Soul


1. Teil Soul bedeutet Musikstil, Modetrend und Lebensform zugleich. Von Ray Charles in den Fünfzigern bis hin zu Dexy's Midnight Runners lassen sich Soul-Elemente verfolgen. Im ersten Kapitel unserer zweiteiligen Special Story beleuchtet Wolfgang Bauduin vorwiegend die sechziger Jahre. Ewald Braunsteiner wird sich im nächsten ME mit den Siebzigern beschäftigen ...

What is Soul? Mann, da gibt es leichtere Fragen, vor allem für einen Weißen. Aber auch Schwarze sind sich da keineswegs einig…

Ben E. King meinte: „Soul comes from deep inside, soulis something that you can’t hide“.

Das mag dann so sein, wenn man ihn hat, den Soul. Aber: „Keineswegs alle Schwarzen haben Soul, und nicht alle Weißen haben keinen Soul“, bemerkte Kristin Hunter, Autorin von „Soul Brothers And Sister Lou“. Der Journalist AI Calloway behauptete bündig: „Soul haben, heißt sagen, wie es ist“. Aha! Schlauer jetzt?

Dann doch lieber Ray Charles zitiert: “ Wir wissen nicht genau, was Soul ist. Soul ist wie Elektrizität. Er ist eine Kraft, die einen ganzen Saal ausleuchten kann“.

Mit anderen Worten: Soul ist etwas Besonderes, aber nichts Einmaliges, denn einen ganzen Saal ausleuchten können auch Blues oder Rock ’n‘ Roll oder Punk oder Rock oder Jazz. Und Soul ist stilistisch – ähnlich anderen Musikformen – kaum exakt zu fixieren: Er liegt zwischen solch gegensätzlichen Polen und Parolen wie „Say It Loud – I’m Black And I’m Proud“ einerseits und „My World Is Empty Without You, Babe“ andererseits. Zwischen Polit-Parole und Liebesgezwitscher also, wobei – dies mag der Leser im folgenden stets bedenken wir uns zunächst lediglich über Soulmusik bis etwa 1970 unterhalten …

Soul ist eindeutig. Denn anders als im Blues, wo sich auch weiße Musiker und Sänger profilieren, ist Soul einfarbig schwarz weiße Interpreten, die jene sog. „blue-eyed soul“-Abart, glaubhaft interpretieren, sind an einer Hand abzuzählen. Darüber hinaus kann man einen Soul-Song jederzeit als solchen erkennen wenn man einen hört. Denn im Soul bedient man sich anderen zwar gelegentlich diverser Kunstgriffe aus Musiksparten, vermischte sich aber nie mit anderen Stilen. Sly & The Family Stone sind da die rare Ausnahme – und dann gleich schon ‚revolutionär‘. Wer, wie einst die Vokalgruppe Fifth Dimension, den Soul vortäuscht, ist schleunigst entlarvt. Und: Soul ist allzeit tanzbar. Soul ist überhaupt nicht eindeutig. Dem politischen Stellenwert der Soulmusik als Form und Ausdrucksweise widerspricht die Tatsache, daß politisch relevante Song-Texte selten sind oder sich auf Schlagworte beschränken. Der Aura des Soul als „Getto-Musik“ steht entgegen, daß nur wenige Künstler des Genres einem Getto entstammten oder dem Getto sehr rasch und sehr weit entfliehen konnten: etwa von Detroit nach Los Angeles. Soulful zu sein, bedeutet darüberhinaus nicht unbedingt, daß man ein ernsthafter Soul-Interpret ist. Die Beispiele reichen von Presley über Berry und Hendrix bis zu Mahalia Jackson.

Überhaupt ist der Begriff Soul erst seit etwa 1964 Allgemeingut – wer schon vorher soulful, also beseelt und sinnlich, im weiteren Sinne auch echt, körperlich und lebensnah (was immer das bedeuten mag) gesungen hat, tat dies ohne Etikett. Und auch Parallelbegriffe zum Soul, etwa feeling oder funky, helfen uns nicht weiter.

Schon eher hilfreich ist die simple Tatsache, die Rock ’n‘ Roll und Soul gemeinsam haben: einen Vater namens Rhythm & Blues sowie dessen Großvater, den Blues. Doch während R & R gemischt-rassig ist (Mutter: Country & Westem), blieb Soul in der Familie. Die Mama heißt Gospel und ist die religiöse Musik der amerikanischen Schwarzen.

Allerlei Mixturen aus R&B, Gospel, Blues, R & R und Pop auszutesten, war in den 50er jähren unter schwarzen Interpreten durchaus üblich, hatten sie ihre musikalische Flexibilität doch meistens schon als Kind im Gospelchor trainiert. Daher ist es legitim, Soul als „säkularisierten Gospel“ zu bezeichnen, als Kirchengesang in Verbindung mit schnöder Thematik zwischen Frauen und Alkohol, Sex und Glücksspiel, mit gleichermaßen weltlichen Instrumenten gespielt.

Dabei mußte es sich keineswegs immer um schnelle und harte Songs handeln. Die Coasters mit „Yakety Yak“, „Charlie Brown“ oder „Poison Ivy“ (begleitet vom Saxophonisten King Curtis), die Drifters bzw. ihr Sänger Clyde McPhatter mit „Money Honey“ bzw. „A Lover’s Question“ oder der später zum Nightclub-Pop konvertierte Jackie Wilson mit „Reet Petite“ (Text: Berry Gordy!) vollzogen die Säkularisation, die Hank Ballard wohl am weitesten vorantrieb: Sein „Work With Me, Annie“ sagte in der Tat, wie es ist.

Frühe Soul-Stars, die man damals allerdings noch nicht so nannte, waren Ray Charles und Sam Cooke. Charles verband auf geniale Art Blues, Jazz, Gospel und Spiritual (Vorform des Gospel), ja sogar zusätzlich noch Rock ’n‘ Roll in „What ‚d I Say“, und sprach damit ein Publikum quer durch alle Farben und Herkünfte an. Leider ist Charles seit 15 Jahren nur noch ein Abziehbild seiner selbst, das vorwiegend „I Can’t Stop Loving You“ singt.

In die Verlegenheit, dermaßen abzusinken, kam Sam Cooke nicht: Er wurde im Dezember 1964 von einer Hotelmanagerin erschossen, nachdem er deren Büro in derangierter Kleidung betreten hatte. Bis dahin allerdings prägte Cooke in Songs wie „You Send Me“, „Twistin‘ The Night Away“ oder „Bring It On Home To Me“ schmeichelnden Schluchz-Gesang zwischen Gospel-Ballade und Pop. Seinen größten und besten Imitator hat Cooke nie kennengelernt: Rod Stewart.

Trotz solch wichtiger Vorgeplänkel in den 50er Jahren kann die Geburt des Soul auf’s Jahr genau fixiert werden – als nämlich aus dem sich entwickelnden Stil zugleich ein gesteuerter Modetrend wurde. In Detroit alias „Motor Town“ lebte der ehemalige Boxer und Plattenladen-Besitzer Berry Gordy, der seit 1957 durch Jackie Wilson’s „Reet Petite“ sowie nachfolgende Hits beachtlichen Ruhm als Komponist und Texter errungen hatte. 1960 gründete Gordy am West Grand Boulevard No. 2648 die Plattenfirma Tamla Motown; allerdings nicht, wie man bei Motown gern flunkert, mit geliehenen 800 Dollar (Tellerwäscher-Karriere und so…), denn die Finanzmittel hierzu besaß Gordy bereits. Die geliehene Summe bezog sich im Jahr zuvor auf Gordy’s Einstieg in eine firmenunabhängige Single-Produktion.

Gleichfalls im Jahr 1960 ¿ benannten Jim Stewart und Schwester Estelle Axton in Memphis/Tennessee ihre im Vorjahr gegründete Firma

Satellite in Stax um (Stax = STewart/AXton) und ließen sich an der East McLemore Avenue No. 926 nieder. Auch hier spielte geliehenes Geld eine indirekte Rolle: Stewart nahm 2500 Dollar auf, um einen Ampex-Recorder zu kaufen. Anders als Motown jedoch, das alle Angelegenheiten selbst regelte, beschränkte sich Stax auf Produktion, Talentsuche etc. und ließ dann die Platten bei Atlantic Records pressen und vertreiben. Atlantic stieg ab 1964 zum dritten Soul-Giganten auf, teils solo und teils aufgrund der Kooperation mit Stax.

Welches Potential in der Soulmusik steckte, war allen Beteiligten spätestens vier Jahre nach der Gründung der Firmen klar. Als 1964 britische Beat-Bands namens Beatles, Animals, Dave Clark Five oder Herman’s Hermits die USA invasionierten, konnten die Staaten dem lediglich zwei Phänomene entgegensetzen: Die Beach Boys und Soul, insbesondere von Motown.

Die Beat-Bands hatten Kraft und Saft des Soul sehr früh entdeckt. Nicht allein Blues und Rhythm & Blues, wie oft behauptet, trieben Englands Combos voran, sondern nicht zuletzt Soul und seine Songs. Die Hollies mit „That’s How Strong My Love Is“ und „Mickey’s Monkey“, die Seachers mit „I’ll Be Doggone“ oder die Small Faces mit „Shake“ wirkten dabei reichlich dilettantisch; eleganter nahmen die Beatles in „Money“, „Please Mr. Postman“ und „You Really Gotta Hold On Me“ die Kurve; gleiches gilt für die Kinks mit „Lc-ng Tall Shorty“ und „Dancing In The Street“ oder the Who mit „Heat Wave“, „Please Please Please“ und „I Don’t Mind“; am besten schnitten die Spencer Davis Group und die Rolling Stones ab: Wer wollte Steve Winwood’s „When A Man Loves A Woman“ den Soul absprechen? Und das ehrliche Bemühen trieft geradezu aus Stones-Versionen von „If You Need Me“, „It’s All Over Now“, „Mercy Mercy“, „Hitch Hike“, „Can I Get A Witness“, „Cry To Me“, „Everybody Needs Somebody To Love“, „Pain In My Heart“, „My Girl“, „Walking The Dog“, „Good Times“ und – allerdings viel später – „Ain’t Too Proud To Beg“ (ja, sooo viele sind das, besonders gute auf OUT OF OURHEADS).

Manche Interpreten absorbierten indes jeglichen Soul und übernahmen lediglich die Komposition: die Walkers Brothers in „Stand By Me“ und „People Get Ready“ und Amerikaner wie die Mamas & Papas („Dancing In The Street“, „My Girl“) oder Vanilla Fudge (.People Get Ready“ und das fantastische „You Keep Me Hanging On“).

Fast sah die Sache aus wie ein Wettbewerb. Etwa, als Otts Redding sich für die Reminiszenzen der weißen Bands bedankte, indem er nun „Satisfaction“, “ A Hard Days Night“ oder „Day Tripper“ in sein Repertoire aufnahm.

Doch was war außerdem geschehen? Daß etwa Motown mit seinem „Detroit Sound“ zur besten Zeit 75% Hitanteile (drei von vier Singles gelangten in die US-Top 100) verbuchen konnte, was nirgendwo auch nur annähernde Vergleiche findet? Daß Interpreten wie die Supremes mit fünf Singles hintereinander Platz 1 und mit dreizehn aufeinander folgenden Singles die Top 10 erreichten? Daß Soul insgesamt, trotz aller Rockbegeisterung, in den Jahren 1966/67 der Trend war, beherrscht von Motown, Atlantic und Stax – in dieser Reihenfolge?

Die grundsätzliche Antwort hierzu fällt leicht: Firmen-Manager, die musikalisches Gespür mit handfestem Geschäftsgebaren vereinten, trafen auf geniale Komponisten und Texter, die wiederum auf exquisite Musiker und Sänger – und die auf den rechten Sound zur rechten Zeit am rechten Ort… Eine Art „Wir-sitzen-im-gleichen-Boot‘ -Mentalität prägte sowohl Stax als auch Motown – das Bild von der großen Happy Family wurde speziell von Motown lanciert und besaß bis 1968 wohl auch gewisse Berechtigung. Daneben konnten Stax und Motown eine gelungene Mischung aus routinierten Künstlern und neuen Talenten präsentieren – was jung und alt zum Vorteil gereichte.

Am auffälligsten kann dies bei Stax bewiesen wer-. den. Im Gründungsjahr der Firma erschien ein gewisser Rufus Thomas, langjährig Komiker, Sänger und Discjockey, im Stax-Büro und bat um die Möglichkeit, eine Platte aufzunehmen. Seine Tochter Carla Thomas hatte er gleich mitgebracht. Das Vater-Tochter-Duett „Cause I Love You“ lief passabel, solo indes verdoppelte sich der Erfolg: Rufus gelang 1963 mit „Walking The Dog“ und 1970 mit „Do The Funky Chicken“ je ein Hit, Carla brillierte 1961 mit „Ghee Whiz“ und 1966 mit „B-A-B-Y“ und erhielt darauf den Titel „Queen of Memphis Sound“.

Nun hatte Stax den Memphis Sound keineswegs erfunden. Die Stadt war nämlich seit jeher eine wichtige Verkehrszentrale der USA, in der etliche Eisenbahnlinien und Straßen (u. a. Highway 61) zusammenliefen und entsprechend viel Volk versammelten.

Und Memphis liegt am Mississippi…

Seit dem Ur-Blueser W.C. Handy und Bukka White bis zu B. B. King kulminierte hier Musikgeschehen, am bemerkenswertesten 1954/56: Da setzte das Label Sun unter Sam Phillips durch Elvis Presley, Roy Orbison, Jerry Lee Lewis, Carl Perkins und Johnny Cash den Rock ’n‘ Roll in die Welt.

Allerdings: Unter „Memphis Sound“ hat man immer den Soul dieser Stadt verstanden, der hier – anders als im rein schwarzen Motown-Konzern – gemischtrassig entstand. Den weißen Firmenchefs Stewart/Axton arbeitete der schwarze Vize-Chef AI Bell in die Hand; die geniale Hausband des Labels, Booker T. & The MGs, bestand aus den schwarzen Booker T. Jones (keys) und AI Jackson (dr) sowie den weißen Steve Cropper (g) und Donald Dünn (bg); und die schwarzen Sänger wurden begleitet von den Mar-Keys, die nichts anderes waren als Teile der MGs plus Bläserverstärkung durch Don Nix (sax), Charles Axton (sax) und Wayne Jackson (tp), wobei man gelegentlich wechselte – je nachdem, ob man mehr weiß oder mehr schwarz klingen wollte. Aus der Mar-Keys sind später die berühmten Memphis Horns entstanden. Und: wenn die Mar-Keys mal nicht Begleitung auf irgendwelchen Singles spielten, nahmen sie Instrumentalhits auf, etwa „Last Night“ 1961 oder „Philly Dog“ 1966.

Dem gestandenen Alter einiger Mar-Keys standen Steve Cropper und Booker T. Jones entgegen. Als die beiden mit den MGs 1962 den Riesenhit „Green Onions“ landeten, war Cropper gerade 21, Booker T. erst 17 Jahre alt. Der Erfolg der MGs steigerte sich mit „Soul limbo“, „Hang ‚Em High“ und „Time Is Tight“ und als Booker T. seinen ersten Soundtrack geschrieben hatte (für „Uptight“), war er erst 24. Rein nebenher schloß er noch ein Musikstudium ab.

Steve Cropper ist ein ähnliches Wunderkind; nie ein Star, aber wichtiger als alle Ritchie Blackmores und Ted Nugents zusammen. Seine akribischen, effektvollen Gitarrenkürzel haben fast alle Stax-Hits – und nicht nur diese – geprägt. Als Komponist und Produzent sorgte er für andere und sich selbst: „Knock On Wood“ von Eddie Floyd, „In The Midnight Hour“ von Wilson Pickett und „The Dock Of The Bay“ von Otis Redding waren Cropper’s wichtigste Kompositionen.

Doch Stax beherbergte weitere Haus-Arrangeure und -Komponisten. David Porter etwa, der zwar keinen eigenen Hit erzielte, dem wir aber eine denkwürdige, llminütige Version des McCoys-Hits „Hang On Sloopy“ verdanken. Und Isaac Hayes, der es (außer zahlreichen Hayes/Porter-Songs) 1971 selbst zum Welthit brachte, als er den Titelsong zum Soundtrack „Shaft“ sang. Hayes‘ Soul mit etlichen Geigen und Wah-Wah-Gitarre läutete schließlich einen Teil von Disco ein…

Nicht zu vergessen jene Sänger, die dem bläserbetonten, weit erdiger als Motown klingenden Stax-Soul Kontur verliehen: Johnny Taylor mit „Who’s Making Love“, Judy Clay & William Bell mit „Private Number“, Rufus & Carla Thomas, Eddie Floyd, Sam & Dave mit „Soul Map“ und „Hold On I’m Coming“ und dem frühen Otis Redding… vor einigen Jahren (ich glaube: 1Ö77) hat Stax Konkurs angemeldet. Einige der Stax-Stars tauchten. Mitte der sechziger Jahre auch auf dem Atlantic-Label auf, was auf der engen Kooperation beider Firmen in den Jahren 1960 bis 1968 basierte. Atlantic war 1947 von Herb Abramson und Ahmet Ertegun gegründet und 1953 in der Firmenspitze durch Neshui Ertegun und Jerry Wexler erweitert worden. Schon in den 50ern war Atlantic immer für schwarze Musik gut (Ray Charles, Drifters, Coasters), erhielt aber erst Anfang der 60er die entscheidende Spritze: , Unsere Methoden… haben uns immer gute Dienste geleistet bis die Stax-Kiste kam und uns gezeigt hat, daß wir uns schon eine gewisse Rentnermentalität zugelegt hatten. Aber wir hatten das Glück, uns gegenseitig zu ergänzen …“

(Jerry Wexler).

In der Tat: der Atlantic Sound klang fast so rauh wie das Stax Material, setzte aber an Stelle der Uhrwerkhaftigkeit von Booker T. & The MGs stärker betonten Rhythmus, mehr Hall und einfache Bläser ein – ein Schritt in Richtung Pop. Eine Hausband für Soulmusik war bei Atlantic unbekannt (gelegentlich halfen Stax-Musiker), was aber angesichts des Gemischtwarenladens bei Atlantic nicht verwunderte: Man zielte mit Herbie Mann, Wilson Pickett, Vanilla Fudge und allem, was dazwischen lag, auf vielerlei Arten von Publikum. Und dies äu-‚ ßerst erfolgreich – obwohl das 1947 natürlich noch nicht absehbar war: da hatte sich, und jetzt schließt sich der Kreis, Ahmet Ertegun 10.000 Dollar von seinem Zahnarzt geliehen, zwecks Gründung einer Plattenfirma…

Der wichtigste Soul-Sänger bei Atlantic war Otts Redding, definitiv einer der größten überhaupt. Als Zwanzigjähriger nahm Redding 1961 seinen ersten Song bei Stax auf („These Arms Of Mine“) und begründete damit seine fulminante Karriere, die allerdings nur sechs Jahre dauerte. Wie kein anderer vereinte Redding seine beiden Vorbilder, je nachdem, ob er gerade ekstatisch oder balladesk sang: Little Richard und Sam Cooke. Redding brüllte „Shake“ oder klagte „I’ve Been Loving You Too Long“, übrigens besonders eindrucksvoll auf dem Monterey Pop Festival, wo er inmitten weißer Rockbands glänzend bestand und unmittelbar vor dem Welterfolg stand. Am 10.12.1967 starben Redding und vier Musiker seiner hervorragenden Band The Bar-Kays bei einem Flugzeugabsturz. So lange Redding nicht „Satisfaction“ oder „A Hard Days Night“ sang, blieb er unerreicht…“

Redding’s scheinbarer Konkurrent hieß Wilson Pickett, ein Newcomer, der aggressiv knurren und schreien konnte wie kaum ein zweiter. Dies zu begradigen, schickte Atlantic ihn nach Memphis, wo Pickett mit Booker T. & The MGs „In The Midnight Hour“ und „Don’t Fight It“ einspielte – beides Hits. Auch „Land Of 1000 Dances“ und „Mustang Sally“ tönten angenehm, doch als allmählich klar wurde, daß Pickett zwar fantastisch, aber eben nur schreien konnte, wirkte es auf Dauer ziemlich einseitig und daher langweilig.

Bereits ein alter Hase im Geschäft war Solomon Burke, als er zu Atlantic stieß. Der ordinierte Priester (!) besaß weit mehr Stimmvielfalt als etwa Pickett, schaffte aber trotz „Keep Looking“ und dem wunderbaren „Cry To Me“ nie den Durchbruch. Arthur Conley und Percy Sledge wiederum waren Springinsfelde, als sie 1966/67 über Nacht bekannt wurden. Während Conley mit jugendlicher Vitalität „Sweet Soul Music“ intonierte, eine bloße Aneinanderreihung berühmter Soul-Namen, schnurrte Sledge „When A Man Loves A Woman“ und „Warm And Tender Love“ – mit die besten Soul-Songs überhaupt. Doch Pickett wie Sledge wie Conley wie Joe Tex und wie Sam & Dave erging es auch Aretha Franklin: Ihr Konzept war zu einseitig, um länger bestehen zu können. Franklin, mehr Talent besitzen nur wenige, hatte sich sechs Jahre lang unerquicklich durchgeschlagen, ehe sie bei Atlantic mit „Respect“, „Chain Of Fools“ oder „I Say A Iittle Prayer“ zur absoluten Queen Of Soul emporgestiegen war. Doch persönliche Probleme belasteten sie, und als Aretha dann auch noch Songs von Simon & Garfunkel, den Beatles und The Band in ihre strenge Gospel-Stimme zwingen wollte, nahm das Interesse an ihr stark ab. Ende der 60er ein allgemeines Problem des Soul…

Detroits Motown Label, das seit 1971 in Los Angeles residiert, hat diese Talsohle am besten verkraftet. Das mag an Berry Gordy gelegen haben, mehr aber wohl noch an der Tatsache, daß Motown die meisten Künstler und die besten Komponisten und Arrangeure besaß. Schon mit der achten Motown-Single hatte Gordy seine erste Goldene erwirtschaftet: „Shop Around“ von den Miracles, die – wie auch die Contours oder die Isley Brothers – bereits vor der Motown-Gründung aktiv waren. Der brillante Sänger, Texter und Komponist der Miracles hieß William ‚Smokey‘ Robinson, mindestens 10 % des gesamten Motown-Erfolges wert, der mit „The Tracks Of My Tears“ und „I SecondThat Emotion“ (gleich „I Say: Can That Emotion“) unsterbliche Miracles-Songs produzierte. Neben Robinson arbeiteten weitere Hitlieferanten in den Firmenbüros:

Komponist/Produzent Norman Whitfield seit 1962 und ab 1963 Brian Holland/Lamont Dozier/Eddie Holland – kurz: H-D-H – sowie Barrett Strong, Henry Cosby und Nick Ashford „Valerie Simpson. Ohne H-D-H beispielsweise kann der Erfolg der Supremes oder der Four Tops erst gar nicht erklärt werden. Grundsatz der Arbeit von H-D-H war, eine einmal gefundene Masche so lange laufen zu lassen, bis sie eintöniger wurde (was sich an Hitplazierungen ablesen ließ) und dann die gleiche Masche, partiell verändert, von neuem zu stricken.

Den Vogel schössen H-D-H bei den Four Tops ab: Als „I Can’t Help Myself“ Nummer eins wurde, sorgten die drei Autoren für den Nachfolger, indem sie ungefähr einen Akkord änderten, alles andere (außer dem Text) beibehielten und dies dann ehrlicherweise „It’s The Same Old Song“ nannten. Mit „Something About You“ und „Shake Me Wake Me“ gingen die Four Tops dann relativ in den Keller, doch da schufen H-D-H mit „Reach Out I’ll Be There“ die Masche halbwegs neu – die Tops erreichten wieder Platz eins. Und in diesen Regionen blieben Levi Stubbs, Abdul Fakir, Lawrence Payton und Obie Benson denn auch bis zu ihrer Abkehr von Motown 1971, etwa mit „Standing In The Shadows Of Love“, „Bernadette“, „Seven Rooms Of Gloom“ oder Cover-Versionen von ,If I Were A Carpenter“ von Tim Hardin und „Walk Away Renee“ von The Left Bänke.

‚iWe die Four Tops zählten auch Martha Reeves & The Vandellas zu den härteren Motown-Acts: „neat Wave“, „Quicksand“, „Dancing In The Street“ und Jimmy Mack“ klangen rauh und spröde; ähnlich die Songs der Pips mit ihrer vielseitigen Sängerin Gladys Knight („Take Me In Your Arms“ oder „I Heard It Through The Grapevine“ – ein Jahr vor Marvin Gaye und bedeutend schneller im Tempo). Mit den Marvellettes hielt sich Motown sogar ein Quintett nach Art der 50er-Girl-Groups, das mit „Please Mr. Postman“ bereits 1962 groß herauskam.

Mit Junior Walker & The AU Stars heimste eine teils instrumentale Band Erfolg ein: Junior Walkers Saxophon, wohl am Vorbild King Curtis ausgerichtet, schwirrte durch Reißer wie „Shotgun“ oder „What Does It Take To Win Your Love“, aber auch Nightclub-Soul Marke „How Sweet It Is“. Ziemlich erfolglos hingegen agierten die Spinners auf dem Motown-Label. Die reine Vokalgruppe, meist Motown Spinners oder Detroit Spinners genannt, um Verwechslungen mit einer Folklore-I3and zu vermeiden, erreichte ihren Zenit erst Anfang der 70er auf dem Atlantic-Label: Reichlich spat für eine Gruppe, die seit 1955 aktiv war. Um diese Zeit herum hatten sich auch die Isley Brothers formiert, zunächst drei, schließlich gar fünf echte Brüder, die mit Rock ’n‘ Roll („Twist And Shout“, von den Beatles gecovert) begannen und bei ihrem Marsch durch diverse Plattenfirmen 1966 bis 1968 bei Motown landeten. Hits wie „This Old Heart Of Mine“, „I Guess I’ll Always Love You“ oder „Behind A Painted Smile“ bezeugten den vorzüglichen Gesangsstil der Brüder. Leider machten ihnen die Plattenfirmen Schwierigkeiten: Wegen ihres mehrfachen Wechseins verstrickten sich die Isleys in einige Prozesse und erlebten etwa zu ihrer Motown-Zeit, wie „It’s Your Thing“ von ihrem alten Label erfolgreich die Motown-Karriere durcheinanderbrachte.

Von solcherlei Angelegenheiten völlig unbelastet, überstanden die Temptations wahrlich alle Trends und Wirren. Egal, ob sie mal wieder einen ihrer Sänger (u.a. David Ruffin, Eddie Kendricks, Paul Williams) wechselten oder sich just auf eine neue Mode einstellten – sie packten alles,

und zwar mit Eleganz. Von der Doo-Wop-Band Anfang der 60er entwickelte sich das Quintett zur Balladen-Combo unter Anleitung von Smokey Robinson: „The Way You Do The Things You Do“ oder „My Girl“, beides Robinson-Kompositionen, klangen vortrefflich. Doch auch Schnelleres wie „I Know I’m Losing“ oder „Get Ready“, dann ansatzweise Psychedelisches namens „Psychedelic Shack“ und „Cloud Nine“ und schließlich Bombastisches wie das im Original zwölfminütige „Papa Was A Rolling Stone“ – die Temps sangen alles vortrefflich. Als sie sich Ende der 60er von Norman Whitfield, etwa auf dem Album MASTERPIECE, zu einem unter vielen Mosaiksteinen auf rein am Mischpult entstandenen LPs degradieren ließen, vollzogen sie auch dieses mit Würde. Und läuteten Anfang der 70er bereits die kommende Disco-Musik ein…

Das bis hierhin über Motown Gesagte deutet an, weshalb die gängige Meinung, Motowwn sei lediglich Einheits-Sound gewesen, schlicht falsch ist. Gewiß verließ man sich in Detroit auf eine merkliche Angleichung an weiße Hörgewohnheiten, schliff Kanten ab und setzte auf Pop; doch hörte man auch manche Feinheit in der Arbeit der meist ungenannten Motown-Hausband: u. a James Jameson (bg), Benny Benjamin (dr), James Giddons (perc), Earl Van Dyke (keys), Joe Messina, Robert White und Melvin ‚Wah-Wah‘ Ragin (alle g). Und auch die Verschiedenheit der Motown-Acts fiel beim näheren Hinhören auf: Es bestanden Welten zwischen Martha Reeves, Gladys Knight und Diana Ross.

Ehe man ihren Namen ab 1968 gesondert hervorhob, sang Diana Ross neben Mary Wilson und Florence Ballard (später durch Cindy Birdsong ersetzt) schlicht unter dem Namen „The Surpremes‘. Berry Gordy war auf das Trio durch einen Talentwettbewerb aufmerksam geworden, doch da hießen die Supremes noch The Primettes, quasi der Schwester-Name zu einem männlichen Quintett namens The Primes. Letztere nannten sich später The Temptations. Jedenfalls, die Supremes stellten in Personalunion gleichzeitig alles Gute und Böse des Motown-Konzerns dar. Motown-Soul als Fließbandprodukt zwischen modernisiertem Phil Spector-Sound und „Bumm-Bumm-Rhythmus“ (Zitat Diana Ross) zu sehen, geht vorwiegend auf das Supremes-Konto. In der Tat ähneln sich viele Supremes-Hits ungemein, wiewohl sie andererseits recht gut auseinanderzuhalten sind. Die Unterschiede waren geprägt von den diversen Vorstellungen, die man bei Motown (meist H-D-H) für die jeweils nächste Supremes-Single besaß. Die Gemeinsamkeiten lagen im stereotypen Gesang der drei Supremes.

Als Soul Ende der 60er unter anderem eine Lebensform wurde (Soul Brother, Soul Food, Soul Station = schwarzer Plattenladen) und sich in „Black Is Beautiful“-Slogans äußerte, da posierte Diana als Kosmetik-Variante und Kleiderständer in Bewegung. Nicht umsonst traten Diana Ross & The Supremes als erste unter den Motown-Künstlern in Las Vegas-Clubs auf. Dort dilettierte Diana in Songs wie „Girl From Ipanema“ oder gab gar politische Statements ab („Ich hoffe, unsere Jungs kehren bald aus Vietnam zurück“). In den 70ern baute man Diana, nunmehr Gattin von Berry Gordy, als Superstar auf.

Doch all diese Negativa können die Stellung der Supremes als fantastische Hitlieferanten kaum schmälern. Gerade weil die Supremes so erkennbar, so gewohnt klangen, waren sie dermaßen groß und wichtig. Mit Recht gelten Songs wie „Where Did Our Love Go“, „Baby Love“, „Stop In The Name Of Love“, „Back In My Arms Again“, „I Hear A Symphony“, „Your Can’t Hurry Love“, „You Keep Me Hanging On“, „Reflections“ oder „The Happening“, allesamt Welthits, noch heute als Nonplusultra an Popmusik. Und die Stellung der Supremes läßt sich am besten durch die Tatsache darstellen, daß man bei Motown enttäuscht war, als „Nothing But Heartaches“ im August 1965 nicht Platz eins, sondern bloß Nummer elf erreichte…

Anders gesagt: Man wußte bei Motown, was man tat und was man dabei erwarten konnte. Trotzdem erlebte die Firma deutliche Flops, oder kennt jemand die Velvelettes, die Vows, die Elgins oder Ray Oddis?

AAber solches ging unter bei all der Glückselig-, keit, die die Firma verbreitete. Als erster rein schwarzer Plattenkonzern war man mit Recht stolz auf sich, gab sich als große Familie (in der Tat heiratete man sogar untereinander) und betrieb Ämterhäufung: Smokey Robinson etwa blieb nicht nur Sänger und wichtiger Komponist, sondern stieg zum Vizepräsidenten des Labels auf. Ende der 60er indes erhielt das Bild Risse: H-D-H forderten Tantiemen-Abrechnungen, was in einen Prozess und anschließende Trennung von Motown mündete; die beiden Temptations-Sänger David Ruffin und Eddie Kendricks forderten ebenfalls Einsicht in Bilanzen und wurden mit Knebelverträgen ins Abseits gestellt.

Nach außen jedoch präsentierte Motown weiterhin happy Detroit-Sound, ehe dieser Begriff dann auch von den Stooges, MC 5, Mitch Ryder und Bob Seger in Anspruch genommen wurde. Doch mit dem Umzug der Firma von Detroit nach Los Angeles (dabei kürzte man den ursprünglichen Namen Tamla Motown) wechselte man auch das musikalische Hemd.

Wesentlichen Anteil hieran hatten Marvin Gaye und Stevie Wonder. Gaye war einer der ersten Motown-Solisten und neben Mary Wells („My Guy“) ähnlich früh erfolgreich: Vom rauchigen „Stubborn Kind Of Fellow“ bis zum überwältigenden „I Heard It Through The Grapevine“ reihte Gaye Hit an Hit, sang schon mal gern im Duett mit Tammi Terrell, Kim Weston und Diana Ross und befreite sich ab 1970 aus dem Soul-Genre, indem er auf den Alben WHATS GOING ON und LET’S GET IT ON zwischen Blues und Balladen agierte. Später allerdings glitt Gaye zu oft in bloße Schlafzimmergesänge ab.

S Stevie Wonder, dessen Parallelen zu Ray Charles allzu gern herausgestellt wurden, begann als 12jähriger bei Motown und hastete mit jugendlichem Organ durch „Fingertips“ und „Upright“. Mit 18 galt Wonder bereits als Superstar, der sich mit unverkennbarer Mundharmonika in Hits wie „I Was Made To Love Her“, „For Once In My Life“, „My Cherie Amour“ und „Yester-Me, Yester-You, Yesterday“ etabliert hatte. Doch Wonder, der einst mit „Blowin‘ In The Wind“ von Bob Dylan einen der raren kritischen Songs bei Motown gesungen hatte, wollte mehr. Er verschaffte sich erhebliche künstlerische Freiheiten und experimentierte monatelang im Studio. Aus dem erfolgreichen Stevie Wonder der 60er wurde ab 1971 sogar der geniale und wegweisende Sänger und Musiker inner- und außerhalb des Soul…

Insofern Motown derart die strenge Kontrolle über seine Künstler verlor, holte man einfach neue, wiederum reglementierbare, an Land. Schon 1970 waren die blutjungen Jackson Five mit „I Want You Back“, „ABC“ und „I’ll Be There“ in aller Munde. Edwin Starr hingegen zählte wieder zu den eigenständigeren Sängern, der mit „25 Mües“ und speziell „War“ nicht Pop, sondern engagierten Soul bot. Und obwohl Motown 1970 und danach nie mehr den Stellenwert von 1966/ 67 erreichte, zeigte die Firma, daß sie nach wie vor Brillanz bieten konnte, wenn sie sich bemühte: Diana Ross präsentierte 1970 mit „Ain’t No Mountain High Enough“ eine der Hit-Singles aller Zeiten…

Im Sog von Motown, Atlantic und Stax haben auch andere mitzusingen versucht. Blue-Eyed Soul, also weißer Soul, tönte ebenso zahlreich wie meist unsinnig. Ausnahmen: The (Young) Rascals mit „Good Lovin“, die in Memphis produzierten Box Tops mit Alex Chilton („The Letter“, „Cry Like A Baby“), Dusty Springfield („Son Of A Preacher Man“) und der frühe Mitch Ryder mit seinen Detroit Wheels. Die Righteous Brothers sangen sogar guten White Gospel („You’ve Lost

That Lovin‘ Feelin'“, „Unchained Melody“).

Doch auch schwarrze Künstier bleiben zu nennen. In England nutzte Geno Washington mit der Ram Jam Band die Soul-Mode, um zwei Jahre lang durch schwitzige, mitreißende Club-Konzerte zu faszinieren. Die Foundations, acht Musiker um den Sänger Clem Curtis, begeisterten mit vier klassischen Hits: „Baby, Now That I’ve Found You“, „Back On My Feet Again“, „Build Me Up Buttercup“ und „In The Bad Bad Old Days“ und zeigten gewisse Parallelen zu Lee Dorsey, der äußerst roh und doch zärtlich klang. Dorsey brachte New Orleans-Stil in seine „Holy Cow“ und „Working In A Coalmine“ ein.

Leider bloß Eintagsfliegen, doch vorzüglich, wirkten etwa Bob & Earl alias Bobby Reif und Earl Nelson mit „Harlem Shuffle“, 1963 ein US-Hit, sechs Jahre später auch in England weit oben; die Showstoppers brachten mit „Ain’t Nothin‘ But A Houseparty‘ umwerfende Tanzmusik; die Dells („There Is“, „Always Together“, „Oh, What A Night“) und die Chi-Iites („Give It Away“) zählten zu zwar schon lange bestehenden, doch erst ab 1968/70 emporgestiegenen Gruppen.

Dagegen feierten Ike & Tina Turner bereits 1961 ihren Hit „It’s Gonna Work Out Fine“. 1966 verhalf Phil Spector dem Duo zu den legendären Singles „River Deep Mountain High“ und „A Love Like Yours“, ehe Anfang der 70er noch „Proud Mary“ und „Nutbush City Limits“ dazukamen. Tina Turner’s expressive Live-Show konnte jedoch nicht über ihre wenig wandlungsfähige Stimme hinwegtäuschen.

DDie Chambers Brothers, vier schwarze Brüder plus ein weißer Drummer, begannen mit Gospel, wechselten zum Soul und erreichten mit psychedelischem Soul-Rock („Time Has Come Today ) viel Beifall. Dieses Konzept erweiterten Sly & The Family Stone in Hits wie „Dance To The Musik“, „Thank You Fallentin‘ Me Be Mice Elf Agin“ und der exquisiten Hymne „Everyday People“

(„… different strokes hr dinerent folks… „)¿ An Sly alias Sylvester Stewart und seiner Gruppe war fast alles neu: vier Sänger/innen, eine Frau am Piano, gemischtrassige Band, mit Larry Graham ein Uber-Bassist sowie eine irrwitzige Mischung aus Gospel, R & B, Soul, Rock und Psychedelia, mit häufigen Zitaten (etwa Beatles) in fast jedem Song. Sly & The Family Stone haben den Soul 1968 bis 1972 wahrlich revolutioniert.

Bleibt ein Mann zu erwähnen, der wie kein zweiter das Vorbild für den selbstbewußten, stolzen und fordernden Soul Brother abgab, live den King Of Soul hervorkehrte (sich – etwamitJoeTex – sogar Wettbewerbe um den Thron lieferte) und insgesamt ein zweideutiges Bild hinterließ. Nach fantastisch geröchelten Hits wie „Papa’s Got A Brand New Bag“, „I Got You“ und „It’s A Man’s Man’s World“ Mitte der 60er begann der Mann andere Schwarze wie Sidney Poitier oder Sammy Davis zu kritisieren, sie hätten nie ein Getto gesehen und schwelgten in Hollywood-Glamour.

Gleichzeitig dirigierte der Mann seinen Unterhaltungskonzern merklich kapitalistisch. Sein „Say It Loud I’m Black And I’m Proud“ geriet zum Slogan, sein „Sex Machine“ zu toll tanzbaren, aber langatmigen Ritualen. Für seine Fans wahrhaft der Größte, für die anderen dies gerade nicht, wußte auch Hardy/Laings „Encyclopedia Of Rock“ nicht zu entscheiden, wer und was denn James Brown nun sei: „Der Größte oder der Langweiligste; völlig aulgeblasen oder unterschätzt ?“. Dem möchte ich nichts hinzufügen…