Steve Wonder


Keiner kann es sich leisten, erst dann wirklich loszulegen, wenn andere Musiker gewöhnlich schon wieder unter der Dusche stehen. Stevie Wonder kann es. 45 Minuten hielt der 34jährige Motown-Star die zehntausend braven Briten mit dahinplätschemden Balladen und überzogenen Albernheiten knapp bei Laune, dann erst platzte der Knoten.

Premiere der diesjährigen Europa-Tournee im riesigen, bestuhlten Auditorium des Kulturzentrums vor den Toren Birminghams. „Die vorletzte Europa-Tour“, wie Stephen Judkins alias Stevie Wonder in seiner Begrüßung eröffnete. Mit einem knalligen Funk/Soul-Intro hatte die achtköpfige Wonderlove-Band (plus vier Chor-Ladies) die Zweieinhalb-Stunden-Show eingegroovt.

Was folgte, war aber kein Feuerwerk der Wonder-Hits, sondern fragmentarische Country-Klänge und Mississippi-Blues à la Muddy Waters. Sanfte Liebes-Balladen solo am Piano oder im Wonderlove-Sound – animierten einige Hausfrauen, sich in ein schnatterndes Kaffeekränzchen einzurappen. Keiner wollte/konnte so recht auf die verfrühte Anmache des Meisters. Und auch die Las Vegas-artige Jugend-Retrospektive mit vorgetäuschtem Stimmbruch („Fingertips“ und „Uptight“) wirkte auf Dauer banal.

Erst als Stevie die Mundharmonika vorkramte, löste sich die breite Lethargie. „Ribbon In The Sky“, „Living For The City“, „Superstition“ – der satte Wonder-Groove vibrierte in Stuhl- und sonstigen Beinen. Sofort bekam der zuvor etwas hölzerne Sound scharfe Konturen. Ein knackiger Grund-Rhythmus vom Drum-Computer floß in einen brandneuen Song: „Go Home“. Dann eine geniale Überleitung zu „Sir Duke“ und „I Wish“. Auch beim anderen Neuling „Gotta Have It“ schmiedete die komplette Band einen Rhythmus, wie er lange nicht mehr aus dem Hause Wonder knallte.

Auf den beiden fahrbaren und drehbaren Plattformen vor dem Orchester-Rund spielte sich das in die Jahre gekommene Wunderkind nun in beste Form. „You Are The Sunshine Of My Life“ erklang aus zehntausend Kehlen. „Master Blaster“, „Do I Do“, „Isn’t She Lovely“ – die Serie der Hits scheint unbegrenzt. Leider juckte es Wonder immer wieder in den Fingern, das Publikum so zu animieren, wie man’s von den zweihundertprozentigen Entertainern kennt. Und die Briten klatschten mit wie beim Chris Barber-Frühschoppen.

Nach 150 Minuten- dann noch Hoffen auf die Zugabe(n). Nichts. Abrupt ging die Wonderlove-Show zu Ende. Fini. Finish. Feierabend. Kein Mucken und Murren. Die braven Briten wanderten heim. Na ja, waren auch keine Punks vor Ort.