Sauer macht lustig


Stone Temple Pilots: San Diegos Streithähne Vom Senkrechtstarter zum Kamikaze? Ihr neues Album hat das Zeug zum Überflieger, doch als Band droht den Stone Temple Pilots eine saftige Bruchlandung: persönliche Querelen bescheren dem kalifornischen Quartett eine Ungewisse Zukunft

Selten ist eine Band so glatt durchgestartet wie die Stone Temple Pilots. Nach ausgedehnten Tourneen und massiver MTV-Unterstützung verkaufte sich ihr Debüt „Core“ viermillionen Mal. Nach dem geglückten Jungfernflug gingen die Piloten erneut ins Studio, um ihren zweiten Höhenflug aufs Band zu bannen. Kaum waren die Aufnahmen zu „Purple“ im Kasten, da meldeten sich schon die Rolling Stones, und baten den Vierer ins Vorprogramm ihrer kommenden US-Tournee. Ideale Flugbedingungen für die Crew aus San Diego, himmelhohe Verkaufszahlen sind garantiert und die gesamte Besatzung ist bester Dinge sollte man zumindest meinen.

In Wahrheit ist genau das Gegenteil der Fall, der STP-Flieger befindet sich mitten in einem schweren Unwetter. „Wir haben seit Monaten nicht mehr miteinander gesprochen“, gesteht Sänger Scott Weiland, „es ist ein Wunder, daß wir dieses Album überhaupt fertigstellen konnten.“ Nur das massives Einwirken von Super-Produzent Brendan O’Brien (u.a. Pearl Jam, Aerosmith, Black Crowes, King’s X und das STP-Debüt) verhinderte den Abbruch der Plattenaufnahmen in Atlanta. „Brendan sagte: ,Wir haben einige unglaubliche Songs aufgenommen, doch unter diesen Umständen kann ich nicht weiterarbeiten. Entweder ihr redet miteinander oder ich breche die Arbeit ab und gehe nach Hause'“ erinnert sich Weiland. Also setzte sich die Band zusammen, und konnte so unmerbjgdas Schlimmste vermeiden. Doch die Beziehungen hl ben sich kaum verbesseM „Entscheidungen werden getroffen, indem jedes Bandmitglied individuell mit dem Manager redet“, berichtet der Frontmann. Funkstille herrscht vor allem zwischen Scott Weiland und den DeLeo-Brüdern Dean (Gitarre) und Robert (Baß), während sich Trommler Eric Kretz neutral verhält. Nach der Beschreibung des rothaarigen Sängers sieht die momentane Lage so aus: „Die beiden DeLeos sind solche Dickköpfe, sie haben enorme Schwierigkeiten über die entstandenen Probleme zu reden, sie sind frustriert.

Ihr Schweigen ist ein Verteidigungsmechanismus, weil sie mich für verletzend halten. Ich mag zwar eine starke Persönlichkeit sein, bin aber nicht der Hitzkopf, als den sie mich sehen. Ich habe auch keinerlei Schwierigkeiten, über alle Streitpunkte zu reden.“

Ehrlicherweise räumt der 26jährige ein, keine unkomplizierte Person zu sein, was er auf seine Kindheit zurückführt. „Als Kind war ich sehr gedankenverloren, vielleicht dachten die Leute deshalb, ich sei gestört, vielleicht nannten mich die Mädchen deshalb pervers und grenzten mich aus. Das tat weh, jedes Kind möchte Teil einer Gruppe sein, doch ich fühlte mich ausgestoßen.“ Später gehörte er dann zu den Jugendlichen, die hinter der Schule rauchten und Drogen nahmen. Huntington Beach, der Ort, an dem er aufwuchs, beschreibt Weiland als „konservatives Mittelklasse-Nest, in dem die Lokalpolitiker zusammen mit der Polizei jeden Rockclub dichtzumachen versuchten.“ Scott sah nur einen Ausweg, er kehrte dieser unheilvollen Umgebung den Rücken und zog mit seiner damaligen Band nach Los Angeles.

Dort traf er auf seine heutigen Kollegen, die es aus San Diego in die Stadt der Engel verschlagen hatte, um nach einem passenden Frontmann für ihre Band Ausschau zu halten. Im Laufe ihrer langjährigen Partnerschaft verschlechterte sich ihre Beziehung zwar zusehends, doch am Tage dieses Interviews wurde immerhin ein Silberstreif am Horizont sichtbar: Robert DeLeo und Scott Weiland, Songwriting-Partner seit acht Jahren, redeten und scherzten nach Monaten des Schweigens erstmals wieder miteinander. Saitenreißer Dean DeLeo zog es vor, gar nicht erst zum Promotion-Termin zu erscheinen, Bruder Robert griff hingegen zu einer altbekannten Diplomaten-Taktik und lobte seinen Vokalisten über den grünen Klee: „Scotts Gesang ist klar und innovativ zugleich. Ich bewundere ihn als Texter, seine Verse gelten gleichermaßen für ihn persönlich und die ganze Band. Wir sitzen alle im gleichen Boot, und er beschreibt die Reise. Wir gehen mit Problemen zwar anders um als er, doch ich kann sehen, wie er sie in seinen Texten verarbeitet.“ Versöhnliche Töne, in der Tat. Einige Tage später jedoch wurden die EnglandTour der STP sowie sämtliche Promotion-Aktivitäten abgeblasen…

Es wäre ein Jammer, sollte es infolge der Streitereien zum Super-GAU kommen. Ihr zweites Album „Purple“ hat alles, um die lästigen Vergleiche mit Alice In Chains und Pearl Jam endlich in Luft aufzulösen. „Der Zeitpunkt, an dem unser erstes Album erschien, war sicher unglücklich gewählt“, erkennt Robert DeLeo: „Damals gab es viele Bands, die ihren Claim bereits abgesteckt hatten. Vielleicht glaubte die Presse, es gäbe nicht mehr genug Platz für uns auf dem Markt. Es ist hart, wenn dich die Kritiker nach dem ersten Stück Arbeit beurteilen. Hoffentlich wird das neue Album diese Vorwürfe entkräften.“

Die einzelnen Mitglieder mühten sich jedenfalls redlich, den wenig schmeichelhaften Vergleichen aus dem Weg zu gehen. Vokalist Weiland glänzt mit berauschenden Gesangsmelodien, Gitarrist Dean DeLeo überzeugt durch angerauhte, krachende Riffs, sein Bruder Robert liefert geschmeidige Baßlinien, während Drummer Kretz ein Bonham-ähnliches Donnerwetter vom Stapel läßt. Alles in allem also ein Album, das klar den Stempel „Megaseller“ auf dem Cover trägt. Und im Song „Meatplow“ geben die sturmgebeutelten Piloten der ungeliebten Presse kräftig Contra: „Der Song beschreibt verantwortungslosen Journalismus“, erklärt Robert DeLeo, „wir reden über die Medien im Allgemeinen, und ,meatplow‘ (,Fleischpflug‘) ist der beste Vergleich, der uns dazu einfiel.“

Trotz oder gerade wegen ihres immensen Erfolges waren die Südkalifornier stets von Kontroversen umgeben. Als „Core“ erschien, goß kein geringerer als Eddie Vedder zusätzlich Öl in die Flammen. Wie die Stone Temple Pilots stammt auch der Pearl Jam-Sänger aus San Diego. Gegenüber dem amerikanischen Rock-Zentralorgan „Rolling Stone“ gab er zu Protokoll, daß er in seiner alten Heimatstadt von den STP-Musikern nie etwas gehört hätte. Scott Weiland pariert diese Attacke: „Weder die Mitglieder meiner Band, die zehn fahre in San Diego lebten, noch meine Freunde haben je viel von ihm mitbekommen“ , meint er lakonisch. „Es ist außerdem ziemlich anmaßend für Musiker, ihre Kollegen fertig zu machen. Vielleicht hat der Mann Probleme mit seinem Selbstvertrauen. Ich kenne ihn nicht, aber der klassische Rock, den seine Band spielt, wäre mir ohnehin zu langweilig.“

Streit und Spannungen, wohin man nur blickt. Allerdings waren Reibereien dieser Art stets ein guter Nährboden für emotionsgeladenen Rock’n’Roll. Was auf die Stone Temple Pilots mit Sicherheit zutrifft, wie Weiland verwundert feststellen muß: „Ich kann dasitzen und einen tierischen Haß auf Dean und Robert verspüren, aber wenn ich sie Gitarre spielen höre, dann bin ich total bewegt.“