Sophie Hunger


Darf man von Berufung sprechen, wenn die Musik so wunderschön ist? Eine Schweizer Künstlerin will das nicht beantworten.

Zürich, März 2008: Zwei Stunden, nachdem Sophie Hunger im ausverkauften EWZ-Saal ein schlichtweg atemberaubendes Konzert für 700 Menschen gespielt hat, steht sie im Club Helsinki, in dem erst so kurz davor alles angefangen hat. “ Die haben hier eine Hausband, die spielt jeden Sonntag Covers –Hank Williams, Irma Thomas, solche Sachen“, sagt sie und zeigt auf die kleine Bühne, die an einer Seitenwand der ehemaligen Dreifach-Garage aufgebaut wurde. “ Und einmal hab ich zu viel getrunken und mir das Mikrofon geschnappt und ein Stück gesungen. Dann haben sie mich animiert, jeden Sonntag zu kommen. Ich war früher sehr introvertiert und gehemmt auf der Bühne, dem Publikum gegenüber verlegen. Aber in der Zeit im Helsinki hab ich verstanden, dass ich alles loslassen muss, dass das Publikum wichtig für mich ist. Und irgendwann wurde das fast eine Sucht – diese Konzentration. Die Tatsache, dass ich so ausgestellt bin, hat eine Spannung ausgelöst, die ich ausnutzen konnte. Aber manchmal kehrt sich das wieder um: Es gibt heute noch Konzerte, bei denen ich diese Spannung nicht aushalte, bei denen mir das alles Angst macht…“

Der Erfolg, den Sophie Hunger mit ihren intimen, anspruchsvollen Songs inzwischen in der Schweiz hat – ihr zweites Solo-Album MONDAV’S GHOST erreichte zum Erstaunen aller (inklusive der Künstlerin und ihrer Independent-Plattenfirma Gentlemen Records) Platz 1 -, kam schnell. So schnell, dass Sophie heute im Interview oft noch nach Worten ringt – auch und vor allem, wenn es um ihre Rolle als Musikerin geht. „Das ist immer so eine Vorstellung, dass man an einem Morgen aufwacht und weiß, was seine Berufung ist“, sagt sie zögerlich. „Das empfinde ich überhaupt nicht so. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich weiß nur, dass ich eine gewisse Kraft beim Musizieren empfinde, die mir sonst fehlt.“

Wenn sich geeignete Worte so schwer finden lassen, dann muss eben die Musik sprechen. In ihren Songs – sowohl auf dem selbst produzierten, in ihrem Appartement in Zürich aufgenommenen Solo-Debüt SKETCHES ON SEA als auch auf MONDAY’S GHOST – kann man die Kraft jedenfalls spüren. Und was gibt es Überzeugenderes als das?

CD im ME Albumkritik Seite 82

www.sophiehunger.com