glauben. „Delete And Fast Foward“ ist sein Kommentar zur Präsidentenwahl 2016, doch allzu nah kommt die schnöde Tagespolitik dem hawaiianischen Paradies nicht, in dem Willie seinen Lebensabend verbringt.

Die besten Stücke sind aber doch aus fremder Feder: Der Opener „Little House On The Hill“, ein fröhlich-flotter Country-Swing mit schnurrender Harp, stammt von der 92-jährigen Mutter seines Produzenten und Co-Autors Buddy Cannon. Höhepunkt dieser von milder Melancholie vollgesogenen Platte ist das Titelstück, ein lässiger Americana-Blues, auf dem nicht nur die Autoren Tony Joe White und Jamey Johnson mitsingen, sondern auch der im November 2016 verstorbene Leon Russell zum vielleicht letzten Mal zu hören ist. Das vereinte Knödeln dieses wunderbaren Altherrenchores wird kongenial untermalt von ein paar jener melodiös-unaufgeregten Minimal-Soli, die Willie seiner zerschrammten, mit eigenem Wikipedia-Eintrag geadelten Konzertgitarre „Trigger“ entlockt. In Willie Nelsons monumentalem Oeuvre von über 60 Alben nimmt dieses gediegene Spätwerk einen ehrenvollen Platz ein. Das darf ruhig noch eine Weile so weitergehen. (Jörg Wunder)