Rollins Band


ARBEIT, ARBEIT, ARBEIT, WO ER AUCH hinschaut, Henry Rollins hat viel Arbeit. Als Songscheiber. Als Buchschreiber. Als Verlagsdirektor, Als Labelchef. Im Plattenstudio. Auf der Bühne. Ja, auch und vor allem dort. Mögen andere den Rockstartraum eingepflanzt haben in unsere halbwüchsigen Gehirne mit blumigen Beschreibungen der Momente, in denen die Masse jubelt und der erste Akkord die Mädels verzaubert – Rollins hat scheinbar kein Interesse am Glorienschein des Stars auf der Bühne. Er geht dorthin, um zu arbeiten. Fast möchte man sich vorstellen, wie er im Backstage-Bereich dieThermoskanne fest verschraubt und noch einmal den Belag des Leberwurstbrötchens schnüffelnd testet, bevor er sich entschlossen erhebt und zur Schicht aufbricht. Jetzt jedenfalls steht Henry auf der Bühne des Babylon und legt mit seiner neu formierten Rollins Band los. Wuchtig. Derb. Roh. Wie eh und je. Mit seinen inzwischen leicht grau schimmernden Haaren und seinem kleinen Bauchansatz sieht Hank mittlerweile ein bißchen aus wie ein pensionierter Armeeoffizier, der seine neu gewonnene Freizeit im Fitnessstudio verbringt. Wären da nicht die Tätowierungen. Doch was auf der Bühne abläuft, hat mit der Army glücklicherweise immer noch recht wenig zu tun. Gegen ein unmenschliches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem schreit Rollins auf mit unmenschlichen Rock-Core-Stücken, die sich gewiß nicht vorwerfen lassen müssen, sie würden sich mit eingängigen Melodien anbiedern. Kantig und unförmig rollt Song auf Song heran, treffsicher in Szene gesetzt von Jim Wilson (Gitarre), Marcus Blake (Bass) und Jason Mackenroth (Drums). Henry Rollins läßt sich tragen von den Riff-Querschlägern, beugt den Oberkörper weit nach vorne und brüllt aufsein Mikrofon ein. Eineinhalb Stunden lang. Abwechslung ist nicht. Starker Tobak, aber die Kraft, die dieser Schwerarbeiter auf die Bühne bringt, nötigt einfach immer wieder Respekt ab.