Singles


Hatten wirs nicht gesagt beim letzten Mal? Hatten wir nicht eine Lanze gebrochen für „The Boys Of Summer“, diesen großartigen Song von Don Henley? Und jetzt kommen ausgerechnet The Ataris daher und spielen genau dieses „The Boys Of Summer“ (Columbia/ Sony Music) nach in einer muskelshirtigen, tätowierten, schweinerockigen Punk-Pop-Version, und dann belehrt uns das Presseinfo auch noch, dass ,.aufmerksamen Musik-Kanal-Nutzern „der Track „natürlich u.a. ouch in der TrancePop-Version von DJ Sammy bekannt sein

dürfte. Natürlich! U.a.! Auch!

Gerade kommt der Kollege rein und fragt, ob es denn wahr sei, dass sich alle drei Mädchen von Atomic Kitten ihre Brüste haben vergrößern lassen. Mit dieser Information können wir als unaufmerksame Mustk-Kanal-Nutzer leider nicht dienen. Nur so viel: Bei Atomic Kitten ist – Brust-OP hin oder her echt Hopfen und Malz verloren. „If You Come To Me“ (Virgin) kann man drehen und wenden, wie man will, es wird einfach kein Song draus. Im Gegenteil, es ist ein verdammter Shrinker. Ein kleines Kinderliedchen, das modern sein will.

i The Ataris? Atomic Kitten? Sie meinen, jetzt kann es eigentlich nicht schlimmer I kommen? Falsch. Wie wäre es. wenn Sheryl Crow statt mit Don Henley zur Abwechslung ein Duett mit Wolfgang Niedecken aufgenommen hätte? „fs So Easy“ (A&M/Polydor/Universal] ist eine schleimtriefende Ballade der Stärke 9 auf der nach oben offenen Celine-Oion-Skala. Man hört sich das an, und man schämt sich ein bisschen dafür, weil man sich als Landsmann Niedeckens ein bisschen mitverantwortlich fühlt, man mochte nach Hause gehen, die beiden einmal gemocht habenden Alben

SHERYL CROW Und THE GLOBE SESSIONS aUS

dem Regal ziehen und unten im Garten gleich neben dem Apfelbaum vergraben und jeden einzelnen Ton, den Frau Crow bisher abgesondert hat, rückwirkend für : schlecht befinden.

Oh, da kommt die neue Single von Missy EUiott. Verdammt. Es ist ein Duett mit Dieter Bohlen! Wer hätte das gedacht? Nein, nur ein Witz, nur ein Witz. „Pass That Dutch“ (Elektra/Eastwest] soll eine Coverversion von“.Pass The Dutchie“ sein, einem bescheuerten Song aus den achtziger Jahren von der Kinderband Musical Youth. Hört man aber überhaupt nicht. Ist eher ein mit Old-School-Sounds aufgeladener, minimalistischer Hip-Not-Hop-Track mit bauchwandstimulierenden Beats. Und das in den handelsüblichen ungefähr 95 Remix-lnstrumental-iNon)Explicit-A-capella-Versionen.

Apropos handelsüblich. Früherwar die Welt der Singles noch in Ordnung. Da gab’s eine A- und eine B-Seite. Und Schluss. Heute erscheint die kleine Schwester der Langspielplatte in [mindestens] zwei CD-Versionen und als DVD. So wie“.Bottle Liying“ (Mute/Virgin), eines der stärksten Stücke des Soloalbums von Dave Gahan. Wer neben der Album-Version des bluesgetränkten Songs noch unbedingt den „Tomcraft Vocal Mix“, den“.Machine Head Lyric Mix“, den „T.Raumschmiere Füll Length Vocal Mix“, den „Tomcraft Dub Mix“, das Video, den „Radio Mix“ von „Hold On“ und den „Alexander Kowalski Remix“ von Hidden Houses besitzen muss, der muss sich alle drei Formate kaufen.

Und wieder so was. Eine „Single“, die mit 37 Minuten und sechs Sekunden Spielzeit länger ist als – zum Beispiel – das aktuelle Strokes-..Album. Weil der“.Titelsong“ „Autopilot“ iLadomat/Mute/ Virgin) gleich in sieben Versionen drauf ist. Erwähnten wir bereits, dass so was durchaus ermüdend sein kann? Aber fangen wir von vorne an. Der Schweizer Golden Boy hat sich für diese Single zum zweiten Mal seine“.Lieblingsfreundin‘ Miss Kittin geholt, was nicht die schlechteste Idee ist, weil Miss Kittin in manchen Kreisen als next big thing gehandelt wird. Auf jeden Fall ist das Original wieder eines dieser fiepsigen Achtziger-Jahre-Elektro-not-Clash-Dinqer, die man nur lieben oder hassen kann. Wir entscheiden uns für die Liebe, steigen aber nach dem vierten Remix um auf Hellfire.

Heitig’s Blechle. Was haben Hellfire aus München mit I „Lost“ (Hausmusik/Kollaps/Indigo) für ein prachtvollschäbiges Stück LoFi-Rock aufgenommen! Natürlich hat man diesen hektisch herumpotterndenFrauengesangs-lndie-, Rock schon tausendmal gehört. Aber selten so charmant und mit so viel Pop-Appeal wie hier.

I Jessas, Kylie. Jetzt mal ganz ohne, äh, Ansehen der Person. „Slow“ I Parlophone/Capitol) ist ein ähnlich großes Sensatiönchen wie das letztjährige „Can’t Get You Out Of My Head“. Nur halt ganz anders. Dermaßen minirnalistischer Retro-Elektro-Scheiß mit einem Kraftwerk-Sample, ca.“.Spiegelsaal“. Einem gefühlten Sample, Herr Hütter, beruhigen Sie sich, das Sample ist nur gefühlt. Bleibt nur die Frage, wie die „Lalala Lalalatala Lalala Lalalalala“-Befürworter sowas aufnehmen. Obwohl: Untanzbar ist das nicht.

Nicht untanzbar auch Andrew Carthy aka Mr. Scruff. „Giffin“ INinja Tune/Zombal ist ein flotter, souliger House-Feger vom Album trouser jazz, der im vokalen Remix von Speechless sogar noch ein bisschen dazugewinnt, “ wie überhaupt Singles mit Remixen, die keine Auftragsarbeiten von Schallplattenfirmen sind, sondern die von den Künstlern selber, dazugewinnen.

Endlich! Endlich traut sich mal einer, die Wahrheit zu sagen. Wie spricht sich Dubitt-U, wie witzig) aus Bremen (of all places) sprechen oder besser sprechsingen sich auf ihrer Single“.Popchartsinger“ (WEA) gegen, nun ja, Popchartsinger, Plastikpop und Plastikwelt aus. Wir nehmen wieder einmal sehr gerne zur Kenntnis, dass Popchartsinger, Plastikpop und Plastikwelt so richtig pfui sind, finden diesen Highspeed-Dancehaü-Track gar nicht.mal so schlecht und warten darauf, dass sich endlich mal einer sagen traut, dass Daniel Küblböck gar nicht singen kann, ey.