Samuel Shaft


Als kühler Killer in Quentin Tarantinos Blut- und Drogen-Epos „Pulp Fiction" wurde Samuel L. Jackson zum Superstar. Im Herbst ist der 51-jährige Schauspieler in der Neufassung von „Shaft" zu sehen.

Mister Jackson, fiel es Ihnen leicht, in eine Rolle zu schlüpfen, die aufgrund des Originals von 1970 und der beiden Fortsetzungen schon sehr genau definiert war?

Sehen Sie, die Antwort steckt bereits in der Frage. Als ich zum ersten Mal las, dass ich den Shaft spielen sollte, dachte ich mir: Well, brauchen wir wirklich ein Remake von „Shaft“ – das Original ist doch gut genug. Dann las ich das Drehbuch und stellte fest: Okay, das soll gar kein Remake werden. Aber es war verrückt: Wo man hinblickte, war immer nur von einem Remake die Rede – genau wie Sie es jetzt auch tun. Alle glaubten immer, wir würden versuchen, den Original-Shaft Richard Roundtree nachzumachen. Also sagte ich: Wenn wir wollen, dass dieses Gerede aufhört, muss Richard Roundtree selbst in dem Film mitspielen. Das gäbe mir die Freiheit, meine Rolle so zu spielen, wie ich sie anlegen wollte. Die Produzenten waren für diesen Vorschlag offen, also setzten wir ihn auch um. Ich fand es dann relativ einfach, die Figur zu entwickeln, die man jetzt auf der Leinwand sieht (in Deutschland ab dem 26. Oktober / Red.).

Wie würden Sie den Film bezeichnen?

Update ist okay. Neue Geschichte, neue Zeit. Ein neuer Held für eine neue Ära.

Wie würden Sie die Attitüde von Shaft beschreiben?

Sich in der eigenen Haut wohl fühlen und ruhig bleiben. So viel Selbstvertrauen besitzen, dass man arrogant wirken würde, wenn da nicht ein Funken Bescheidenheit mitschwingen würde.

Warum das Ziegenbärtchen?

Ich machte mir natürlich Gedanken über den Look für John Shaft anno 2000. Regisseur John Singleton bestand darauf, dass Shaft eine Glatze haben sollte. Das fand ich etwas fad. Also machte ich mir mit dem Makeup-Mann und dem Friseur ein paar Gedanken. Sie hatten die Idee mit dem Bärtchen. Ich war zwar nicht richtig überzeugt, aber als wir es ausprobierten, fanden alle den Look sehr cool.

Dann waren das also nicht Ihre eigenen Barthaare?

Doch, doch. Ich ließ mir einen Bart wachsen, dann formten wir ihn nach unserem Geschmack. Das fiel mir jeden Tag aufs Neue schwer, weil ich beim Rasieren total Schiss hatte, ich konnte etwas zu viel abschneiden. Ich habe nachts davon geträumt und bin dann schweißgebadet aufgewacht. All die Spitzen Tag für Tag genau hinzukriegen, ist eine undankbare Arbeit.

Haben Sie nicht jemanden, der das für Sie erledigt?

Yeah, man hätte mir schon jemanden dafür bereitgestellt, wenn ich gewollt hätte. Aber ein John Shaft kümmert sich selbst um sich. Als ich den Look heraushatte und wir uns Gedanken über die Garderobe machten, postierte ich mich vor dem Spiegel und schaute mir tief in die Augen. Und dann musste ich lächeln.

Wie kann sich Shaft die teuren Ledermäntel leisten?

Wie alle wissen, hat Armani die Mäntel entworfen. Aber in echt sind sie Armani-Imitate. Ich kenne einige nette chinesische Damen, die die in New York verticken und mir die Mäntel besorgt haben. Haben Sie sich beim Dreh cool gefühlt? Nicht nur beim Dreh. Das ging mir eigentlich die ganze Zeit so. Da herrscht eine ganz eigene Stimmung, wenn man in New York mitten auf den Straßen dreht und auf dem Weg zur Arbeit, vom Wohn wagen zum Set, ganz normale Leute trifft. Es kam dann schon vor.dass Frauen stehen blieben und mir zuriefen, dass ich in natura viel besseraussehe. Bislang war mir gar nicht bewusst gewesen, dass ich auf der Leinwand wirke wie ein Troll, dass ich dieser hässliche Kerl aus den Filmen bin. Es war eine echte Offenbarung, dass man mich in Person offenbar ganz ansehbar findet.

Im Film müssen Sie aller Coolness zum Trotz relativ keusch bleiben, während Richard Roundtree im Original Shafts Ruf als „Sex Machine“ wirklich noch alle Ehre machte.

Ganz einfach: In den frühen Siebzigern war es für einen Helden in Ordnung, in einem Film mit fünf Frauen ins Bett zu steigen. Aber die Zeiten haben sich geändert: Wir schreiben das Jahr 2000, da findet man das nicht mehr cool – außer man hat diese James-Bond-Impfung und kann sich nichts holen.

Apropos James Bond: Könnten Sie sich vorstellen, dass „Shaft“ eine Serie im Stil der Bond-Filme wird?

Das wäre nett. Ich fände es toll, wenn Richard Roundtree im nächsten Film eine größere Rolle spielen würde.

Wo haben Sie Richard Roundtree kennengelernt?

Auf dem Golfplatz. Es war cool. Ich konnte es gar nicht fassen, mit John Shaft Golf zu spielen. Ich hatte ihm und diesen anderen alten Blaxploitation-Typen wie Jim Brown davor schon öfters zugesehen, weil sie auf einem Golfplatz in meiner Nähe spielten. Und irgendwann haben sie mich mitmachen lassen.

Haben Sie absichtlich schlecht gespielt, um ihn gewinnen zu lassen?

Ha, ich habe Sydney Poitier besiegt, als wir das erste Mal gemeinsam spielten. Es liegt einfach nicht in meiner Natur, andere gewinnen zu lassen.

Sie lassen sich nicht einmal von ihren Idolen schlagen?

Nein, das hat doch nichts mehr mit Golf zu tun. Wir können gerne über alles reden, worüber sie reden wollen, und ich bin dann völlig sprachlos vor Bewunderung. Aber wenn ich Golf spiele, dann spiele ich Golf.

Das ME-Interview

Was ist Ihr Handicap?

Momentan liegt es bei Acht.

Der Shaft von heute ist jemand, dem das Wohl von Familien am Herzen liegt.

Andere Helden für andere Zeiten. Richard Roundtrees Dämonen waren damals der weiße Mann und das System. Also kämpfte er dagegen an. Mein Shaft kämpft gegen etwas, das die schwarze Gemeinde heute bewegt: Rassismus und Drogen. Also ist die Figur, die ich spiele,etwas explosiver, etwas gewalttätiger.

Hat der Film eine politische Aussage?

Nein, Mann, das ist ein Popcorn-Movie. Es ist ein Knarrenfilm, ein Verfolgungs-und Knarren-Film. Da gibt es keine tiefsinnige Aussage. Es geht um Shafts innere Dämonen und dass er unter allen Umständen die Polizei verlassen muss. Das war mir ein Anliegen, denn Richard Price (ein anerkannter New Yorker Romanautor, zu dessen Arbeiten u. a. „The Wanderers“ und“Clockers“ sowie die Drehbücher zu „Die Farbe des Geldes“, „Sea OfLove“ und „Kopfgeld“ zählen; Anm. d. Red.) wollte, dass er während des ganzen Films über Polizist bleibt. Aber wenn ich als Cop durch den Film marschiert wäre, prügelnd und aus allen Rohren feuernd, dann hätte man das leicht als Glorifizierung von Polizeigewalt interpretieren können. Und das wollte ich auf alle Fälle vermeiden.

Hatten Sie den Eindruck, dass Sie John Shaft bei dieser Produktion beschützen mussten?

Weniger vor meinem Regisseur John Singleton. Wir standen auf der gleichen Seite. Aber es gab noch viele andere Leute, die bei diesem Film etwas zu sagen hatten. Zunächst einmal wurde Richard Price angeheuert,das Drehbuch zu schreiben. Ich gebe zu, Price ist ein guter Autor. Er schreibt verdammt gute Copstorys, und das ist fein. Aber er hat es nicht drauf, Dialogsätze so zu schreiben, dass ich sie später sagen kann. Aber man zahlte ihm viel Geld für das Verfassen des Drehbuchs. Also fühlte sich John Singleton manchmal verpflichtet, sich sklavisch an das Skript zu halten. Und diese Stimme in seinem Kopf sagte zu ihm: Lass ihn die Zeilen so sprechen, wie Richard sie geschrieben hat…lass ihn die Zeilen so sprechen, wie Richard sie geschrieben hat. Scheiß drauf, so einen Mist würdeich niemals sagen.

Was lag das Problem? Dass Richard Price ein Weißer ist?

Yeah. Diese Diskussion führten wir ein paar Mal: „Der schwarze Autor, der diese Zeilen für einen schwarzen Helden geschrieben hat, spricht einen anderen Dialekt als ich, also werde ich das anders ausdrücken.“ Nur – der Autor ist nicht schwarz. Ja, dieser Punkt wurde zur Sprache gebracht. Zwangsweise. Dazu kommt, dass aus einem mir nicht ersichtlichen Grund die meisten Regisseure, mit denen ich arbeite, bisher zwischen fünf und acht Filme gedreht haben. Okay. Ich habe mittlerweile an die 70 Filme gedreht. Wenn diese Leute also ihre Meinung über gewisse Dinge zum Ausdruck bringen, mit denen ich nicht übereinstimme, dann werde ich das sehr deutlich sagen. Manche sind bereit, einen Kompromiss zu finden. Ich sage dann, dass ich daran nicht interessiert bin. Man soll es so drehen, wie ich es will. Im Schneideraum habe ich dann doch ohnehin keine Kontrolle mehr darüber, wie der Film aussehen wird. Aber ich bin der da oben auf der Leinwand, der den Kopf dafür hinhalten muss, was ein anderervon mirverlangt hat. Kurz gesagt: Ich drehe nichts, womit ich nicht einverstanden bin.

Haben Sie am Ende Angst, Sie könnten sich einen schlechten Ruf einhandeln?

Nein, niemand sagt schlechte Dinge über mich. Ich gehe sehr diplomatisch vor. Oft liegt es nicht am Regisseur, sondern äs dci il,;:üii^ ,n seinem Kopf. Die Leute hinter ihm, die ihm gute Ratschläge geben, weil sie Angst haben, sie könnten am Schluss nicht mit genug Material dastehen. Das ist meistens absolut überflüssig. Ich habe genug Filme gedreht, um eines zu wissen.- Aus je mehr gedrehtem Material ein Filmemacher schöpfen kann,desto mehr wird sich der Film im Schneideraum von der ursprünglichen Idee entfernen. Das ist eine heikle Angelegenheit, aber ich habe mittlerweile genug Erfolg gehabt, um zu sagen, dass ich da nicht mitspiele.

Genießen Sie diese Macht?

Das hat nichts mit Macht zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand. Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich nicht in meinen Wohnwagen am Set einsperre oder mich vom Drehort verpisse, weil die nicht machen, was ich will. Ich führe einfach ein Telefongespräch und lasse jemanden mit ihnen reden. Meinen Agenten, meinen Manager, meine Anwälte. Die haben Spaß daran, den schlimmen Finger zu spielen. Sie lieben es. Sie sind alle kleine Frauen, die eine große Genugtuung verspüren, große Jungs zur Minna zu machen.

Wieso dieser Druck? Glauben Sie, dass Sie etwas Wichtiges zum Ablauf beizusteuern haben?

Absol ut. Oft ist es ja so, dass auch die Regisseure nicht allzu viel Macht haben.

Wer hatte dann die Macht bei „Shaft“? Produzent Scott Rudin? (Der Ex-Anwalt ist der erfolgreiche Produzent von Filmen wie „Kopfgeld“ oder“Sleepy Hol-Iow“, der jedoch in dem zweifelhaften Ruf steht, einer der cholerischsten und unangenehmsten Menschen von Hollywood zu sein; Anm. d. Red.) Nun, man kennt ihn ja. Einige Produzenten sind Machtschweine. Sie wollen, was sie wollen, wenn sie es wollen. Und wenn sie es nicht bekommen, dann drehen sie durch, brüllen rum, stampfen wütend durch die Gegend und schüchtern die Leute ein. Aber eines tun sie ganz gewiss nicht: Ihren Stars drohen sie nicht. Aber alle anderen müssen den Kopf hinhalten.

Dann ist George Lucas, für den Sie derzeit für „Star Wars: Episode 2“ vor der Kamera stehen, der ideale Typ für eine Zusammenarbeit?

Absolut. Er ist der Typ, der einfach da ist. Und man muss sich keine Sorgen wegen seiner Dialoge machen, weil sie George überhaupt nicht interessieren. Da kann hinter einem ein Flugzeug abstürzen, er ist immer noch zufrieden. Er verbringt zwei Jahre mit der Nachbearbeitung seiner Filme, da muss er sich während des Drehs nicht mit Kleinigkeiten abgeben.

Erzählen Sie uns die Handlung von „Episode 2“?

Nee, nur so viel: Die Dreharbeiten dauern bis zum 6. September und finden in Sidney statt.

Haben Sie ein persönliches Laserschwert?

Nein, der einzige, der ein Laserschwert behalten durfte, war üam Neeson, weil er nicht mehr mitspielen wird. Alle anderen leben noch. Deshalb wurden uns die Schwerterabgenommen. Aber vertrauen Sie minNoch am Leben zu sein, ist besser.

Zurück zu „Shaft“: Wie haben Sie sich in Shaft-Stimmung gebracht? Haben Sie sich die Songs von Isaac Hayes angehört?

Mein Agent hat mir den Soundtrack geschickt, nachdem ich zugesagt hatte. Das war erst der Anfang: Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Menschen mir die CD zuschickten. Ich hatte so viele davon, dass ich sie zu Weihnachten an alle meine Freunde verschenkt habe. Aber ich muss Sie enttäuschen: Ich saß nie in meinem Wohnwagen und legte den Song auf, bevor ich an die Arbeit ging.

Kann man Isaac Hayes „Theme from Shaft überhaupt noch unvoreingenommen hören?

Keine Ahnung-ich glaube nicht. Wenn man den Fernsehereinschaltet, läuft unter Garantie irgendein Auto-Werbespot, der den Song benutzt. Dabei ist der Titel wirklich unglaublich cool. Isaac Hayes’Soundtrack war damals einer der ersten, der half, einen Film populär zu machen. Er ist mitverantwortlich für die Idee, dass ein Soundtrack genauso wichtig wie der dazu gehörende Film sein kann.

Es war doch so: Am Anfang haben sich fast nur Schwarze den Film angesehen. Dann kam der Soundtrack und wurde im Radio gespielt. Erst dadurch wurden die Weißen auf den Film aufmerksam. Das war ein völlig neues Phänomen, das auch heute noch, 30 Jahre später, allen Vergleichen standhält. Richard ist immer noch der Inbegriff alles Coolen. Selbst meine Tochter hatte vor fünf Jahren, mit 13, ein Poster von Shaft an der Wand.

Hält Ihre Tochter Sie jetzt für cooler, nachdem Sie Shaft gespielt haben?

Das ist ihr völlig egal. Sie ist 18 Jahre alt, sie geht aufs College. Alles, was sie interessiert ist, ob ich ihr Tickets für das nächste Konzert der Backstreet Boys besorgen kann.

Mit „Shaft“ wurde die Blaxploitation-Welle ausgelöst. Was halten Sie rückblickend davon?

Na ja, sie haben unsere Dollars gern genommen.Zumindest dachten sie, dass es das sei, was sie tun. Aber das ist cool. Wir haben uns diese Filme in Massen angesehen, weil wir unbedingt unseresgleichen auf der Leinwand erleben wollten. Als meine Großmutter und ihre Freunde im Fernsehen erstmals Schwade gesehen haben, haben sie vor Freude geweint! Und auf einmal waren wir die Helden im Kino. Klar, dass wir uns das angesehen haben. Natürlich hat man uns auf diese Weise ausgenutzt, aber Blaxploitation ließ uns unzählige schwarze Schauspieler entdecken, von deren Existenz wir bis dahin nichts gewusst hatten. Dann war der Boom vorbei, und viele von ihnen verschwanden wieder in der Versenkung. Aber das Martksegment blieb bestehen. Hollywood wusste plötzlich, dass es eine schwarze Publikumsschicht gibt, die bedient werden will. Auch heute noch schneidert es uns Filme auf den Leib. Bloß jetzt sind es schwarze Regisseure, die die Exploitation betreiben. Man muss sich nur Filme wie „Booty Call – One Night Stand mit Hindernissen“ oder „Players Club“ ansehen.

Was halten Sie davon, wenn die Filme des Black Cinema als „Urban Movies“ beschrieben werden? Warum nennt man sie nicht beim Namen?

Man nennt sie doch beim Namen. Das sind Urban Movies.Sie wissen nur nicht.dass ihr urbanes Publikum weitestgehend aus Kids aus den weißen Suburbs besteht. Sie sind es, die für die unglaublichen Umsätze bei Rap-Platten sorgen. Sie sind es, die Eminem zum

König des Rap machten.

Sie haben in Interviews mehrfach Ihren Unwillen über Rapper in Filmen geäußert. Jetzt standen sie in „Shaft“ mit Busta Rhymes vor der Kamera. Haben Sie Ihre Meinung geändert?

Überhaupt nicht. Aber Busta ist anders. Man kann ihn überhaupt nicht mit den üblichen Fatzkes vergleichen, die sonst immer auf Filmsets rumlungern. Busta war bescheiden, Busta war enthusiastisch. Busta war aufmerksam, Busta hörte zu, wenn man mit ihm über eine Szene sprach. Und Busta hat nicht versucht, bei einem Teamfilm wie diesem im Mittelpunkt zu stehen. Es war eine echte Freude, mit ihm zu arbeiten. Im wahren Leben ist Busta dagegen eine überlebensgroße Cartoonfigur.

Im Gegensatz zu Ihnen…

Ich weiß, wie man sich im Hintergrund hält.

Interview: Robin Lynch/IFA, Übersetzung: T. Schultze O