Tango 2000 – Nichts


Der einzige Mensch, der in Deutschland eine handfeste Neo-Pop-Psychedelia-Rock’n’Roll-Gitarre spielen kann, heißt Meikel Clauss und spielt bei Nichts. Neben dem Nichts-Erstling MADE IN EILE und der KFC-LP LETZTE HOFFNUNG ist TANGO 2000 die dritte Platte, der sein typisches Gitarrenspiel den Stempel aufdrückt.

Der einzige Mensch, der in Deutschland Alltagstexte ohne Selbstbeschau schreiben bzw. singen kann, heißt Andrea Mothes und gehört ebenfalls zu Nichts. Angeblich soll die Band sie direkt von der Straße ins Studio geholt haben; eine Geschichte, die durchaus glaubhaft erscheint. Ihre Stimme, eine Mischung aus angstlicher Naivität und Abgeklartheit, klingt wie von der Gosse in die Traumfabrik. Die Rhythmusgruppe von Nichts sind Chris Scarbeck (Bass) und Tobias Brink (Schlagzeug), beide sehr gut und zusammen mit Meikel Clauss so gut wie unschlagbar. Die meisten der 12 Stücke sind up-tempo, Clauss zieht die Register seines Repertoires, schrammt an allen möglichen Klischees entlang, tritt aber nie ins Fettnäpfchen des Altbackenen. Besonders das harte, uhrwerkartige Schlagzeug gibt ihm den Raum für Freiheiten. Seite 1 beginnt mit zwei absoluten Hits, dem leicht verschleppten Titelsong (mit Echogitarre) und danach „Ein Deutsches Lied“ mit sehr guten Textkürzeln und schönem Gitarrensolo am Ende. „Gitarrero Ade“ frönt Clauss‘ Vorliebe für Tango-Rhythmen, „Nachts“ beendet die erste Seite mit romantischer City-Psychedelic.

Start der zweiten Seite mit „Ich bereue Nichts“, ebenfalls ein Hit, danach drei Songs von fast gleichwertigem Kaliber, dann gönnt sich Meikel Clauss mit „Ein Stiller Gruß“ noch eine instrumentale Feature-Nummer und zum Schluß die Live-Version des Songs „Nichts“, zum Spaß für alle die dabei waren. TANGO 2000 zeigt Nichts als eine Band mit Stilgefühl und Sinn für Kurzweil. Das latente Depro-Feeling, das ja schon im Bandnamen steckt, ist auch hier allgegenwärtig, aber nie prätentiös oder zu dick aufgetragen. Das Cover laßt dies sehr gut zusammen, textlich halten sich Horror-Comics, Alltagsärger und düstere Cleverness die Waage.

Mit TANGO 2000 zeigen sich Nichts als eine absolut bodenständige Rockband, die in der Rush-Hour der neuen deutschen Populär-Welle eine Musik produziert, die einfach und zuvorkommend ist und trotzdem noch etwas über Deutschland ’82 aussagt – ein klarer Pluspunkt im Vergleich mit ihren Konkurrenten, den peinlichen Ideal, dem DAF-Fetischismus, den veralteten Extrabreit, dem nostalgischen Dorau, die allesamt wenig mehr als die eigene Selbstgefälligkeit repräsentieren.